Auch hab ich Skandal in Reideburg gehabt. Ich war da sehr oft beim Einne[ - 1 Zeichen fehlt]mer, welcher da- mals drei ledige Töchter hatte, wovon jetzt zwei ver- heirathet sind. Bei der ältesten soll man contra formam excipirt haben, denn in Hinsicht auf die Materie war nichts einzuwenden. Ich habe mich niemals mit den Mädchen eingelassen: sie hatten schon das Ihrige, nämlich Anhang unter den Stu- denten von einer gewissen Gesellschaft, mit denen ich nicht gern zu schaffen haben mochte. Einst war ich nebst mehrerern Studenten beim Einnehmer, und stimmte sein Klavier. Diese Arbeit hielt mich bis in die Nacht auf, und dabei tranken wir einen Krug nach dem andern. Der Spiritus war uns allen zu hoch gestiegen, und wir beschlossen, noch erst zu Nacht zu essen, und hernach mit Eberts Kutsche zu- rück zu fahren. Ueber Tische fielen allerlei Gespräche vor: unter andern machte der Einnehmer über eine gewisse Jungfer Brillmeiern aus Halle, mit der ich um diese Zeit vertraut umging, einige An- merkungen, die mir misfielen. Ich wollte das Ge- spräch ablenken, aber der Einnehmer setzte es geflis- sentlich fort: er sahe, daß es mir nahe ging. Da fragte ich ihn mit recht unverschämtem Ton, ob seine Töchter bald heurathen würden, und ob er glaubte, Großvater zu werden? -- Letztere Frage befremdete ihn; ich machte aber zu ihrer Erklärung solche Glos-
Auch hab ich Skandal in Reideburg gehabt. Ich war da ſehr oft beim Einne[ – 1 Zeichen fehlt]mer, welcher da- mals drei ledige Toͤchter hatte, wovon jetzt zwei ver- heirathet ſind. Bei der aͤlteſten ſoll man contra formam excipirt haben, denn in Hinſicht auf die Materie war nichts einzuwenden. Ich habe mich niemals mit den Maͤdchen eingelaſſen: ſie hatten ſchon das Ihrige, naͤmlich Anhang unter den Stu- denten von einer gewiſſen Geſellſchaft, mit denen ich nicht gern zu ſchaffen haben mochte. Einſt war ich nebſt mehrerern Studenten beim Einnehmer, und ſtimmte ſein Klavier. Dieſe Arbeit hielt mich bis in die Nacht auf, und dabei tranken wir einen Krug nach dem andern. Der Spiritus war uns allen zu hoch geſtiegen, und wir beſchloſſen, noch erſt zu Nacht zu eſſen, und hernach mit Eberts Kutſche zu- ruͤck zu fahren. Ueber Tiſche fielen allerlei Geſpraͤche vor: unter andern machte der Einnehmer uͤber eine gewiſſe Jungfer Brillmeiern aus Halle, mit der ich um dieſe Zeit vertraut umging, einige An- merkungen, die mir misfielen. Ich wollte das Ge- ſpraͤch ablenken, aber der Einnehmer ſetzte es gefliſ- ſentlich fort: er ſahe, daß es mir nahe ging. Da fragte ich ihn mit recht unverſchaͤmtem Ton, ob ſeine Toͤchter bald heurathen wuͤrden, und ob er glaubte, Großvater zu werden? — Letztere Frage befremdete ihn; ich machte aber zu ihrer Erklaͤrung ſolche Gloſ-
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Auch hab ich Skandal in Reideburg gehabt.
Ich war da ſehr oft beim Einne_mer, welcher da-
mals drei ledige Toͤchter hatte, wovon jetzt zwei ver-
heirathet ſind. Bei der aͤlteſten ſoll man contra
formam excipirt haben, denn in Hinſicht auf die
Materie war nichts einzuwenden. Ich habe mich
niemals mit den Maͤdchen eingelaſſen: ſie hatten
ſchon das Ihrige, naͤmlich Anhang unter den Stu-
denten von einer gewiſſen Geſellſchaft, mit denen ich
nicht gern zu ſchaffen haben mochte. Einſt war ich
nebſt mehrerern Studenten beim Einnehmer, und
ſtimmte ſein Klavier. Dieſe Arbeit hielt mich bis
in die Nacht auf, und dabei tranken wir einen Krug
nach dem andern. Der Spiritus war uns allen zu
hoch geſtiegen, und wir beſchloſſen, noch erſt zu
Nacht zu eſſen, und hernach mit Eberts Kutſche zu-
ruͤck zu fahren. Ueber Tiſche fielen allerlei Geſpraͤche
vor: unter andern machte der Einnehmer uͤber eine
gewiſſe Jungfer Brillmeiern aus Halle, mit
der ich um dieſe Zeit vertraut umging, einige An-
merkungen, die mir misfielen. Ich wollte das Ge-
ſpraͤch ablenken, aber der Einnehmer ſetzte es gefliſ-
ſentlich fort: er ſahe, daß es mir nahe ging. Da
fragte ich ihn mit recht unverſchaͤmtem Ton, ob ſeine
Toͤchter bald heurathen wuͤrden, und ob er glaubte,
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/182>, abgerufen am 21.11.2024.
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