Causalität trat bei mir als geltend wieder ein: meine praktische Vernunft hörte dessen Vorschriften an, und mein Wille ward geneigter, sie zu befolgen.
Der Ausspruch des großen Rousseau: "Stre- be nicht nach Besserung, verdorbener Mensch, du machst dir Gewissensbisse!" traf allerdings auch mich. Ich erblickte immer mehr Scheußlichkeit an meiner vorigen Lebensart, und es entstanden bittere Gewissensbisse, gegen welche aller Glaube an Christi Verdienst und Gerechtigkeit nichts hilft. Ich habe zwar diesen Glauben niemals dawider angewandt; desto mehr aber mich bestrebt, auf dem nun ein- mal eingeschlagenen bessern Wege weiter zu gehen, und die angewöhnten Laster, besonders das des Leicht- sinns, und der Versoffenheit zu meiden. Schwer hat das im Anfange freilich gehalten, und nicht sel- ten fiel ich dennoch so, daß ich manchmal mit einem Rausch zu Herrn Bispink, und einmal zum Herrn Professor Eberhard gekommen bin. Herr Bispink that in solchem Falle, als merkte er nichts, und gab mir erst späterhin einen freundschaftlichen Verweis. Auch hatte er die Vorsicht, mich zuwei- len in meinem Quartier zu überraschen, und sich nach dem Fortgang meiner Beschäftigung zu erkundigen. Ich liebte und schätzte ihn, und war ihm Dank schul- dig. Um ihm dies in der That zu bezeugen, war ich um so strenger auf meiner Huth, und habe schon
Cauſalitaͤt trat bei mir als geltend wieder ein: meine praktiſche Vernunft hoͤrte deſſen Vorſchriften an, und mein Wille ward geneigter, ſie zu befolgen.
Der Ausſpruch des großen Rouſſeau: „Stre- be nicht nach Beſſerung, verdorbener Menſch, du machſt dir Gewiſſensbiſſe!“ traf allerdings auch mich. Ich erblickte immer mehr Scheußlichkeit an meiner vorigen Lebensart, und es entſtanden bittere Gewiſſensbiſſe, gegen welche aller Glaube an Chriſti Verdienſt und Gerechtigkeit nichts hilft. Ich habe zwar dieſen Glauben niemals dawider angewandt; deſto mehr aber mich beſtrebt, auf dem nun ein- mal eingeſchlagenen beſſern Wege weiter zu gehen, und die angewoͤhnten Laſter, beſonders das des Leicht- ſinns, und der Verſoffenheit zu meiden. Schwer hat das im Anfange freilich gehalten, und nicht ſel- ten fiel ich dennoch ſo, daß ich manchmal mit einem Rauſch zu Herrn Bispink, und einmal zum Herrn Profeſſor Eberhard gekommen bin. Herr Bispink that in ſolchem Falle, als merkte er nichts, und gab mir erſt ſpaͤterhin einen freundſchaftlichen Verweis. Auch hatte er die Vorſicht, mich zuwei- len in meinem Quartier zu uͤberraſchen, und ſich nach dem Fortgang meiner Beſchaͤftigung zu erkundigen. Ich liebte und ſchaͤtzte ihn, und war ihm Dank ſchul- dig. Um ihm dies in der That zu bezeugen, war ich um ſo ſtrenger auf meiner Huth, und habe ſchon
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Cauſalitaͤt trat bei mir als geltend wieder ein: meine
praktiſche Vernunft hoͤrte deſſen Vorſchriften an, und
mein Wille ward geneigter, ſie zu befolgen.
Der Ausſpruch des großen Rouſſeau: „Stre-
be nicht nach Beſſerung, verdorbener Menſch, du
machſt dir Gewiſſensbiſſe!“ traf allerdings auch
mich. Ich erblickte immer mehr Scheußlichkeit an
meiner vorigen Lebensart, und es entſtanden bittere
Gewiſſensbiſſe, gegen welche aller Glaube an Chriſti
Verdienſt und Gerechtigkeit nichts hilft. Ich habe
zwar dieſen Glauben niemals dawider angewandt;
deſto mehr aber mich beſtrebt, auf dem nun ein-
mal eingeſchlagenen beſſern Wege weiter zu gehen,
und die angewoͤhnten Laſter, beſonders das des Leicht-
ſinns, und der Verſoffenheit zu meiden. Schwer
hat das im Anfange freilich gehalten, und nicht ſel-
ten fiel ich dennoch ſo, daß ich manchmal mit einem
Rauſch zu Herrn Bispink, und einmal zum
Herrn Profeſſor Eberhard gekommen bin. Herr
Bispink that in ſolchem Falle, als merkte er nichts,
und gab mir erſt ſpaͤterhin einen freundſchaftlichen
Verweis. Auch hatte er die Vorſicht, mich zuwei-
len in meinem Quartier zu uͤberraſchen, und ſich nach
dem Fortgang meiner Beſchaͤftigung zu erkundigen.
Ich liebte und ſchaͤtzte ihn, und war ihm Dank ſchul-
dig. Um ihm dies in der That zu bezeugen, war ich
um ſo ſtrenger auf meiner Huth, und habe ſchon
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 474[476]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/478>, abgerufen am 21.11.2024.
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