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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792.

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einem unschuldigen verliebten Mädchen, wie weiland
meine Therese war! Noch kränkt mich der Gedanke
an dieses gute, ehrliche Geschöpf!

Nun muß ich meine Begebenheit mit dem hal-
lischen Nachtwächter erzählen. -- Ich war in dem
Hause des Kaufmanns c) Mörtschke auf dem alten
Markte bekannt geworden. In diesem Hause war
des Abends ein Schnapps- und Tabacks-Kollegium.
Es bestand aus dem Zinngießer Leiche, dem Kauf-
mann Mörtschke, seinem Bruder, dem Trätöhr, dem
Kaufmann Kraft vom Strohhofe, ferner aus dem
Kontrollöhr Bauer, aus zwei Waisenhäuser Stu-
denten, deren einer hernach Inspector ward, und
endlich aus mir. Ich muß gestehen, daß ich in die-
ser sehr gemischten Gesellschaft manche angenehme
Stunden verlebt habe: es wurde Taback geraucht,
Schnapps dazu getrunken, und über die Zeitungen,
auch wohl manchmal über gelehrte Dinge gekannen-
giessert. Selten paßirte eine Schnurre; und gewöhn-
lich gingen wir so vergnügt auseinander, als wir
zusammen gekommen waren. Der Kaufmann hatte
zwei Töchter, damals noch Kinder: die älteste gefiel

c) Alles, was etwas feil hat, heißt in Halle Kaufmann.
Zu Frankfurt am Main, Mainz, Mannheim und sonst-
wo, weiß man sehr gut zu unterscheiden zwischen Kauf-
mann und Krämer.

einem unſchuldigen verliebten Maͤdchen, wie weiland
meine Thereſe war! Noch kraͤnkt mich der Gedanke
an dieſes gute, ehrliche Geſchoͤpf!

Nun muß ich meine Begebenheit mit dem hal-
liſchen Nachtwaͤchter erzaͤhlen. — Ich war in dem
Hauſe des Kaufmanns c) Moͤrtſchke auf dem alten
Markte bekannt geworden. In dieſem Hauſe war
des Abends ein Schnapps- und Tabacks-Kollegium.
Es beſtand aus dem Zinngießer Leiche, dem Kauf-
mann Moͤrtſchke, ſeinem Bruder, dem Traͤtoͤhr, dem
Kaufmann Kraft vom Strohhofe, ferner aus dem
Kontrolloͤhr Bauer, aus zwei Waiſenhaͤuſer Stu-
denten, deren einer hernach Inſpector ward, und
endlich aus mir. Ich muß geſtehen, daß ich in die-
ſer ſehr gemiſchten Geſellſchaft manche angenehme
Stunden verlebt habe: es wurde Taback geraucht,
Schnapps dazu getrunken, und uͤber die Zeitungen,
auch wohl manchmal uͤber gelehrte Dinge gekannen-
gieſſert. Selten paßirte eine Schnurre; und gewoͤhn-
lich gingen wir ſo vergnuͤgt auseinander, als wir
zuſammen gekommen waren. Der Kaufmann hatte
zwei Toͤchter, damals noch Kinder: die aͤlteſte gefiel

c) Alles, was etwas feil hat, heißt in Halle Kaufmann.
Zu Frankfurt am Main, Mainz, Mannheim und ſonſt-
wo, weiß man ſehr gut zu unterſcheiden zwiſchen Kauf-
mann und Kraͤmer.
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[220/0222] einem unſchuldigen verliebten Maͤdchen, wie weiland meine Thereſe war! Noch kraͤnkt mich der Gedanke an dieſes gute, ehrliche Geſchoͤpf! Nun muß ich meine Begebenheit mit dem hal- liſchen Nachtwaͤchter erzaͤhlen. — Ich war in dem Hauſe des Kaufmanns c) Moͤrtſchke auf dem alten Markte bekannt geworden. In dieſem Hauſe war des Abends ein Schnapps- und Tabacks-Kollegium. Es beſtand aus dem Zinngießer Leiche, dem Kauf- mann Moͤrtſchke, ſeinem Bruder, dem Traͤtoͤhr, dem Kaufmann Kraft vom Strohhofe, ferner aus dem Kontrolloͤhr Bauer, aus zwei Waiſenhaͤuſer Stu- denten, deren einer hernach Inſpector ward, und endlich aus mir. Ich muß geſtehen, daß ich in die- ſer ſehr gemiſchten Geſellſchaft manche angenehme Stunden verlebt habe: es wurde Taback geraucht, Schnapps dazu getrunken, und uͤber die Zeitungen, auch wohl manchmal uͤber gelehrte Dinge gekannen- gieſſert. Selten paßirte eine Schnurre; und gewoͤhn- lich gingen wir ſo vergnuͤgt auseinander, als wir zuſammen gekommen waren. Der Kaufmann hatte zwei Toͤchter, damals noch Kinder: die aͤlteſte gefiel c) Alles, was etwas feil hat, heißt in Halle Kaufmann. Zu Frankfurt am Main, Mainz, Mannheim und ſonſt- wo, weiß man ſehr gut zu unterſcheiden zwiſchen Kauf- mann und Kraͤmer.

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/222>, abgerufen am 27.11.2024.