lische Schnitzer, nach Art jener Dissertation pro loco, wovon ich oben geredet habe.
Außer meinen Kollegien unterrichtete ich auch noch in der hebräischen Sprache, und in der Dog- matik. Man denke sich ein Privatissimum, welches ich einigen Theologen über die Dogmatik hielt. Ich hatte längst das ganze System mit allen seinen In- gredienzien weggeworfen, und nun, da ich es vortra- gen sollte, schlug ich folgenden Weg ein. Ich er- klärte gleich Anfangs, daß ich meine guten Gründe hätte, ein System zu verwerfen, welches auf Offen- barung gebaut wäre. Darnach trug ich auf gut Tin- dalisch meine Argumente darüber vor. So brachte ich mit meinen Sätzen ohngefähr acht Stunden zu. Hernach griff ich das Werk anders an. Wir müssen, sagte ich, System wissen, um gelehrte Theologen heissen zu können, und um im Examen zu bestehen. Nach diesem führte ich alle Artikel aus, und sprach über die heilige Schrift, über Dreieinigkeit, Satis- faction, und die andern Theile des dogmatischen Systems gerade so, wie einst Johann Jakob Rambach, Siegmund Jakob Baumgar- ten, und Johann Ernst Schubertb), deren
b) Ich kenne diese drei Männer, weiß, daß sie erzgelehrt waren, und schätze sie deswegen hoch. Allein bei al- lem dem wird jeder Sachkundige herzlich gern gestehen,
liſche Schnitzer, nach Art jener Diſſertation pro loco, wovon ich oben geredet habe.
Außer meinen Kollegien unterrichtete ich auch noch in der hebraͤiſchen Sprache, und in der Dog- matik. Man denke ſich ein Privatiſſimum, welches ich einigen Theologen uͤber die Dogmatik hielt. Ich hatte laͤngſt das ganze Syſtem mit allen ſeinen In- gredienzien weggeworfen, und nun, da ich es vortra- gen ſollte, ſchlug ich folgenden Weg ein. Ich er- klaͤrte gleich Anfangs, daß ich meine guten Gruͤnde haͤtte, ein Syſtem zu verwerfen, welches auf Offen- barung gebaut waͤre. Darnach trug ich auf gut Tin- daliſch meine Argumente daruͤber vor. So brachte ich mit meinen Saͤtzen ohngefaͤhr acht Stunden zu. Hernach griff ich das Werk anders an. Wir muͤſſen, ſagte ich, Syſtem wiſſen, um gelehrte Theologen heiſſen zu koͤnnen, und um im Examen zu beſtehen. Nach dieſem fuͤhrte ich alle Artikel aus, und ſprach uͤber die heilige Schrift, uͤber Dreieinigkeit, Satis- faction, und die andern Theile des dogmatiſchen Syſtems gerade ſo, wie einſt Johann Jakob Rambach, Siegmund Jakob Baumgar- ten, und Johann Ernſt Schubertb), deren
b) Ich kenne dieſe drei Maͤnner, weiß, daß ſie erzgelehrt waren, und ſchaͤtze ſie deswegen hoch. Allein bei al- lem dem wird jeder Sachkundige herzlich gern geſtehen,
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liſche Schnitzer, nach Art jener Diſſertation pro loco,
wovon ich oben geredet habe.
Außer meinen Kollegien unterrichtete ich auch
noch in der hebraͤiſchen Sprache, und in der Dog-
matik. Man denke ſich ein Privatiſſimum, welches
ich einigen Theologen uͤber die Dogmatik hielt. Ich
hatte laͤngſt das ganze Syſtem mit allen ſeinen In-
gredienzien weggeworfen, und nun, da ich es vortra-
gen ſollte, ſchlug ich folgenden Weg ein. Ich er-
klaͤrte gleich Anfangs, daß ich meine guten Gruͤnde
haͤtte, ein Syſtem zu verwerfen, welches auf Offen-
barung gebaut waͤre. Darnach trug ich auf gut Tin-
daliſch meine Argumente daruͤber vor. So brachte
ich mit meinen Saͤtzen ohngefaͤhr acht Stunden zu.
Hernach griff ich das Werk anders an. Wir muͤſſen,
ſagte ich, Syſtem wiſſen, um gelehrte Theologen
heiſſen zu koͤnnen, und um im Examen zu beſtehen.
Nach dieſem fuͤhrte ich alle Artikel aus, und ſprach
uͤber die heilige Schrift, uͤber Dreieinigkeit, Satis-
faction, und die andern Theile des dogmatiſchen
Syſtems gerade ſo, wie einſt Johann Jakob
Rambach, Siegmund Jakob Baumgar-
ten, und Johann Ernſt Schubert b), deren
b) Ich kenne dieſe drei Maͤnner, weiß, daß ſie erzgelehrt
waren, und ſchaͤtze ſie deswegen hoch. Allein bei al-
lem dem wird jeder Sachkundige herzlich gern geſtehen,
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/212>, abgerufen am 27.11.2024.
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