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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792.

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Das Besuchen der Dörfer ist in Halle eben so
sehr Mode, als immer in Giessen und Jena. Der
Student liebt überall Natur und Zerstreuung. Auf
den Dörfern um Halle findet sich freilich eben nichts
besonders, nicht einmal eine gute Kegelbahn. Aber
der Hallische Student muß einmal Dörfer besuchen,
und wenns auch nur wäre, um gekünstelte Gesichter
zu begaffen, Merseburger Bier zu trinken, mit die-
ser oder jener Schneidertochter, Stiefelwichserinn
oder Perückenmacherhure zu tanzen, oder des Som-
mers irgend einer Kornnymphe nachzuwittern, und
der Accise ein Compliment zu machen.

Da die von den Hallensern besuchten Dörfer
meist Sächsisch sind, so wird viel Geld ausser Landes
geschleppt. Schlettau, Passendorf und Reideburg
sind daher wahre Blutigel für die Beutel der Stu-
denten. Das Accise-Departement hat eben darum
sehr klug gethan, daß es dem Bahrdtischen Wein-
berg, der schon seiner Lage wegen, einer der ange-
nehmsten Zerstreuungsörter um Halle ist, erlaubt
hat, Merseburger Bier zu führen, und dadurch das
Ausschwärmen auf die Sächsischen Dörfer, wenig-
stens von dieser Seite, unvermerkt einzuschränken.
Wer jetzt um dieses Biers willen sich eine Motion
machen will, hat es im Preussischen und na[ - 1 Zeichen fehlt]e: er
versäumt also weniger Zeit, erspart Reitkosten, da

Zweiter Theil. H

Das Beſuchen der Doͤrfer iſt in Halle eben ſo
ſehr Mode, als immer in Gieſſen und Jena. Der
Student liebt uͤberall Natur und Zerſtreuung. Auf
den Doͤrfern um Halle findet ſich freilich eben nichts
beſonders, nicht einmal eine gute Kegelbahn. Aber
der Halliſche Student muß einmal Doͤrfer beſuchen,
und wenns auch nur waͤre, um gekuͤnſtelte Geſichter
zu begaffen, Merſeburger Bier zu trinken, mit die-
ſer oder jener Schneidertochter, Stiefelwichſerinn
oder Peruͤckenmacherhure zu tanzen, oder des Som-
mers irgend einer Kornnymphe nachzuwittern, und
der Acciſe ein Compliment zu machen.

Da die von den Hallenſern beſuchten Doͤrfer
meiſt Saͤchſiſch ſind, ſo wird viel Geld auſſer Landes
geſchleppt. Schlettau, Paſſendorf und Reideburg
ſind daher wahre Blutigel fuͤr die Beutel der Stu-
denten. Das Acciſe-Departement hat eben darum
ſehr klug gethan, daß es dem Bahrdtiſchen Wein-
berg, der ſchon ſeiner Lage wegen, einer der ange-
nehmſten Zerſtreuungsoͤrter um Halle iſt, erlaubt
hat, Merſeburger Bier zu fuͤhren, und dadurch das
Ausſchwaͤrmen auf die Saͤchſiſchen Doͤrfer, wenig-
ſtens von dieſer Seite, unvermerkt einzuſchraͤnken.
Wer jetzt um dieſes Biers willen ſich eine Motion
machen will, hat es im Preuſſiſchen und na[ – 1 Zeichen fehlt]e: er
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[113/0115] Das Beſuchen der Doͤrfer iſt in Halle eben ſo ſehr Mode, als immer in Gieſſen und Jena. Der Student liebt uͤberall Natur und Zerſtreuung. Auf den Doͤrfern um Halle findet ſich freilich eben nichts beſonders, nicht einmal eine gute Kegelbahn. Aber der Halliſche Student muß einmal Doͤrfer beſuchen, und wenns auch nur waͤre, um gekuͤnſtelte Geſichter zu begaffen, Merſeburger Bier zu trinken, mit die- ſer oder jener Schneidertochter, Stiefelwichſerinn oder Peruͤckenmacherhure zu tanzen, oder des Som- mers irgend einer Kornnymphe nachzuwittern, und der Acciſe ein Compliment zu machen. Da die von den Hallenſern beſuchten Doͤrfer meiſt Saͤchſiſch ſind, ſo wird viel Geld auſſer Landes geſchleppt. Schlettau, Paſſendorf und Reideburg ſind daher wahre Blutigel fuͤr die Beutel der Stu- denten. Das Acciſe-Departement hat eben darum ſehr klug gethan, daß es dem Bahrdtiſchen Wein- berg, der ſchon ſeiner Lage wegen, einer der ange- nehmſten Zerſtreuungsoͤrter um Halle iſt, erlaubt hat, Merſeburger Bier zu fuͤhren, und dadurch das Ausſchwaͤrmen auf die Saͤchſiſchen Doͤrfer, wenig- ſtens von dieſer Seite, unvermerkt einzuſchraͤnken. Wer jetzt um dieſes Biers willen ſich eine Motion machen will, hat es im Preuſſiſchen und na_e: er verſaͤumt alſo weniger Zeit, erſpart Reitkoſten, da Zweiter Theil. H

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/115>, abgerufen am 24.11.2024.