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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792.

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Damals war der Landschreiber von Alzey, der
Geheime-Rath Koch, gefährlich krank, so, daß
man jeden Augenblick sein Ende erwartete. Ich hörte
das in der Krone zu Alzey, wohin ich einiger Ver-
richtungen wegen gegangen war. Eine ganze Stube
voll Leute saß da, von welchen der eine immer mehr,
als der andere die Bedrückungen und Ungerechtigkei-
ten aufführte, welche dieser Hr. v. Koch, oder wie
man ihn dort nannte, der große Mogul, verübt
hatte. Die fürchterlichsten Verwünschungen folgten
allemal auf die scheußlichsten Nachrichten. In sol-
chen Gelagen sollten sich die Fürsten dann und wann
inkognito einfinden: sie würden Dinge von ihren
Lieblingen und vermeinten getreuen Bedienern hören,
worüber sie erschrecken müßten. Der Kurfürst von
Pfalz-Baiern ist gewiß ein recht gutmüthiger Fürst --
so kenne ich ihn, und so kennt ihn jedermann -- und
doch wird kein Land mehr durch Ungerechtigkeit miß-
handelt, als eben sein Pfalz-Baiern. Es geht ihm
wie allen gutmüthigen Fürsten: sie glauben wunder,
wie gut es in ihrem Lande zugehe! wie glücklich ihre
Unterthanen seyen, indeß das Klagen und Lamenti-
ren beim geringern Stande kein Ende hat. --
Koch ist damals zur höchsten Betrübniß der Ein-
wohner im Oberamt doch nicht gestorben.



Damals war der Landſchreiber von Alzey, der
Geheime-Rath Koch, gefaͤhrlich krank, ſo, daß
man jeden Augenblick ſein Ende erwartete. Ich hoͤrte
das in der Krone zu Alzey, wohin ich einiger Ver-
richtungen wegen gegangen war. Eine ganze Stube
voll Leute ſaß da, von welchen der eine immer mehr,
als der andere die Bedruͤckungen und Ungerechtigkei-
ten auffuͤhrte, welche dieſer Hr. v. Koch, oder wie
man ihn dort nannte, der große Mogul, veruͤbt
hatte. Die fuͤrchterlichſten Verwuͤnſchungen folgten
allemal auf die ſcheußlichſten Nachrichten. In ſol-
chen Gelagen ſollten ſich die Fuͤrſten dann und wann
inkognito einfinden: ſie wuͤrden Dinge von ihren
Lieblingen und vermeinten getreuen Bedienern hoͤren,
woruͤber ſie erſchrecken muͤßten. Der Kurfuͤrſt von
Pfalz-Baiern iſt gewiß ein recht gutmuͤthiger Fuͤrſt —
ſo kenne ich ihn, und ſo kennt ihn jedermann — und
doch wird kein Land mehr durch Ungerechtigkeit miß-
handelt, als eben ſein Pfalz-Baiern. Es geht ihm
wie allen gutmuͤthigen Fuͤrſten: ſie glauben wunder,
wie gut es in ihrem Lande zugehe! wie gluͤcklich ihre
Unterthanen ſeyen, indeß das Klagen und Lamenti-
ren beim geringern Stande kein Ende hat. —
Koch iſt damals zur hoͤchſten Betruͤbniß der Ein-
wohner im Oberamt doch nicht geſtorben.



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[336[346]/0348] Damals war der Landſchreiber von Alzey, der Geheime-Rath Koch, gefaͤhrlich krank, ſo, daß man jeden Augenblick ſein Ende erwartete. Ich hoͤrte das in der Krone zu Alzey, wohin ich einiger Ver- richtungen wegen gegangen war. Eine ganze Stube voll Leute ſaß da, von welchen der eine immer mehr, als der andere die Bedruͤckungen und Ungerechtigkei- ten auffuͤhrte, welche dieſer Hr. v. Koch, oder wie man ihn dort nannte, der große Mogul, veruͤbt hatte. Die fuͤrchterlichſten Verwuͤnſchungen folgten allemal auf die ſcheußlichſten Nachrichten. In ſol- chen Gelagen ſollten ſich die Fuͤrſten dann und wann inkognito einfinden: ſie wuͤrden Dinge von ihren Lieblingen und vermeinten getreuen Bedienern hoͤren, woruͤber ſie erſchrecken muͤßten. Der Kurfuͤrſt von Pfalz-Baiern iſt gewiß ein recht gutmuͤthiger Fuͤrſt — ſo kenne ich ihn, und ſo kennt ihn jedermann — und doch wird kein Land mehr durch Ungerechtigkeit miß- handelt, als eben ſein Pfalz-Baiern. Es geht ihm wie allen gutmuͤthigen Fuͤrſten: ſie glauben wunder, wie gut es in ihrem Lande zugehe! wie gluͤcklich ihre Unterthanen ſeyen, indeß das Klagen und Lamenti- ren beim geringern Stande kein Ende hat. — Koch iſt damals zur hoͤchſten Betruͤbniß der Ein- wohner im Oberamt doch nicht geſtorben.

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 336[346]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/348>, abgerufen am 22.11.2024.