Hallenser gehen würde. Nein! die Leipziger mögen an sich rühmen was sie wollen, -- da lob ich mir doch den Hallenser! Man suche in Halle einen Stu- denten in einem Bier- oder Branteweinhaus, ob man ihn da finden wird. Bei der Jungfer Flei- schern auf dem Rathskeller läßt sich gewiß kein Stu- dent sehen, oder in der Knochenkammer bei Lukas. Das wird in Halle für weggeworfen gehalten, und nicht ohne Ursache. In Jena ist man darüber nicht so delikat: man läßt sichs da nicht verdriessen, mit einem Fleischer, Friseur u. dergl. zusammen zu zechen, und gar Brüderschaft zu machen. In Leipzig und Wittenberg geht es darin nicht viel besser: da sitzt der Mosjeh Student mitten unter Gnoten, Phili- stern und anderm Gesindel in den Kneipen, und spielt sogar unter diesen keine Figur, wie er denn in Leipzig überhaupt keine Figur spielt. Freilich wer dort viel Geld hat, der kann es zur Noth einem Ladenschwen- gel gleich thun; aber das können Wenige: -- und so hat der Scheeren- und Ellen-Major in genere große Vorzüge vor den Studenten.
Meine guten Leser glauben vielleicht, ich über- treibe die Sache: aber ich versichere, daß sich das Ding so verhält, ob ich gleich mehrere Ausnahmen gern zugebe.
Lischke hat mich auch auf einige Stuben zu sei- nen Bekannten geführt. Da fand ich steife Men-
Hallenſer gehen wuͤrde. Nein! die Leipziger moͤgen an ſich ruͤhmen was ſie wollen, — da lob ich mir doch den Hallenſer! Man ſuche in Halle einen Stu- denten in einem Bier- oder Branteweinhaus, ob man ihn da finden wird. Bei der Jungfer Flei- ſchern auf dem Rathskeller laͤßt ſich gewiß kein Stu- dent ſehen, oder in der Knochenkammer bei Lukas. Das wird in Halle fuͤr weggeworfen gehalten, und nicht ohne Urſache. In Jena iſt man daruͤber nicht ſo delikat: man laͤßt ſichs da nicht verdrieſſen, mit einem Fleiſcher, Friſeur u. dergl. zuſammen zu zechen, und gar Bruͤderſchaft zu machen. In Leipzig und Wittenberg geht es darin nicht viel beſſer: da ſitzt der Mosjeh Student mitten unter Gnoten, Phili- ſtern und anderm Geſindel in den Kneipen, und ſpielt ſogar unter dieſen keine Figur, wie er denn in Leipzig uͤberhaupt keine Figur ſpielt. Freilich wer dort viel Geld hat, der kann es zur Noth einem Ladenſchwen- gel gleich thun; aber das koͤnnen Wenige: — und ſo hat der Scheeren- und Ellen-Major in genere große Vorzuͤge vor den Studenten.
Meine guten Leſer glauben vielleicht, ich uͤber- treibe die Sache: aber ich verſichere, daß ſich das Ding ſo verhaͤlt, ob ich gleich mehrere Ausnahmen gern zugebe.
Liſchke hat mich auch auf einige Stuben zu ſei- nen Bekannten gefuͤhrt. Da fand ich ſteife Men-
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Hallenſer gehen wuͤrde. Nein! die Leipziger moͤgen
an ſich ruͤhmen was ſie wollen, — da lob ich mir
doch den Hallenſer! Man ſuche in Halle einen Stu-
denten in einem Bier- oder Branteweinhaus, ob
man ihn da finden wird. Bei der Jungfer Flei-
ſchern auf dem Rathskeller laͤßt ſich gewiß kein Stu-
dent ſehen, oder in der Knochenkammer bei Lukas.
Das wird in Halle fuͤr weggeworfen gehalten, und
nicht ohne Urſache. In Jena iſt man daruͤber nicht
ſo delikat: man laͤßt ſichs da nicht verdrieſſen, mit
einem Fleiſcher, Friſeur u. dergl. zuſammen zu zechen,
und gar Bruͤderſchaft zu machen. In Leipzig und
Wittenberg geht es darin nicht viel beſſer: da ſitzt
der Mosjeh Student mitten unter Gnoten, Phili-
ſtern und anderm Geſindel in den Kneipen, und ſpielt
ſogar unter dieſen keine Figur, wie er denn in Leipzig
uͤberhaupt keine Figur ſpielt. Freilich wer dort viel
Geld hat, der kann es zur Noth einem Ladenſchwen-
gel gleich thun; aber das koͤnnen Wenige: — und
ſo hat der Scheeren- und Ellen-Major in genere
große Vorzuͤge vor den Studenten.
Meine guten Leſer glauben vielleicht, ich uͤber-
treibe die Sache: aber ich verſichere, daß ſich das
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gern zugebe.
Liſchke hat mich auch auf einige Stuben zu ſei-
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/149>, abgerufen am 21.11.2024.
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