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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792.

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sie auch wohl so lange behalten, als ich sie für wahr
halte, und das werde ich, wie mich dünkt, bis an
mein Ende thun. Und da man immer von aller po-
sitiven Religion, Offenbarung und System nichts
halten, und doch die Dogmatik vortragen kann, so
übernahm ich es diesen Winter, die Dogmatik mit
einigen Studenten zu repetiren, und dies nach dem
Compendium des Herrn D. Döderleins. Ich
schlug hier folgenden Weg ein. Ich erzählte kurz die
Entstehung der Meinung von Offenbarungen über-
haupt, und der altjüdischen und der nicht weit davon
abgehenden christlichen im besondern. Dann zeigte
ich aus der Geschichte, wie die in Bücher verfaßte
Offenbarung nach und nach entscheidendes Ansehn er-
halten, und wie man das neue Testament insonder-
heit zum Grund aller Christen-Religion gemacht
habe. Hierauf schritt ich zur Lehre der heutigen
Theologen von der Bibel, und fing an, die Artikel
der Reihe nach so durchzugehen und zu erklären,
wie es einige Theologen der lutherischen Kirche, z. B.
Herr Döderlein, Nösselt und andere zu thun
pflegen. Mir blieb immer mein freies Urtheil un-
befangen, und meine Scholaren lernten das, was
die Theologen lehren, historisch-dogmatisch: und das
war ja der Hauptzweck unsrer Lektionen. Ob die
Sachen an und für sich wahr waren, oder nicht, das

Zweiter Theil. Hh

ſie auch wohl ſo lange behalten, als ich ſie fuͤr wahr
halte, und das werde ich, wie mich duͤnkt, bis an
mein Ende thun. Und da man immer von aller po-
ſitiven Religion, Offenbarung und Syſtem nichts
halten, und doch die Dogmatik vortragen kann, ſo
uͤbernahm ich es dieſen Winter, die Dogmatik mit
einigen Studenten zu repetiren, und dies nach dem
Compendium des Herrn D. Doͤderleins. Ich
ſchlug hier folgenden Weg ein. Ich erzaͤhlte kurz die
Entſtehung der Meinung von Offenbarungen uͤber-
haupt, und der altjuͤdiſchen und der nicht weit davon
abgehenden chriſtlichen im beſondern. Dann zeigte
ich aus der Geſchichte, wie die in Buͤcher verfaßte
Offenbarung nach und nach entſcheidendes Anſehn er-
halten, und wie man das neue Teſtament inſonder-
heit zum Grund aller Chriſten-Religion gemacht
habe. Hierauf ſchritt ich zur Lehre der heutigen
Theologen von der Bibel, und fing an, die Artikel
der Reihe nach ſo durchzugehen und zu erklaͤren,
wie es einige Theologen der lutheriſchen Kirche, z. B.
Herr Doͤderlein, Noͤſſelt und andere zu thun
pflegen. Mir blieb immer mein freies Urtheil un-
befangen, und meine Scholaren lernten das, was
die Theologen lehren, hiſtoriſch-dogmatiſch: und das
war ja der Hauptzweck unſrer Lektionen. Ob die
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[471[473]/0475] ſie auch wohl ſo lange behalten, als ich ſie fuͤr wahr halte, und das werde ich, wie mich duͤnkt, bis an mein Ende thun. Und da man immer von aller po- ſitiven Religion, Offenbarung und Syſtem nichts halten, und doch die Dogmatik vortragen kann, ſo uͤbernahm ich es dieſen Winter, die Dogmatik mit einigen Studenten zu repetiren, und dies nach dem Compendium des Herrn D. Doͤderleins. Ich ſchlug hier folgenden Weg ein. Ich erzaͤhlte kurz die Entſtehung der Meinung von Offenbarungen uͤber- haupt, und der altjuͤdiſchen und der nicht weit davon abgehenden chriſtlichen im beſondern. Dann zeigte ich aus der Geſchichte, wie die in Buͤcher verfaßte Offenbarung nach und nach entſcheidendes Anſehn er- halten, und wie man das neue Teſtament inſonder- heit zum Grund aller Chriſten-Religion gemacht habe. Hierauf ſchritt ich zur Lehre der heutigen Theologen von der Bibel, und fing an, die Artikel der Reihe nach ſo durchzugehen und zu erklaͤren, wie es einige Theologen der lutheriſchen Kirche, z. B. Herr Doͤderlein, Noͤſſelt und andere zu thun pflegen. Mir blieb immer mein freies Urtheil un- befangen, und meine Scholaren lernten das, was die Theologen lehren, hiſtoriſch-dogmatiſch: und das war ja der Hauptzweck unſrer Lektionen. Ob die Sachen an und fuͤr ſich wahr waren, oder nicht, das Zweiter Theil. Hh

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 471[473]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/475>, abgerufen am 21.11.2024.