Aventuriers, Jordan Brunus, dessen Leben Herr Adelung in seiner Geschichte der menschli- chen Narrheit beschrieben hat. Ich nahm meine Data aus Bayle's Wörterbuch, Brucker und la Croze: hinten hing ich aus dem System der brunischen Metaphysik einige Sätze an, welche ich glaubte mit andern schon bekannten Systemen ver- einigen zu können, ja, es sollte nach meiner Meinung zwischen den Sätzen des Brunus und denen des Herrn von Leibnitz einige Aehnlichkeit statt finden.
Diesen Aufsatz erhielt eben der Mann zur Cen- sur, der meinen Roman verworfen hatte. Ich kam um meiner Disputationsschrift einigemal zu ihm, und mußte mir in aller Demuth gefallen lassen, ge- fragt zu werden: ob ich mich auch auf Philosophie gelegt hätte? Ob ich wüßte, worin die formelle Wahrheit der Syllogismen bestehe? Was eine adä- quate Idee sey? u. dgl. Da mir diese Fragen ein wenig kindisch vorkamen, beantwortete ich sie auch nur obenhin. Dies mußte den guten Herrn verdros- sen haben, und daher vielleicht die Aeußerung gegen seine damalige Hausmamsell, die jetzt einen Schuster geheurathet hat: "Ich sey ein naseweises Magister- lein, das gern gelehrt thun wollte, aber noch erfah- ren müste, daß ein Professor Ordinarius ein ganz anderer Mann sey, als so ein Magisterlein." Die Hausmamsell sagte dieses ihrem damaligen Liebhaber,
Aventuriers, Jordan Brunus, deſſen Leben Herr Adelung in ſeiner Geſchichte der menſchli- chen Narrheit beſchrieben hat. Ich nahm meine Data aus Bayle's Woͤrterbuch, Brucker und la Croze: hinten hing ich aus dem Syſtem der bruniſchen Metaphyſik einige Saͤtze an, welche ich glaubte mit andern ſchon bekannten Syſtemen ver- einigen zu koͤnnen, ja, es ſollte nach meiner Meinung zwiſchen den Saͤtzen des Brunus und denen des Herrn von Leibnitz einige Aehnlichkeit ſtatt finden.
Dieſen Aufſatz erhielt eben der Mann zur Cen- ſur, der meinen Roman verworfen hatte. Ich kam um meiner Diſputationsſchrift einigemal zu ihm, und mußte mir in aller Demuth gefallen laſſen, ge- fragt zu werden: ob ich mich auch auf Philoſophie gelegt haͤtte? Ob ich wuͤßte, worin die formelle Wahrheit der Syllogismen beſtehe? Was eine adaͤ- quate Idee ſey? u. dgl. Da mir dieſe Fragen ein wenig kindiſch vorkamen, beantwortete ich ſie auch nur obenhin. Dies mußte den guten Herrn verdroſ- ſen haben, und daher vielleicht die Aeußerung gegen ſeine damalige Hausmamſell, die jetzt einen Schuſter geheurathet hat: „Ich ſey ein naſeweiſes Magiſter- lein, das gern gelehrt thun wollte, aber noch erfah- ren muͤſte, daß ein Profeſſor Ordinarius ein ganz anderer Mann ſey, als ſo ein Magiſterlein.“ Die Hausmamſell ſagte dieſes ihrem damaligen Liebhaber,
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[208/0210]
Aventuriers, Jordan Brunus, deſſen Leben
Herr Adelung in ſeiner Geſchichte der menſchli-
chen Narrheit beſchrieben hat. Ich nahm meine
Data aus Bayle's Woͤrterbuch, Brucker und
la Croze: hinten hing ich aus dem Syſtem der
bruniſchen Metaphyſik einige Saͤtze an, welche ich
glaubte mit andern ſchon bekannten Syſtemen ver-
einigen zu koͤnnen, ja, es ſollte nach meiner Meinung
zwiſchen den Saͤtzen des Brunus und denen des
Herrn von Leibnitz einige Aehnlichkeit ſtatt finden.
Dieſen Aufſatz erhielt eben der Mann zur Cen-
ſur, der meinen Roman verworfen hatte. Ich kam
um meiner Diſputationsſchrift einigemal zu ihm,
und mußte mir in aller Demuth gefallen laſſen, ge-
fragt zu werden: ob ich mich auch auf Philoſophie
gelegt haͤtte? Ob ich wuͤßte, worin die formelle
Wahrheit der Syllogismen beſtehe? Was eine adaͤ-
quate Idee ſey? u. dgl. Da mir dieſe Fragen ein
wenig kindiſch vorkamen, beantwortete ich ſie auch
nur obenhin. Dies mußte den guten Herrn verdroſ-
ſen haben, und daher vielleicht die Aeußerung gegen
ſeine damalige Hausmamſell, die jetzt einen Schuſter
geheurathet hat: „Ich ſey ein naſeweiſes Magiſter-
lein, das gern gelehrt thun wollte, aber noch erfah-
ren muͤſte, daß ein Profeſſor Ordinarius ein ganz
anderer Mann ſey, als ſo ein Magiſterlein.“ Die
Hausmamſell ſagte dieſes ihrem damaligen Liebhaber,
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/210>, abgerufen am 28.11.2024.
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