Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

jungen-Recht behaupten zu müssen wähnte, ward
des Schreiens endlich auch müde, und so kam es
dahin, daß im Jahr 1789 als Herr Semler Pro-
rector ward, die Kinderei aufhörte, und seitdem
nicht wieder gehört ist.

Die erste Prorector-Wahl, welche ich 1782
in Halle erlebte, traf den Herrn Professor Wol-
tär. Er befand sich gerade zu Lauchstädt im Bade.
Um ihm ihre allgemeine Liebe und Hochachtung
feierlich zu bezeugen, hatten die Studenten beschlos-
sen, ihn im Aufzuge mit Musik von Lauchstädt nach
Halle abzuholen. Dies stritte wider die akademi-
schen Gesetze, und eben darum ließ der abgehende
Prorektor, Herr D. Nösselt, diese Feierlichkeit
untersagen. Herr Professor Woltär hatte sie
ohnehin schon verbeten. Er war zu einsichtig, um
sich dem Neide preis zu geben. Hinausgeritten und
gefahren wurde indeß doch, und auf lautes Murren
folgten endlich Excesse. Man erwischte einige Tu-
multuanten, schleppte sie ins Carcer, und andere
bestrafte man anders. Dies empörte noch mehr
und lenkte den Tumult bis zum Einschmeissen der
Fenster. -- -- -- -- -- -- --

Herr Professor Woltär ist aber immer der
Liebling der Studenten geblieben. So viel vermag
Fleiß und Leutseligkeit! Grobiane und Bequemlinge
liebt man nirgends.


jungen-Recht behaupten zu muͤſſen waͤhnte, ward
des Schreiens endlich auch muͤde, und ſo kam es
dahin, daß im Jahr 1789 als Herr Semler Pro-
rector ward, die Kinderei aufhoͤrte, und ſeitdem
nicht wieder gehoͤrt iſt.

Die erſte Prorector-Wahl, welche ich 1782
in Halle erlebte, traf den Herrn Profeſſor Wol-
taͤr. Er befand ſich gerade zu Lauchſtaͤdt im Bade.
Um ihm ihre allgemeine Liebe und Hochachtung
feierlich zu bezeugen, hatten die Studenten beſchloſ-
ſen, ihn im Aufzuge mit Muſik von Lauchſtaͤdt nach
Halle abzuholen. Dies ſtritte wider die akademi-
ſchen Geſetze, und eben darum ließ der abgehende
Prorektor, Herr D. Noͤſſelt, dieſe Feierlichkeit
unterſagen. Herr Profeſſor Woltaͤr hatte ſie
ohnehin ſchon verbeten. Er war zu einſichtig, um
ſich dem Neide preis zu geben. Hinausgeritten und
gefahren wurde indeß doch, und auf lautes Murren
folgten endlich Exceſſe. Man erwiſchte einige Tu-
multuanten, ſchleppte ſie ins Carcer, und andere
beſtrafte man anders. Dies empoͤrte noch mehr
und lenkte den Tumult bis zum Einſchmeiſſen der
Fenſter. — — — — — — —

