Neue Lebensart in Halle. Lectüre. Dogmatik. Ueber Ge- wissensbisse wider Rousseau. Folgen meiner Besserung. Semlers Tod.
Ich mußte nun in Halle freilich meine Stunden wieder anfangen, und diejenigen Scholaren, wel- che von meinen vorigen noch da waren, nahmen meinen Unterricht auch gleich wieder an. Das wa- ren die Herren Kaumann, Müller, Segnitz, Wiedt, Wasserführer, Jossow und Herr von Wülknitz. Zu diesen erhielt ich bald noch mehrere. Ich kann mich rühmen, daß ich jetzt in meinem Stundengeben weit regelmäßiger gewesen bin, als sonst. Allein ich war ja auch in meinem Betragen, in meiner Aufführung selbst viel regel- mäßiger und ordentlicher geworden. Der Trunk, meine bisherige häßliche Leidenschaft, hatte bei mir um ein merkliches abgenommen. Die freundschaft- lichen Winke und die Unterredungen des Herrn Bis- pinks hatten meine moralische Empfänglichkeit ge- weckt, und mich zu mehr Reflexion über mich und die Folgen meiner Handlungen angeschärft. Hierzu kam der Feldzug, der auch nicht wenig zu meiner wirklichen moralischen Besserung beitrug. Ich lernte
Neun und dreißigſtes Kapitel.
Neue Lebensart in Halle. Lectuͤre. Dogmatik. Ueber Ge- wiſſensbiſſe wider Rouſſeau. Folgen meiner Beſſerung. Semlers Tod.
Ich mußte nun in Halle freilich meine Stunden wieder anfangen, und diejenigen Scholaren, wel- che von meinen vorigen noch da waren, nahmen meinen Unterricht auch gleich wieder an. Das wa- ren die Herren Kaumann, Muͤller, Segnitz, Wiedt, Waſſerfuͤhrer, Joſſow und Herr von Wuͤlknitz. Zu dieſen erhielt ich bald noch mehrere. Ich kann mich ruͤhmen, daß ich jetzt in meinem Stundengeben weit regelmaͤßiger geweſen bin, als ſonſt. Allein ich war ja auch in meinem Betragen, in meiner Auffuͤhrung ſelbſt viel regel- maͤßiger und ordentlicher geworden. Der Trunk, meine bisherige haͤßliche Leidenſchaft, hatte bei mir um ein merkliches abgenommen. Die freundſchaft- lichen Winke und die Unterredungen des Herrn Bis- pinks hatten meine moraliſche Empfaͤnglichkeit ge- weckt, und mich zu mehr Reflexion uͤber mich und die Folgen meiner Handlungen angeſchaͤrft. Hierzu kam der Feldzug, der auch nicht wenig zu meiner wirklichen moraliſchen Beſſerung beitrug. Ich lernte
<TEI><text><body><pbfacs="#f0471"n="467[469]"/><divn="1"><head>Neun und dreißigſtes Kapitel.</head><lb/><p>Neue Lebensart in Halle. Lectuͤre. Dogmatik. Ueber Ge-<lb/>
wiſſensbiſſe wider Rouſſeau. Folgen meiner Beſſerung.<lb/>
Semlers Tod.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p><hirendition="#in">I</hi>ch mußte nun in Halle freilich meine Stunden<lb/>
wieder anfangen, und diejenigen Scholaren, wel-<lb/>
che von meinen vorigen noch da waren, nahmen<lb/>
meinen Unterricht auch gleich wieder an. Das wa-<lb/>
ren die Herren <hirendition="#g">Kaumann</hi>, <hirendition="#g">Muͤller</hi>, <hirendition="#g">Segnitz</hi>,<lb/><hirendition="#g">Wiedt</hi>, <hirendition="#g">Waſſerfuͤhrer</hi>, <hirendition="#g">Joſſow</hi> und Herr<lb/>
von <hirendition="#g">Wuͤlknitz</hi>. Zu dieſen erhielt ich bald noch<lb/>
mehrere. Ich kann mich ruͤhmen, daß ich jetzt in<lb/>
meinem Stundengeben weit regelmaͤßiger geweſen<lb/>
bin, als ſonſt. Allein ich war ja auch in meinem<lb/>
Betragen, in meiner Auffuͤhrung ſelbſt viel regel-<lb/>
maͤßiger und ordentlicher geworden. Der Trunk,<lb/>
meine bisherige haͤßliche Leidenſchaft, hatte bei mir<lb/>
um ein merkliches abgenommen. Die freundſchaft-<lb/>
lichen Winke und die Unterredungen des Herrn <hirendition="#g">Bis</hi>-<lb/><hirendition="#g">pinks</hi> hatten meine moraliſche Empfaͤnglichkeit ge-<lb/>
weckt, und mich zu mehr Reflexion uͤber mich und<lb/>
die Folgen meiner Handlungen angeſchaͤrft. Hierzu<lb/>
kam der Feldzug, der auch nicht wenig zu meiner<lb/>
wirklichen moraliſchen Beſſerung beitrug. Ich lernte<lb/></p></div></body></text></TEI>
[467[469]/0471]
Neun und dreißigſtes Kapitel.
Neue Lebensart in Halle. Lectuͤre. Dogmatik. Ueber Ge-
wiſſensbiſſe wider Rouſſeau. Folgen meiner Beſſerung.
Semlers Tod.
Ich mußte nun in Halle freilich meine Stunden
wieder anfangen, und diejenigen Scholaren, wel-
che von meinen vorigen noch da waren, nahmen
meinen Unterricht auch gleich wieder an. Das wa-
ren die Herren Kaumann, Muͤller, Segnitz,
Wiedt, Waſſerfuͤhrer, Joſſow und Herr
von Wuͤlknitz. Zu dieſen erhielt ich bald noch
mehrere. Ich kann mich ruͤhmen, daß ich jetzt in
meinem Stundengeben weit regelmaͤßiger geweſen
bin, als ſonſt. Allein ich war ja auch in meinem
Betragen, in meiner Auffuͤhrung ſelbſt viel regel-
maͤßiger und ordentlicher geworden. Der Trunk,
meine bisherige haͤßliche Leidenſchaft, hatte bei mir
um ein merkliches abgenommen. Die freundſchaft-
lichen Winke und die Unterredungen des Herrn Bis-
pinks hatten meine moraliſche Empfaͤnglichkeit ge-
weckt, und mich zu mehr Reflexion uͤber mich und
die Folgen meiner Handlungen angeſchaͤrft. Hierzu
kam der Feldzug, der auch nicht wenig zu meiner
wirklichen moraliſchen Beſſerung beitrug. Ich lernte
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 467[469]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/471>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.