Unser Weg ging über Treuenbriezen und Witten- berg. Ich hätte schon früher eine Beschreibung von dieser ächtlutherischen Universität anbringen sollen, da ich sie schon im Jahr 1782 besucht habe. Ich hab's aber damals vergessen, und will hier nur noch Eini- ges nachholen, um doch diese theure Akademie nicht ganz zu übergehen.
Die Theologen in Wittenberg waren 1782 steif orthodox: selbst Herr Schröeckh, einer der größten Historiker unsrer Zeit, hängt noch stark am alten System, wie seine Schriften, besonders seine Lebensbeschreibungen berühmter Gelehrten auswei- sen, wo er die Fehler und die Bubenstücke ortho- doxer Leute, eines Pfeffingers, Flacius I[ - 1 Zeichen fehlt]- lyricus und andrer hübsch mit dem Mäntelchen der christlichen Liebe zudeckt. Christus wußte vom Mäntelchen der christlichen Liebe nichts, wenn er über die Pharisäer und Schriftgelehrten herfuhr: und gerade diese Leute sind es, die es am wenigsten verdienen, wenn sie es gleich am anmaßlichsten fodern. Herr Reinhard ist jetzt zwar ein heller Kopf, aber leider, er darf nicht reden.
Die Philosophen dieser Universität kenne ich gar nicht: weiß auch nicht einmal, obs da Philosophen giebt! Den vortrefflichen Ze[ - 2 Zeichen fehlen]e habe ich gekannt: Schade, daß der große Mann todt ist!
Unſer Weg ging uͤber Treuenbriezen und Witten- berg. Ich haͤtte ſchon fruͤher eine Beſchreibung von dieſer aͤchtlutheriſchen Univerſitaͤt anbringen ſollen, da ich ſie ſchon im Jahr 1782 beſucht habe. Ich hab's aber damals vergeſſen, und will hier nur noch Eini- ges nachholen, um doch dieſe theure Akademie nicht ganz zu uͤbergehen.
Die Theologen in Wittenberg waren 1782 ſteif orthodox: ſelbſt Herr Schroͤeckh, einer der groͤßten Hiſtoriker unſrer Zeit, haͤngt noch ſtark am alten Syſtem, wie ſeine Schriften, beſonders ſeine Lebensbeſchreibungen beruͤhmter Gelehrten auswei- ſen, wo er die Fehler und die Bubenſtuͤcke ortho- doxer Leute, eines Pfeffingers, Flacius I[ – 1 Zeichen fehlt]- lyricus und andrer huͤbſch mit dem Maͤntelchen der chriſtlichen Liebe zudeckt. Chriſtus wußte vom Maͤntelchen der chriſtlichen Liebe nichts, wenn er uͤber die Phariſaͤer und Schriftgelehrten herfuhr: und gerade dieſe Leute ſind es, die es am wenigſten verdienen, wenn ſie es gleich am anmaßlichſten fodern. Herr Reinhard iſt jetzt zwar ein heller Kopf, aber leider, er darf nicht reden.
Die Philoſophen dieſer Univerſitaͤt kenne ich gar nicht: weiß auch nicht einmal, obs da Philoſophen giebt! Den vortrefflichen Ze[ – 2 Zeichen fehlen]e habe ich gekannt: Schade, daß der große Mann todt iſt!
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0469"n="465[467]"/><p>Unſer Weg ging uͤber Treuenbriezen und Witten-<lb/>
berg. Ich haͤtte ſchon fruͤher eine Beſchreibung von<lb/>
dieſer aͤchtlutheriſchen Univerſitaͤt anbringen ſollen, da<lb/>
ich ſie ſchon im Jahr 1782 beſucht habe. Ich hab's<lb/>
aber damals vergeſſen, und will hier nur noch Eini-<lb/>
ges nachholen, um doch dieſe theure Akademie nicht<lb/>
ganz zu uͤbergehen.</p><lb/><p>Die Theologen in Wittenberg waren 1782<lb/>ſteif orthodox: ſelbſt Herr <hirendition="#g">Schroͤeckh</hi>, einer der<lb/>
groͤßten Hiſtoriker unſrer Zeit, haͤngt noch ſtark am<lb/>
alten Syſtem, wie ſeine Schriften, beſonders ſeine<lb/>
Lebensbeſchreibungen beruͤhmter Gelehrten auswei-<lb/>ſen, wo er die Fehler und die Bubenſtuͤcke ortho-<lb/>
doxer Leute, eines <hirendition="#g">Pfeffingers</hi>, <hirendition="#g">Flacius I<gapunit="chars"quantity="1"/></hi>-<lb/><hirendition="#g">lyricus</hi> und andrer huͤbſch mit dem Maͤntelchen<lb/>
der chriſtlichen Liebe zudeckt. <hirendition="#g">Chriſtus</hi> wußte vom<lb/>
Maͤntelchen der chriſtlichen Liebe nichts, wenn er<lb/>
uͤber die <hirendition="#g">Phariſaͤer</hi> und <hirendition="#g">Schriftgelehrten</hi><lb/>
herfuhr: und gerade dieſe Leute ſind es, die es<lb/>
am wenigſten verdienen, wenn ſie es gleich am<lb/>
anmaßlichſten fodern. Herr <hirendition="#g">Reinhard</hi> iſt jetzt<lb/>
zwar ein heller Kopf, aber leider, er darf nicht<lb/>
reden.</p><lb/><p>Die Philoſophen dieſer Univerſitaͤt kenne ich<lb/>
gar nicht: weiß auch nicht einmal, obs da Philoſophen<lb/>
giebt! Den vortrefflichen Ze<gapunit="chars"quantity="2"/>e habe ich gekannt:<lb/>
Schade, daß der große Mann todt iſt!</p><lb/></div></body></text></TEI>
[465[467]/0469]
Unſer Weg ging uͤber Treuenbriezen und Witten-
berg. Ich haͤtte ſchon fruͤher eine Beſchreibung von
dieſer aͤchtlutheriſchen Univerſitaͤt anbringen ſollen, da
ich ſie ſchon im Jahr 1782 beſucht habe. Ich hab's
aber damals vergeſſen, und will hier nur noch Eini-
ges nachholen, um doch dieſe theure Akademie nicht
ganz zu uͤbergehen.
Die Theologen in Wittenberg waren 1782
ſteif orthodox: ſelbſt Herr Schroͤeckh, einer der
groͤßten Hiſtoriker unſrer Zeit, haͤngt noch ſtark am
alten Syſtem, wie ſeine Schriften, beſonders ſeine
Lebensbeſchreibungen beruͤhmter Gelehrten auswei-
ſen, wo er die Fehler und die Bubenſtuͤcke ortho-
doxer Leute, eines Pfeffingers, Flacius I_-
lyricus und andrer huͤbſch mit dem Maͤntelchen
der chriſtlichen Liebe zudeckt. Chriſtus wußte vom
Maͤntelchen der chriſtlichen Liebe nichts, wenn er
uͤber die Phariſaͤer und Schriftgelehrten
herfuhr: und gerade dieſe Leute ſind es, die es
am wenigſten verdienen, wenn ſie es gleich am
anmaßlichſten fodern. Herr Reinhard iſt jetzt
zwar ein heller Kopf, aber leider, er darf nicht
reden.
Die Philoſophen dieſer Univerſitaͤt kenne ich
gar nicht: weiß auch nicht einmal, obs da Philoſophen
giebt! Den vortrefflichen Ze__e habe ich gekannt:
Schade, daß der große Mann todt iſt!
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 465[467]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/469>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.