Herr Profeſſor Woltaͤr iſt aber immer der
Liebling der Studenten geblieben. So viel vermag
Fleiß und Leutſeligkeit! Grobiane und Bequemlinge
liebt man nirgends.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0114" n="112"/>
jungen-Recht behaupten zu mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wa&#x0364;hnte, ward<lb/>
des Schreiens endlich auch mu&#x0364;de, und &#x017F;o kam es<lb/>
dahin, daß im Jahr 1789 als Herr <hi rendition="#g">Semler</hi> Pro-<lb/>
rector ward, die Kinderei aufho&#x0364;rte, und &#x017F;eitdem<lb/>
nicht wieder geho&#x0364;rt i&#x017F;t.</p><lb/>
        <p>Die er&#x017F;te Prorector-Wahl, welche ich 1782<lb/>
in Halle erlebte, traf den Herrn Profe&#x017F;&#x017F;or <hi rendition="#g">Wol</hi>-<lb/><hi rendition="#g">ta&#x0364;r</hi>. Er befand &#x017F;ich gerade zu Lauch&#x017F;ta&#x0364;dt im Bade.<lb/>
Um ihm ihre allgemeine Liebe und Hochachtung<lb/>
feierlich zu bezeugen, hatten die Studenten be&#x017F;chlo&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, ihn im Aufzuge mit Mu&#x017F;ik von Lauch&#x017F;ta&#x0364;dt nach<lb/>
Halle abzuholen. Dies &#x017F;tritte wider die akademi-<lb/>
&#x017F;chen Ge&#x017F;etze, und eben darum ließ der abgehende<lb/>
Prorektor, Herr <hi rendition="#aq">D.</hi> <hi rendition="#g">No&#x0364;&#x017F;&#x017F;elt</hi>, die&#x017F;e Feierlichkeit<lb/>
unter&#x017F;agen. Herr Profe&#x017F;&#x017F;or <hi rendition="#g">Wolta&#x0364;r</hi> hatte &#x017F;ie<lb/>
ohnehin &#x017F;chon verbeten. Er war zu ein&#x017F;ichtig, um<lb/>
&#x017F;ich dem Neide preis zu geben. Hinausgeritten und<lb/>
gefahren wurde indeß doch, und auf lautes Murren<lb/>
folgten endlich Exce&#x017F;&#x017F;e. Man erwi&#x017F;chte einige Tu-<lb/>
multuanten, &#x017F;chleppte &#x017F;ie ins Carcer, und andere<lb/>
be&#x017F;trafte man anders. Dies empo&#x0364;rte noch mehr<lb/>
und lenkte den Tumult bis zum Ein&#x017F;chmei&#x017F;&#x017F;en der<lb/>
Fen&#x017F;ter. &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014;</p><lb/>
        <p>Herr Profe&#x017F;&#x017F;or <hi rendition="#g">Wolta&#x0364;r</hi> i&#x017F;t aber immer der<lb/>
Liebling der Studenten geblieben. So viel vermag<lb/>
Fleiß und Leut&#x017F;eligkeit! Grobiane und Bequemlinge<lb/>
liebt man nirgends.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[112/0114] jungen-Recht behaupten zu muͤſſen waͤhnte, ward des Schreiens endlich auch muͤde, und ſo kam es dahin, daß im Jahr 1789 als Herr Semler Pro- rector ward, die Kinderei aufhoͤrte, und ſeitdem nicht wieder gehoͤrt iſt. Die erſte Prorector-Wahl, welche ich 1782 in Halle erlebte, traf den Herrn Profeſſor Wol- taͤr. Er befand ſich gerade zu Lauchſtaͤdt im Bade. Um ihm ihre allgemeine Liebe und Hochachtung feierlich zu bezeugen, hatten die Studenten beſchloſ- ſen, ihn im Aufzuge mit Muſik von Lauchſtaͤdt nach Halle abzuholen. Dies ſtritte wider die akademi- ſchen Geſetze, und eben darum ließ der abgehende Prorektor, Herr D. Noͤſſelt, dieſe Feierlichkeit unterſagen. Herr Profeſſor Woltaͤr hatte ſie ohnehin ſchon verbeten. Er war zu einſichtig, um ſich dem Neide preis zu geben. Hinausgeritten und gefahren wurde indeß doch, und auf lautes Murren folgten endlich Exceſſe. Man erwiſchte einige Tu- multuanten, ſchleppte ſie ins Carcer, und andere beſtrafte man anders. Dies empoͤrte noch mehr und lenkte den Tumult bis zum Einſchmeiſſen der Fenſter. — — — — — — — Herr Profeſſor Woltaͤr iſt aber immer der Liebling der Studenten geblieben. So viel vermag Fleiß und Leutſeligkeit! Grobiane und Bequemlinge liebt man nirgends.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/114
Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/114>, abgerufen am 21.11.2024.