sie so zu Mysanthropen, denen überall nichts recht ist d). Im geschäftigen Leben, wo ernsthaftes und angestrengtes Ueberlegen erfordert wird, kann man aber diese Leutchen nicht brauchen, und am Ende werden sie politische oder geistliche Hieremiasse oder Jonasse, die weit eher im Stande wären, allgemeine Unzufriedenheit anzuzetteln und dadurch nach und nach zum Aufruhr zu verleiten, als die freimüthig- sten Schriften, die irgend ein Philosoph zum Zucht- spiegel für Regenten und Unterthanen aufstellt. Ist aber hieran unsere heutige Lehrmethode nicht haupt- sächlich Schuld? Kann das übertriebene Basedo- wisiren zum gesetzten männlichen Denken vorbe- reiten? Wird nicht überall mehr getändelt und ge- spielt, als allmälig zum ausdauernden Fleiß bei Ge- genständen des Denkens und Handelns angeführt? Wird nicht mehr auf ästhetisches Scheinen als auf philosophisches Seyn gearbeitet e)? -- Aber wir
d) Und darum werdens unser Herr Feldprediger, Lafon- taine, verzeihen, wenn ich seiner Meynung nicht bin, daß nämlich Romane mehr bilden helfen, als die Geschichte. Seine Gedanken darüber stehen im Isten St. des II. B. der Zeitschrift für Gattinnen, Mütter und Töchter -- 1792.
e) Man lese hierzu die Bemerkungen über die Fehler unserer modernen Erziehung, von einer praktischen Erzieherin. Herausgegeben vom Ver- fasser des Siegfrieds von Lindenberg. Leipzig bei
ſie ſo zu Myſanthropen, denen uͤberall nichts recht iſt d). Im geſchaͤftigen Leben, wo ernſthaftes und angeſtrengtes Ueberlegen erfordert wird, kann man aber dieſe Leutchen nicht brauchen, und am Ende werden ſie politiſche oder geiſtliche Hieremiaſſe oder Jonaſſe, die weit eher im Stande waͤren, allgemeine Unzufriedenheit anzuzetteln und dadurch nach und nach zum Aufruhr zu verleiten, als die freimuͤthig- ſten Schriften, die irgend ein Philoſoph zum Zucht- ſpiegel fuͤr Regenten und Unterthanen aufſtellt. Iſt aber hieran unſere heutige Lehrmethode nicht haupt- ſaͤchlich Schuld? Kann das uͤbertriebene Baſedo- wiſiren zum geſetzten maͤnnlichen Denken vorbe- reiten? Wird nicht uͤberall mehr getaͤndelt und ge- ſpielt, als allmaͤlig zum ausdauernden Fleiß bei Ge- genſtaͤnden des Denkens und Handelns angefuͤhrt? Wird nicht mehr auf aͤſthetiſches Scheinen als auf philoſophiſches Seyn gearbeitet e)? — Aber wir
d) Und darum werdens unſer Herr Feldprediger, Lafon- taine, verzeihen, wenn ich ſeiner Meynung nicht bin, daß naͤmlich Romane mehr bilden helfen, als die Geſchichte. Seine Gedanken daruͤber ſtehen im Iſten St. des II. B. der Zeitſchrift fuͤr Gattinnen, Muͤtter und Toͤchter — 1792.
e) Man leſe hierzu die Bemerkungen uͤber die Fehler unſerer modernen Erziehung, von einer praktiſchen Erzieherin. Herausgegeben vom Ver- faſſer des Siegfrieds von Lindenberg. Leipzig bei
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werden ſie politiſche oder geiſtliche Hieremiaſſe oder
Jonaſſe, die weit eher im Stande waͤren, allgemeine
Unzufriedenheit anzuzetteln und dadurch nach und
nach zum Aufruhr zu verleiten, als die freimuͤthig-
ſten Schriften, die irgend ein Philoſoph zum Zucht-
ſpiegel fuͤr Regenten und Unterthanen aufſtellt. Iſt
aber hieran unſere heutige Lehrmethode nicht haupt-
ſaͤchlich Schuld? Kann das uͤbertriebene Baſedo-
wiſiren zum geſetzten maͤnnlichen Denken vorbe-
reiten? Wird nicht uͤberall mehr getaͤndelt und ge-
ſpielt, als allmaͤlig zum ausdauernden Fleiß bei Ge-
genſtaͤnden des Denkens und Handelns angefuͤhrt?
Wird nicht mehr auf aͤſthetiſches Scheinen als auf
philoſophiſches Seyn gearbeitet e)? — Aber wir
d) Und darum werdens unſer Herr Feldprediger, Lafon-
taine, verzeihen, wenn ich ſeiner Meynung nicht
bin, daß naͤmlich Romane mehr bilden helfen, als die
Geſchichte. Seine Gedanken daruͤber ſtehen im Iſten
St. des II. B. der Zeitſchrift fuͤr Gattinnen, Muͤtter
und Toͤchter — 1792.
e) Man leſe hierzu die Bemerkungen uͤber die
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 287[297]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/299>, abgerufen am 24.11.2024.
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