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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792.

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Auf dem Wege dahin sprach er in Gießen zu. Lischke
kam in der Pfalz nicht unter, entweder weil er her-
nach nicht wollte, oder weil er für die Herren Kon-
sistorial- und andern Räthe kein Geld hatte, oder
weil er seiner großen Unwissenheit wegen das sonst
äußerst leichte Examen in Heidelberg scheute: Kurz,
er kehrte zurück in die Lausiz, wo er zu Hause war,
verging sich aber in puncto puncti -- wie Herr
D. Bahrdt zu sagen pflegte, da er in puncto puncti
das Seine noch leisten konnte -- und verdarb sich
dadurch seine geistliche Hoffnungen. Er sattelte jezt
um, und lernte Juristerei. In Halle hatte er mich
schon bald nach meiner Ankunft besucht und mir da
viel von Leipzig vorgerühmt, Halle aber dagegen her-
abgesetzt. In Leipzig suchte ich ihn auf, und bath
ihn, mich in Studentengesellschaften einzuführen.
Aber, siehe da, es gab dergleichen nicht. Die Stu-
denten verlieren sich unter Kaufmannsdienern und
Gnoten, und machen nirgends eine Gesellschaft für
sich aus: auch nicht ein einziges Leipziger Koffeehaus
oder Billard ist den Studenten eigen: nicht einmal
ein Trätörhaus. Sie sitzen, je nachdem sie Geld
haben, in den Gasthäusern zerstreut, wohl auch kom-
men einige dann und wann auf Richters Koffeehaus,
oder auf die Hotels de Baviere und de Saxe: jedoch
selten. Man findet aber auch Studenten in den
allerniedrigsten Kneipen, in Kneipen, wohin kein

Auf dem Wege dahin ſprach er in Gießen zu. Liſchke
kam in der Pfalz nicht unter, entweder weil er her-
nach nicht wollte, oder weil er fuͤr die Herren Kon-
ſiſtorial- und andern Raͤthe kein Geld hatte, oder
weil er ſeiner großen Unwiſſenheit wegen das ſonſt
aͤußerſt leichte Examen in Heidelberg ſcheute: Kurz,
er kehrte zuruͤck in die Lauſiz, wo er zu Hauſe war,
verging ſich aber in puncto puncti — wie Herr
D. Bahrdt zu ſagen pflegte, da er in puncto puncti
das Seine noch leiſten konnte — und verdarb ſich
dadurch ſeine geiſtliche Hoffnungen. Er ſattelte jezt
um, und lernte Juriſterei. In Halle hatte er mich
ſchon bald nach meiner Ankunft beſucht und mir da
viel von Leipzig vorgeruͤhmt, Halle aber dagegen her-
abgeſetzt. In Leipzig ſuchte ich ihn auf, und bath
ihn, mich in Studentengeſellſchaften einzufuͤhren.
Aber, ſiehe da, es gab dergleichen nicht. Die Stu-
denten verlieren ſich unter Kaufmannsdienern und
Gnoten, und machen nirgends eine Geſellſchaft fuͤr
ſich aus: auch nicht ein einziges Leipziger Koffeehaus
oder Billard iſt den Studenten eigen: nicht einmal
ein Traͤtoͤrhaus. Sie ſitzen, je nachdem ſie Geld
haben, in den Gaſthaͤuſern zerſtreut, wohl auch kom-
men einige dann und wann auf Richters Koffeehaus,
oder auf die Hotels de Baviere und de Saxe: jedoch
ſelten. Man findet aber auch Studenten in den
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[146/0148] Auf dem Wege dahin ſprach er in Gießen zu. Liſchke kam in der Pfalz nicht unter, entweder weil er her- nach nicht wollte, oder weil er fuͤr die Herren Kon- ſiſtorial- und andern Raͤthe kein Geld hatte, oder weil er ſeiner großen Unwiſſenheit wegen das ſonſt aͤußerſt leichte Examen in Heidelberg ſcheute: Kurz, er kehrte zuruͤck in die Lauſiz, wo er zu Hauſe war, verging ſich aber in puncto puncti — wie Herr D. Bahrdt zu ſagen pflegte, da er in puncto puncti das Seine noch leiſten konnte — und verdarb ſich dadurch ſeine geiſtliche Hoffnungen. Er ſattelte jezt um, und lernte Juriſterei. In Halle hatte er mich ſchon bald nach meiner Ankunft beſucht und mir da viel von Leipzig vorgeruͤhmt, Halle aber dagegen her- abgeſetzt. In Leipzig ſuchte ich ihn auf, und bath ihn, mich in Studentengeſellſchaften einzufuͤhren. Aber, ſiehe da, es gab dergleichen nicht. Die Stu- denten verlieren ſich unter Kaufmannsdienern und Gnoten, und machen nirgends eine Geſellſchaft fuͤr ſich aus: auch nicht ein einziges Leipziger Koffeehaus oder Billard iſt den Studenten eigen: nicht einmal ein Traͤtoͤrhaus. Sie ſitzen, je nachdem ſie Geld haben, in den Gaſthaͤuſern zerſtreut, wohl auch kom- men einige dann und wann auf Richters Koffeehaus, oder auf die Hotels de Baviere und de Saxe: jedoch ſelten. Man findet aber auch Studenten in den allerniedrigſten Kneipen, in Kneipen, wohin kein

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/148>, abgerufen am 18.05.2024.