Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

Kinder, der Band, welcher die deutsche Geschichte
begreift; Gellerts Werke und andere, die sich für
diese Klasse von Leuten schick[ - 1 Zeichen fehlt]en. Ich habe ihnen
noch mehrere aufgesezt: sogar habe ich ihnen gera-
then, mit der Zeit freimüthige Bücher zu lesen, selbst
die neue Apologie des Sokrates, welche ich immer
für eins der Hauptbücher gehalten habe, wodurch
man zur Kenntniß der heiligen Lügen und Fratzen
gelangen kann. Ob aber dieses wirklich heilsame In-
stitut im Gange geblieben sey, kann ich nicht sagen.
Ist es geblieben; so müssen jezt jene Schulmeister in
ihren Kenntnissen viel weiter seyn, als manche von
ihren Herren Pfarrern.

Nun muß ich eine Frage beantworten, die
meine Leser berechtigt sind, an mich zu thun: Wie
es nämlich die Zeit über, mit meinem Studiren ge-
standen habe? -- Es ergiebt sich schon von selbst,
daß ich nicht so studirt habe, wie ich hätte sollen
und können. Meine Lebensart hinderte mich daran.
Aber ganz müßig bin ich nicht gewesen. Ich habe
immer manch gutes Buch gelesen, besonders Ge-
schichtbücher. Die allgemeine Weltgeschichte studirte
ich vorzüglich, auch Häberlins Geschichte des deut-
schen Reichs; nebenher übte ich mich fleißig in den
ältern und neuern Sprachen. Mein Vater rieth
mir immer, die Philosophie zu treiben, besonders
die Metaphysik; aber ich verabscheuete sie von jeher,

Kinder, der Band, welcher die deutſche Geſchichte
begreift; Gellerts Werke und andere, die ſich fuͤr
dieſe Klaſſe von Leuten ſchick[ – 1 Zeichen fehlt]en. Ich habe ihnen
noch mehrere aufgeſezt: ſogar habe ich ihnen gera-
then, mit der Zeit freimuͤthige Buͤcher zu leſen, ſelbſt
die neue Apologie des Sokrates, welche ich immer
fuͤr eins der Hauptbuͤcher gehalten habe, wodurch
man zur Kenntniß der heiligen Luͤgen und Fratzen
gelangen kann. Ob aber dieſes wirklich heilſame In-
ſtitut im Gange geblieben ſey, kann ich nicht ſagen.
Iſt es geblieben; ſo muͤſſen jezt jene Schulmeiſter in
ihren Kenntniſſen viel weiter ſeyn, als manche von
ihren Herren Pfarrern.

