der scharfen Aufsicht, die ganze Nacht auf den Gas- sen, theils einzeln, theils haufenweise herum, und sehen zu, wer ihnen für den Genuß schmutziges Ver- gnügens einige Groschen zollen will. Ich bin einige- mal Augenzeuge von Auftritten gewesen, worüber ich erröthete. -- Die Gesellschaftsmamsellen, welche ganz einzeln für sich wohnen, und dann und wann für Geld und gute Worte sich von schmucken jungen Leuten besuchen lassen, habe ich nicht kennen gelernt. Aber nun mags von der Schwelgerei des Herzens genug seyn: jetzt zur Schwelgerei des Kopfs!
Die Königliche Bibliothek wurde eben damals in Ordnung gebracht. Einer meiner Bekannten, Herr Julius Erduin Koch, Wolfs Schüler, und Verfasser einiger hübscher Werkchen, half bei diesem Geschäfte. Die Bibliothek hat einen großen Vor- rath recht guter, auch mit unter rarer Bücher und Handschriften; aber an einen Katalogus hatte man bis jetzt noch nicht gedacht. Dies hatte die Folge, daß viele Bücher, welche allerdings da waren, ver- gebens gesucht wurden, und daß man endlich ein und eben dasselbe Werk doppelt, dreifach, ja oft mehrfach ankaufte. Wer konnte nun auch wissen, ob das ge- suchte Werk da war oder nicht! Diese artige Einrich- tung machte den Herren Bibliothekaren freilich nicht viel Ehre: ihr Büchersaal glich dadurch einem Kör- per ohne Seele. --
der ſcharfen Aufſicht, die ganze Nacht auf den Gaſ- ſen, theils einzeln, theils haufenweiſe herum, und ſehen zu, wer ihnen fuͤr den Genuß ſchmutziges Ver- gnuͤgens einige Groſchen zollen will. Ich bin einige- mal Augenzeuge von Auftritten geweſen, woruͤber ich erroͤthete. — Die Geſellſchaftsmamſellen, welche ganz einzeln fuͤr ſich wohnen, und dann und wann fuͤr Geld und gute Worte ſich von ſchmucken jungen Leuten beſuchen laſſen, habe ich nicht kennen gelernt. Aber nun mags von der Schwelgerei des Herzens genug ſeyn: jetzt zur Schwelgerei des Kopfs!
Die Koͤnigliche Bibliothek wurde eben damals in Ordnung gebracht. Einer meiner Bekannten, Herr Julius Erduin Koch, Wolfs Schuͤler, und Verfaſſer einiger huͤbſcher Werkchen, half bei dieſem Geſchaͤfte. Die Bibliothek hat einen großen Vor- rath recht guter, auch mit unter rarer Buͤcher und Handſchriften; aber an einen Katalogus hatte man bis jetzt noch nicht gedacht. Dies hatte die Folge, daß viele Buͤcher, welche allerdings da waren, ver- gebens geſucht wurden, und daß man endlich ein und eben daſſelbe Werk doppelt, dreifach, ja oft mehrfach ankaufte. Wer konnte nun auch wiſſen, ob das ge- ſuchte Werk da war oder nicht! Dieſe artige Einrich- tung machte den Herren Bibliothekaren freilich nicht viel Ehre: ihr Buͤcherſaal glich dadurch einem Koͤr- per ohne Seele. —
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der ſcharfen Aufſicht, die ganze Nacht auf den Gaſ-
ſen, theils einzeln, theils haufenweiſe herum, und
ſehen zu, wer ihnen fuͤr den Genuß ſchmutziges Ver-
gnuͤgens einige Groſchen zollen will. Ich bin einige-
mal Augenzeuge von Auftritten geweſen, woruͤber
ich erroͤthete. — Die Geſellſchaftsmamſellen, welche
ganz einzeln fuͤr ſich wohnen, und dann und wann
fuͤr Geld und gute Worte ſich von ſchmucken jungen
Leuten beſuchen laſſen, habe ich nicht kennen gelernt.
Aber nun mags von der Schwelgerei des Herzens
genug ſeyn: jetzt zur Schwelgerei des Kopfs!
Die Koͤnigliche Bibliothek wurde eben damals
in Ordnung gebracht. Einer meiner Bekannten,
Herr Julius Erduin Koch, Wolfs Schuͤler, und
Verfaſſer einiger huͤbſcher Werkchen, half bei dieſem
Geſchaͤfte. Die Bibliothek hat einen großen Vor-
rath recht guter, auch mit unter rarer Buͤcher und
Handſchriften; aber an einen Katalogus hatte man
bis jetzt noch nicht gedacht. Dies hatte die Folge,
daß viele Buͤcher, welche allerdings da waren, ver-
gebens geſucht wurden, und daß man endlich ein und
eben daſſelbe Werk doppelt, dreifach, ja oft mehrfach
ankaufte. Wer konnte nun auch wiſſen, ob das ge-
ſuchte Werk da war oder nicht! Dieſe artige Einrich-
tung machte den Herren Bibliothekaren freilich nicht
viel Ehre: ihr Buͤcherſaal glich dadurch einem Koͤr-
per ohne Seele. —
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 424[426]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/428>, abgerufen am 21.11.2024.
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