noch annehmen, und dann müßte der Teufel selbst kommen, wenn mir Schaden geschehen sollte u. s. w. Ich freute mich über des Barons guten Willen, und danke ihm noch heute dafür, aber ich konnte und mochte von seinen Anerbietungen keinen Gebrauch machen. Ich habe ihm nicht einmal geantwortet, welches freilich manchem Leser undankbar scheinen kann. Meine damalige Lage ließ es aber nicht an- ders zu. Und bei so bewandten Sachen ists am besten, man schweigt.
So schwieg ich auch auf einen Brief, den mir meines Vaters Bruder aus Bauzen schrieb. Er war auf einer Reise nach Halle gekommen, und wollte mich besuchen. Mein Wirth, Müller, lief aller Or- ten herum, mich aufzufinden: er fand mich; als er mir aber sagte, mein Onkel wäre da, mich zu spre- chen, so ging ich nicht nach Hause, bis er fort war. Das mußte ich schon thun: wie sollte ich mich unter den Augen eines so nahen Anverwandten haben stel- len können, welcher mich in meiner Kindheit gekannt hatte, und um alle Hofnungen wuste, welche mein Vater auf mich gesetzt hatte? Er schrieb mir darauf von Bauzen aus; allein diese Briefe -- es kamen deren mehrere -- hab ich alle unbeantwortet gelassen. Erst noch im letzt vergangenen Winter hat er mir aus Schlesien geschrieben, wo er zu Michelwitz bei Oels Verwalter für den Herzog von Würtemberg
noch annehmen, und dann muͤßte der Teufel ſelbſt kommen, wenn mir Schaden geſchehen ſollte u. ſ. w. Ich freute mich uͤber des Barons guten Willen, und danke ihm noch heute dafuͤr, aber ich konnte und mochte von ſeinen Anerbietungen keinen Gebrauch machen. Ich habe ihm nicht einmal geantwortet, welches freilich manchem Leſer undankbar ſcheinen kann. Meine damalige Lage ließ es aber nicht an- ders zu. Und bei ſo bewandten Sachen iſts am beſten, man ſchweigt.
So ſchwieg ich auch auf einen Brief, den mir meines Vaters Bruder aus Bauzen ſchrieb. Er war auf einer Reiſe nach Halle gekommen, und wollte mich beſuchen. Mein Wirth, Muͤller, lief aller Or- ten herum, mich aufzufinden: er fand mich; als er mir aber ſagte, mein Onkel waͤre da, mich zu ſpre- chen, ſo ging ich nicht nach Hauſe, bis er fort war. Das mußte ich ſchon thun: wie ſollte ich mich unter den Augen eines ſo nahen Anverwandten haben ſtel- len koͤnnen, welcher mich in meiner Kindheit gekannt hatte, und um alle Hofnungen wuſte, welche mein Vater auf mich geſetzt hatte? Er ſchrieb mir darauf von Bauzen aus; allein dieſe Briefe — es kamen deren mehrere — hab ich alle unbeantwortet gelaſſen. Erſt noch im letzt vergangenen Winter hat er mir aus Schleſien geſchrieben, wo er zu Michelwitz bei Oels Verwalter fuͤr den Herzog von Wuͤrtemberg
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0311"n="299[309]"/>
noch annehmen, und dann muͤßte der Teufel ſelbſt<lb/>
kommen, wenn mir Schaden geſchehen ſollte u. ſ. w.<lb/>
Ich freute mich uͤber des Barons guten Willen, und<lb/>
danke ihm noch heute dafuͤr, aber ich konnte und<lb/>
mochte von ſeinen Anerbietungen keinen Gebrauch<lb/>
machen. Ich habe ihm nicht einmal geantwortet,<lb/>
welches freilich manchem Leſer undankbar ſcheinen<lb/>
kann. Meine damalige Lage ließ es aber nicht an-<lb/>
ders zu. Und bei ſo bewandten Sachen iſts am<lb/>
beſten, man ſchweigt.</p><lb/><p>So ſchwieg ich auch auf einen Brief, den mir<lb/>
meines Vaters Bruder aus Bauzen ſchrieb. Er war<lb/>
auf einer Reiſe nach Halle gekommen, und wollte<lb/>
mich beſuchen. Mein Wirth, Muͤller, lief aller Or-<lb/>
ten herum, mich aufzufinden: er fand mich; als er<lb/>
mir aber ſagte, mein Onkel waͤre da, mich zu ſpre-<lb/>
chen, ſo ging ich nicht nach Hauſe, bis er fort war.<lb/>
Das mußte ich ſchon thun: wie ſollte ich mich unter<lb/>
den Augen eines ſo nahen Anverwandten haben ſtel-<lb/>
len koͤnnen, welcher mich in meiner Kindheit gekannt<lb/>
hatte, und um alle Hofnungen wuſte, welche mein<lb/>
Vater auf mich geſetzt hatte? Er ſchrieb mir darauf<lb/>
von Bauzen aus; allein dieſe Briefe — es kamen<lb/>
deren mehrere — hab ich alle unbeantwortet gelaſſen.<lb/>
Erſt noch im letzt vergangenen Winter hat er mir<lb/>
aus Schleſien geſchrieben, wo er zu <hirendition="#g">Michelwitz</hi><lb/>
bei Oels Verwalter fuͤr den Herzog von Wuͤrtemberg<lb/></p></div></body></text></TEI>
[299[309]/0311]
noch annehmen, und dann muͤßte der Teufel ſelbſt
kommen, wenn mir Schaden geſchehen ſollte u. ſ. w.
Ich freute mich uͤber des Barons guten Willen, und
danke ihm noch heute dafuͤr, aber ich konnte und
mochte von ſeinen Anerbietungen keinen Gebrauch
machen. Ich habe ihm nicht einmal geantwortet,
welches freilich manchem Leſer undankbar ſcheinen
kann. Meine damalige Lage ließ es aber nicht an-
ders zu. Und bei ſo bewandten Sachen iſts am
beſten, man ſchweigt.
So ſchwieg ich auch auf einen Brief, den mir
meines Vaters Bruder aus Bauzen ſchrieb. Er war
auf einer Reiſe nach Halle gekommen, und wollte
mich beſuchen. Mein Wirth, Muͤller, lief aller Or-
ten herum, mich aufzufinden: er fand mich; als er
mir aber ſagte, mein Onkel waͤre da, mich zu ſpre-
chen, ſo ging ich nicht nach Hauſe, bis er fort war.
Das mußte ich ſchon thun: wie ſollte ich mich unter
den Augen eines ſo nahen Anverwandten haben ſtel-
len koͤnnen, welcher mich in meiner Kindheit gekannt
hatte, und um alle Hofnungen wuſte, welche mein
Vater auf mich geſetzt hatte? Er ſchrieb mir darauf
von Bauzen aus; allein dieſe Briefe — es kamen
deren mehrere — hab ich alle unbeantwortet gelaſſen.
Erſt noch im letzt vergangenen Winter hat er mir
aus Schleſien geſchrieben, wo er zu Michelwitz
bei Oels Verwalter fuͤr den Herzog von Wuͤrtemberg
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 299[309]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/311>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.