Nun muß ich eine Frage beantworten, die
meine Leſer berechtigt ſind, an mich zu thun: Wie
es naͤmlich die Zeit uͤber, mit meinem Studiren ge-
ſtanden habe? — Es ergiebt ſich ſchon von ſelbſt,
daß ich nicht ſo ſtudirt habe, wie ich haͤtte ſollen
und koͤnnen. Meine Lebensart hinderte mich daran.
Aber ganz muͤßig bin ich nicht geweſen. Ich habe
immer manch gutes Buch geleſen, beſonders Ge-
ſchichtbuͤcher. Die allgemeine Weltgeſchichte ſtudirte
ich vorzuͤglich, auch Haͤberlins Geſchichte des deut-
ſchen Reichs; nebenher uͤbte ich mich fleißig in den
aͤltern und neuern Sprachen. Mein Vater rieth
mir immer, die Philoſophie zu treiben, beſonders
die Metaphyſik; aber ich verabſcheuete ſie von jeher,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0074" n="72"/>
Kinder, der Band, welcher die deut&#x017F;che Ge&#x017F;chichte<lb/>
begreift; Gellerts Werke und andere, die &#x017F;ich fu&#x0364;r<lb/>
die&#x017F;e Kla&#x017F;&#x017F;e von Leuten &#x017F;chick<gap unit="chars" quantity="1"/>en. Ich habe ihnen<lb/>
noch mehrere aufge&#x017F;ezt: &#x017F;ogar habe ich ihnen gera-<lb/>
then, mit der Zeit freimu&#x0364;thige Bu&#x0364;cher zu le&#x017F;en, &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
die neue Apologie des Sokrates, welche ich immer<lb/>
fu&#x0364;r eins der Hauptbu&#x0364;cher gehalten habe, wodurch<lb/>
man zur Kenntniß der heiligen Lu&#x0364;gen und Fratzen<lb/>
gelangen kann. Ob aber die&#x017F;es wirklich heil&#x017F;ame In-<lb/>
&#x017F;titut im Gange geblieben &#x017F;ey, kann ich nicht &#x017F;agen.<lb/>
I&#x017F;t es geblieben; &#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en jezt jene Schulmei&#x017F;ter in<lb/>
ihren Kenntni&#x017F;&#x017F;en viel weiter &#x017F;eyn, als manche von<lb/>
ihren Herren Pfarrern.</p><lb/>
        <p>Nun muß ich eine Frage beantworten, die<lb/>
meine Le&#x017F;er berechtigt &#x017F;ind, an mich zu thun: Wie<lb/>
es na&#x0364;mlich die Zeit u&#x0364;ber, mit meinem Studiren ge-<lb/>
&#x017F;tanden habe? &#x2014; Es ergiebt &#x017F;ich &#x017F;chon von &#x017F;elb&#x017F;t,<lb/>
daß ich nicht &#x017F;o &#x017F;tudirt habe, wie ich ha&#x0364;tte &#x017F;ollen<lb/>
und ko&#x0364;nnen. Meine Lebensart hinderte mich daran.<lb/>
Aber ganz mu&#x0364;ßig bin ich nicht gewe&#x017F;en. Ich habe<lb/>
immer manch gutes Buch gele&#x017F;en, be&#x017F;onders Ge-<lb/>
&#x017F;chichtbu&#x0364;cher. Die allgemeine Weltge&#x017F;chichte &#x017F;tudirte<lb/>
ich vorzu&#x0364;glich, auch Ha&#x0364;berlins Ge&#x017F;chichte des deut-<lb/>
&#x017F;chen Reichs; nebenher u&#x0364;bte ich mich fleißig in den<lb/>
a&#x0364;ltern und neuern Sprachen. Mein Vater rieth<lb/>
mir immer, die Philo&#x017F;ophie zu treiben, be&#x017F;onders<lb/>
die Metaphy&#x017F;ik; aber ich verab&#x017F;cheuete &#x017F;ie von jeher,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[72/0074] Kinder, der Band, welcher die deutſche Geſchichte begreift; Gellerts Werke und andere, die ſich fuͤr dieſe Klaſſe von Leuten ſchick_en. Ich habe ihnen noch mehrere aufgeſezt: ſogar habe ich ihnen gera- then, mit der Zeit freimuͤthige Buͤcher zu leſen, ſelbſt die neue Apologie des Sokrates, welche ich immer fuͤr eins der Hauptbuͤcher gehalten habe, wodurch man zur Kenntniß der heiligen Luͤgen und Fratzen gelangen kann. Ob aber dieſes wirklich heilſame In- ſtitut im Gange geblieben ſey, kann ich nicht ſagen. Iſt es geblieben; ſo muͤſſen jezt jene Schulmeiſter in ihren Kenntniſſen viel weiter ſeyn, als manche von ihren Herren Pfarrern. Nun muß ich eine Frage beantworten, die meine Leſer berechtigt ſind, an mich zu thun: Wie es naͤmlich die Zeit uͤber, mit meinem Studiren ge- ſtanden habe? — Es ergiebt ſich ſchon von ſelbſt, daß ich nicht ſo ſtudirt habe, wie ich haͤtte ſollen und koͤnnen. Meine Lebensart hinderte mich daran. Aber ganz muͤßig bin ich nicht geweſen. Ich habe immer manch gutes Buch geleſen, beſonders Ge- ſchichtbuͤcher. Die allgemeine Weltgeſchichte ſtudirte ich vorzuͤglich, auch Haͤberlins Geſchichte des deut- ſchen Reichs; nebenher uͤbte ich mich fleißig in den aͤltern und neuern Sprachen. Mein Vater rieth mir immer, die Philoſophie zu treiben, beſonders die Metaphyſik; aber ich verabſcheuete ſie von jeher,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/74
Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/74>, abgerufen am 17.05.2024.