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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792.

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ben vielleicht eben so viel dazu beitragen, als der
despotische Druck ihrer Gutsherren.

Schöne Mädchen in Schlesien habe ich wohl
bei Vornehmern einige gesehen; unter den Gemei-
nen aber nicht eine einzige. Bei Crossen indeß in
Alt-Rehfeld sah ich ein gemeines Crossisches Mäd-
chen, Regine Schmidin genannt, welche da so
allerlei zum Verkauf herumtrug. Diese würde, als
Dame gekleidet, für eine vollkommne Schönheit pas-
siren können. Mein Tagebuch enthält über sie noch
allerhand.

In Kleinigkeiten sind die Schlesier erfinde-
risch. So sah ich in Sprottau eine Wiege, wel-
che vom Wasser, durch ein angebrachtes Trieb-
werk, in Bewegung erhalten wurde. Ich habe
noch mehr Raritäten von der Art bemerkt, die
aber keinesweges Beweise für die Kultur eines Lan-
des sind.

In Merzdorf, einem Dorfe über Hirsch-
berg, nahe an der Böhmischen Gränze, war unsere
lezte Cantonnirung. Hier besuchte mich der Candi-
dat Walter, der Hirschberger. Er war der ein-
zige Sohn einer reichen Kaufmannswittwe, hatte in
Halle studiert, ziemlich gut gelernt, auch meinen Un-
terricht benuzt. Allein, leider, müssen ihn innere
Leiden gequält haben, welche zu lindern der äußere
Wohlstand nicht zuließ: denn im vorigen Jahre hat

ben vielleicht eben ſo viel dazu beitragen, als der
deſpotiſche Druck ihrer Gutsherren.

Schoͤne Maͤdchen in Schleſien habe ich wohl
bei Vornehmern einige geſehen; unter den Gemei-
nen aber nicht eine einzige. Bei Croſſen indeß in
Alt-Rehfeld ſah ich ein gemeines Croſſiſches Maͤd-
chen, Regine Schmidin genannt, welche da ſo
allerlei zum Verkauf herumtrug. Dieſe wuͤrde, als
Dame gekleidet, fuͤr eine vollkommne Schoͤnheit paſ-
ſiren koͤnnen. Mein Tagebuch enthaͤlt uͤber ſie noch
allerhand.

In Kleinigkeiten ſind die Schleſier erfinde-
riſch. So ſah ich in Sprottau eine Wiege, wel-
che vom Waſſer, durch ein angebrachtes Trieb-
werk, in Bewegung erhalten wurde. Ich habe
noch mehr Raritaͤten von der Art bemerkt, die
aber keinesweges Beweiſe fuͤr die Kultur eines Lan-
des ſind.

In Merzdorf, einem Dorfe uͤber Hirſch-
berg, nahe an der Boͤhmiſchen Graͤnze, war unſere
lezte Cantonnirung. Hier beſuchte mich der Candi-
dat Walter, der Hirſchberger. Er war der ein-
zige Sohn einer reichen Kaufmannswittwe, hatte in
Halle ſtudiert, ziemlich gut gelernt, auch meinen Un-
terricht benuzt. Allein, leider, muͤſſen ihn innere
Leiden gequaͤlt haben, welche zu lindern der aͤußere
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[441[443]/0445] ben vielleicht eben ſo viel dazu beitragen, als der deſpotiſche Druck ihrer Gutsherren. Schoͤne Maͤdchen in Schleſien habe ich wohl bei Vornehmern einige geſehen; unter den Gemei- nen aber nicht eine einzige. Bei Croſſen indeß in Alt-Rehfeld ſah ich ein gemeines Croſſiſches Maͤd- chen, Regine Schmidin genannt, welche da ſo allerlei zum Verkauf herumtrug. Dieſe wuͤrde, als Dame gekleidet, fuͤr eine vollkommne Schoͤnheit paſ- ſiren koͤnnen. Mein Tagebuch enthaͤlt uͤber ſie noch allerhand. In Kleinigkeiten ſind die Schleſier erfinde- riſch. So ſah ich in Sprottau eine Wiege, wel- che vom Waſſer, durch ein angebrachtes Trieb- werk, in Bewegung erhalten wurde. Ich habe noch mehr Raritaͤten von der Art bemerkt, die aber keinesweges Beweiſe fuͤr die Kultur eines Lan- des ſind. In Merzdorf, einem Dorfe uͤber Hirſch- berg, nahe an der Boͤhmiſchen Graͤnze, war unſere lezte Cantonnirung. Hier beſuchte mich der Candi- dat Walter, der Hirſchberger. Er war der ein- zige Sohn einer reichen Kaufmannswittwe, hatte in Halle ſtudiert, ziemlich gut gelernt, auch meinen Un- terricht benuzt. Allein, leider, muͤſſen ihn innere Leiden gequaͤlt haben, welche zu lindern der aͤußere Wohlſtand nicht zuließ: denn im vorigen Jahre hat

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 441[443]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/445>, abgerufen am 21.11.2024.