welche außer andern Schimpfnamen auch Beutlersba- nise genannt wurde. Mit dieser Frau ward ich durch deren Haus-Studenten bekannt, besonders durch einen gewissen Hano, welcher ihrer Tochter Chri- stel die Cour machte. Ich ließ mirs gefallen, auch den Tisch bei ihr anzunehmen. Das alte Weib war wie mehrere ihres Gleichen, eitel genug, sich Ma- dam nennen zu lassen. Sie wußte von ihren jugend- lichen Aventüren sehr viel zu erzählen k). Ich hörte ihre Schnurren gern, und konnte so beim Bierglas und einer Pfeiffe Taback bis zehn Uhr Abends sitzen, und mich belügen lassen. Diese Madam Chemi- non -- so hieß sie, vorher Frau Dörnerin -- hatte erfahren, daß mein Bruder kommen würde, und ersuchte mich, ihn bei ihr einzumiethen; und ich thats, und mein Bruder zog mit einem gewissen Herrn Michaelis, der auch von Göttingen gekom- men war, bei ihr ein.
Herr Semler erfuhr das, und nahm mir es übel: er hatte von seinem Aufwärter gehört, daß das Haus eben nicht im besten Rufe stehen sollte. Wirklich führte es damals den Beinamen Hanauer Puff, weil immer mehrere Hanauer da gewohnt hatten. Aber es war nun einmal nicht anders! An-
k)Fistula dulce canit, volucrem dum decipit auceps. Das gehört so zum Lustmachen.
welche außer andern Schimpfnamen auch Beutlersba- niſe genannt wurde. Mit dieſer Frau ward ich durch deren Haus-Studenten bekannt, beſonders durch einen gewiſſen Hano, welcher ihrer Tochter Chri- ſtel die Cour machte. Ich ließ mirs gefallen, auch den Tiſch bei ihr anzunehmen. Das alte Weib war wie mehrere ihres Gleichen, eitel genug, ſich Ma- dam nennen zu laſſen. Sie wußte von ihren jugend- lichen Aventuͤren ſehr viel zu erzaͤhlen k). Ich hoͤrte ihre Schnurren gern, und konnte ſo beim Bierglas und einer Pfeiffe Taback bis zehn Uhr Abends ſitzen, und mich beluͤgen laſſen. Dieſe Madam Chemi- non — ſo hieß ſie, vorher Frau Doͤrnerin — hatte erfahren, daß mein Bruder kommen wuͤrde, und erſuchte mich, ihn bei ihr einzumiethen; und ich thats, und mein Bruder zog mit einem gewiſſen Herrn Michaelis, der auch von Goͤttingen gekom- men war, bei ihr ein.
Herr Semler erfuhr das, und nahm mir es uͤbel: er hatte von ſeinem Aufwaͤrter gehoͤrt, daß das Haus eben nicht im beſten Rufe ſtehen ſollte. Wirklich fuͤhrte es damals den Beinamen Hanauer Puff, weil immer mehrere Hanauer da gewohnt hatten. Aber es war nun einmal nicht anders! An-
k)Fiſtula dulce canit, volucrem dum decipit auceps. Das gehoͤrt ſo zum Luſtmachen.
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welche außer andern Schimpfnamen auch Beutlersba-
niſe genannt wurde. Mit dieſer Frau ward ich durch
deren Haus-Studenten bekannt, beſonders durch
einen gewiſſen Hano, welcher ihrer Tochter Chri-
ſtel die Cour machte. Ich ließ mirs gefallen, auch
den Tiſch bei ihr anzunehmen. Das alte Weib war
wie mehrere ihres Gleichen, eitel genug, ſich Ma-
dam nennen zu laſſen. Sie wußte von ihren jugend-
lichen Aventuͤren ſehr viel zu erzaͤhlen k). Ich hoͤrte
ihre Schnurren gern, und konnte ſo beim Bierglas
und einer Pfeiffe Taback bis zehn Uhr Abends ſitzen,
und mich beluͤgen laſſen. Dieſe Madam Chemi-
non — ſo hieß ſie, vorher Frau Doͤrnerin — hatte
erfahren, daß mein Bruder kommen wuͤrde, und
erſuchte mich, ihn bei ihr einzumiethen; und ich
thats, und mein Bruder zog mit einem gewiſſen
Herrn Michaelis, der auch von Goͤttingen gekom-
men war, bei ihr ein.
Herr Semler erfuhr das, und nahm mir es
uͤbel: er hatte von ſeinem Aufwaͤrter gehoͤrt, daß
das Haus eben nicht im beſten Rufe ſtehen ſollte.
Wirklich fuͤhrte es damals den Beinamen Hanauer
Puff, weil immer mehrere Hanauer da gewohnt
hatten. Aber es war nun einmal nicht anders! An-
k) Fiſtula dulce canit, volucrem dum decipit auceps.
Das gehoͤrt ſo zum Luſtmachen.
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/162>, abgerufen am 21.11.2024.
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