Jena: er kannte mich kaum, stellte mir indeß doch ein Glas Hersfelder Bier u) hin: ich aber aus Aer- ger über den undankbaren Ordensbruder machte, daß ich fort kam. Ich fühlte schon lange tiefe Verach- tung gegen alle dergleichen Institute, und diese Ver- achtung gegen das Ganze heftete sich jetzt auch an den einzelnen Bruder, oder vielmehr dieser einzelne Bruder machte mir das ganze Institut nur noch verhaßter.
Aber nun hatte ich einen Auftritt von besserer Art! Ich besuchte die vortreflichen Limbergerin- nen, von denen ich schon oben x) geschrieben habe, jedoch ohne sie zu nennen. Lehnchen war verheu- rathet, und recht gut verheurathet: ihr Mann war ein gar guter Mann, den ich innigst lieb hatte, und dem ich seine liebe Frau herzlich gönnte. Marian- chen war noch ledig. Die guten Leutchen, welche ich bei dem jungen Manne aufsuchte, waren so froh, als sie mich wieder sahen, daß sie mir ihre Freude nicht genug zu verstehen geben konnten: ich wurde gedrückt und geküßt, ob ich gleich einen Bart hatte, wie ein Jude, den ich aber noch selbigen Abend ra- siren ließ. Die alte Mama war auch gar fideel mit
u) Unter allen Bieren in ganz Deutschland das elender noch elender als das Gießer und Marburger Bier.
x) Seite 82. in diesem Theil.
Jena: er kannte mich kaum, ſtellte mir indeß doch ein Glas Hersfelder Bier u) hin: ich aber aus Aer- ger uͤber den undankbaren Ordensbruder machte, daß ich fort kam. Ich fuͤhlte ſchon lange tiefe Verach- tung gegen alle dergleichen Inſtitute, und dieſe Ver- achtung gegen das Ganze heftete ſich jetzt auch an den einzelnen Bruder, oder vielmehr dieſer einzelne Bruder machte mir das ganze Inſtitut nur noch verhaßter.
Aber nun hatte ich einen Auftritt von beſſerer Art! Ich beſuchte die vortreflichen Limbergerin- nen, von denen ich ſchon oben x) geſchrieben habe, jedoch ohne ſie zu nennen. Lehnchen war verheu- rathet, und recht gut verheurathet: ihr Mann war ein gar guter Mann, den ich innigſt lieb hatte, und dem ich ſeine liebe Frau herzlich goͤnnte. Marian- chen war noch ledig. Die guten Leutchen, welche ich bei dem jungen Manne aufſuchte, waren ſo froh, als ſie mich wieder ſahen, daß ſie mir ihre Freude nicht genug zu verſtehen geben konnten: ich wurde gedruͤckt und gekuͤßt, ob ich gleich einen Bart hatte, wie ein Jude, den ich aber noch ſelbigen Abend ra- ſiren ließ. Die alte Mama war auch gar fideel mit
u) Unter allen Bieren in ganz Deutſchland das elender noch elender als das Gießer und Marburger Bier.
x) Seite 82. in dieſem Theil.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0343"n="331[341]"/>
Jena: er kannte mich kaum, ſtellte mir indeß doch<lb/>
ein Glas Hersfelder Bier <noteplace="foot"n="u)">Unter allen Bieren in ganz Deutſchland das elender<lb/>
noch elender als das Gießer und Marburger Bier.</note> hin: ich aber aus Aer-<lb/>
ger uͤber den undankbaren Ordensbruder machte, daß<lb/>
ich fort kam. Ich fuͤhlte ſchon lange tiefe Verach-<lb/>
tung gegen alle dergleichen Inſtitute, und dieſe Ver-<lb/>
achtung gegen das Ganze heftete ſich jetzt auch an<lb/>
den einzelnen Bruder, oder vielmehr dieſer einzelne<lb/>
Bruder machte mir das ganze Inſtitut nur noch<lb/>
verhaßter.</p><lb/><p>Aber nun hatte ich einen Auftritt von beſſerer<lb/>
Art! Ich beſuchte die vortreflichen <hirendition="#g">Limbergerin</hi>-<lb/><hirendition="#g">nen</hi>, von denen ich ſchon oben <noteplace="foot"n="x)">Seite 82. in dieſem Theil.</note> geſchrieben habe,<lb/>
jedoch ohne ſie zu nennen. <hirendition="#g">Lehnchen</hi> war verheu-<lb/>
rathet, und recht gut verheurathet: ihr Mann war<lb/>
ein gar guter Mann, den ich innigſt lieb hatte, und<lb/>
dem ich ſeine liebe Frau herzlich goͤnnte. <hirendition="#g">Marian</hi>-<lb/><hirendition="#g">chen</hi> war noch ledig. Die guten Leutchen, welche<lb/>
ich bei dem jungen Manne aufſuchte, waren ſo froh,<lb/>
als ſie mich wieder ſahen, daß ſie mir ihre Freude<lb/>
nicht genug zu verſtehen geben konnten: ich wurde<lb/>
gedruͤckt und gekuͤßt, ob ich gleich einen Bart hatte,<lb/>
wie ein Jude, den ich aber noch ſelbigen Abend ra-<lb/>ſiren ließ. Die alte Mama war auch gar fideel mit<lb/></p></div></body></text></TEI>
[331[341]/0343]
Jena: er kannte mich kaum, ſtellte mir indeß doch
ein Glas Hersfelder Bier u) hin: ich aber aus Aer-
ger uͤber den undankbaren Ordensbruder machte, daß
ich fort kam. Ich fuͤhlte ſchon lange tiefe Verach-
tung gegen alle dergleichen Inſtitute, und dieſe Ver-
achtung gegen das Ganze heftete ſich jetzt auch an
den einzelnen Bruder, oder vielmehr dieſer einzelne
Bruder machte mir das ganze Inſtitut nur noch
verhaßter.
Aber nun hatte ich einen Auftritt von beſſerer
Art! Ich beſuchte die vortreflichen Limbergerin-
nen, von denen ich ſchon oben x) geſchrieben habe,
jedoch ohne ſie zu nennen. Lehnchen war verheu-
rathet, und recht gut verheurathet: ihr Mann war
ein gar guter Mann, den ich innigſt lieb hatte, und
dem ich ſeine liebe Frau herzlich goͤnnte. Marian-
chen war noch ledig. Die guten Leutchen, welche
ich bei dem jungen Manne aufſuchte, waren ſo froh,
als ſie mich wieder ſahen, daß ſie mir ihre Freude
nicht genug zu verſtehen geben konnten: ich wurde
gedruͤckt und gekuͤßt, ob ich gleich einen Bart hatte,
wie ein Jude, den ich aber noch ſelbigen Abend ra-
ſiren ließ. Die alte Mama war auch gar fideel mit
u) Unter allen Bieren in ganz Deutſchland das elender
noch elender als das Gießer und Marburger Bier.
x) Seite 82. in dieſem Theil.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 331[341]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/343>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.