vor Augen legten. Die Geschichte, besonders die der Kirche und der Weltweisheit, zeigen allemal den sichersten Weg zur Einsicht und zur Aufklärung. Doch ich bin ja kein kompetenter Richter: ich rede vielleicht von Dingen, die ich nicht verstehe; aber meinen Glauben muß ich doch angeben: sonst würde ja mei- ne Biographie einen Hauptmangel haben.
Herr Köster, der Mediciner, und sein Bruder, Pfarrer zu Niedersaulheim, lagen mir täglich an, ein- gezogener zu leben, bis sie sahen, daß alles vergebens war. Da liessen diese Braven es gut seyn und be- müheten sich nicht weiter, an meiner Besserung zu ar- beiten, ausser bei Vorfällen, die merklich auffielen.
Meinem Vater konnten meine Possen nicht lan- ge unbekannt bleiben: wenigstens schrieb er mir, daß er selbst einsähe, daß es nicht gut seyn würde, wenn ich länger in jenen Gegenden bliebe, ob er gleich auch nicht gewiß darauf rechne, daß ich mich bessern werde, wenn ich anderswohin zöge; das alte Sprüchwort:
Es flog ein Gans wol' übers Meer und kam ein Gakkak wieder her -
oder das Senekaische: Coelum mutant non animum, qui trans mare currunt mache ihn zwar schüchtern, doch wolle ers noch ein- mal versuchen; ich sollte mich also zum Abzuge anschi- cken. -- Ich ärgerte mich zwar etwas über den
vor Augen legten. Die Geſchichte, beſonders die der Kirche und der Weltweisheit, zeigen allemal den ſicherſten Weg zur Einſicht und zur Aufklaͤrung. Doch ich bin ja kein kompetenter Richter: ich rede vielleicht von Dingen, die ich nicht verſtehe; aber meinen Glauben muß ich doch angeben: ſonſt wuͤrde ja mei- ne Biographie einen Hauptmangel haben.
Herr Koͤſter, der Mediciner, und ſein Bruder, Pfarrer zu Niederſaulheim, lagen mir taͤglich an, ein- gezogener zu leben, bis ſie ſahen, daß alles vergebens war. Da lieſſen dieſe Braven es gut ſeyn und be- muͤheten ſich nicht weiter, an meiner Beſſerung zu ar- beiten, auſſer bei Vorfaͤllen, die merklich auffielen.
Meinem Vater konnten meine Poſſen nicht lan- ge unbekannt bleiben: wenigſtens ſchrieb er mir, daß er ſelbſt einſaͤhe, daß es nicht gut ſeyn wuͤrde, wenn ich laͤnger in jenen Gegenden bliebe, ob er gleich auch nicht gewiß darauf rechne, daß ich mich beſſern werde, wenn ich anderswohin zoͤge; das alte Spruͤchwort:
Es flog ein Gans wol' uͤbers Meer und kam ein Gakkak wieder her –
oder das Senekaiſche: Coelum mutant non animum, qui trans mare currunt mache ihn zwar ſchuͤchtern, doch wolle ers noch ein- mal verſuchen; ich ſollte mich alſo zum Abzuge anſchi- cken. — Ich aͤrgerte mich zwar etwas uͤber den
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0076"n="74"/>
vor Augen legten. Die Geſchichte, beſonders die der<lb/>
Kirche und der Weltweisheit, zeigen allemal den<lb/>ſicherſten Weg zur Einſicht und zur Aufklaͤrung. Doch<lb/>
ich bin ja kein kompetenter Richter: ich rede vielleicht<lb/>
von Dingen, die ich nicht verſtehe; aber meinen<lb/>
Glauben muß ich doch angeben: ſonſt wuͤrde ja mei-<lb/>
ne Biographie einen Hauptmangel haben.</p><lb/><p>Herr <hirendition="#g">Koͤſter</hi>, der Mediciner, und ſein Bruder,<lb/>
Pfarrer zu Niederſaulheim, lagen mir taͤglich an, ein-<lb/>
gezogener zu leben, bis ſie ſahen, daß alles vergebens<lb/>
war. Da lieſſen dieſe Braven es gut ſeyn und be-<lb/>
muͤheten ſich nicht weiter, an meiner Beſſerung zu ar-<lb/>
beiten, auſſer bei Vorfaͤllen, die merklich auffielen.</p><lb/><p>Meinem Vater konnten meine Poſſen nicht lan-<lb/>
ge unbekannt bleiben: wenigſtens ſchrieb er mir, daß<lb/>
er ſelbſt einſaͤhe, daß es nicht gut ſeyn wuͤrde, wenn<lb/>
ich laͤnger in jenen Gegenden bliebe, ob er gleich auch<lb/>
nicht gewiß darauf rechne, daß ich mich beſſern werde,<lb/>
wenn ich anderswohin zoͤge; das alte Spruͤchwort:</p><lb/><lgtype="poem"><l>Es flog ein Gans wol' uͤbers Meer</l><lb/><l>und kam ein Gakkak wieder her –</l></lg><lb/><p>oder das Senekaiſche:<lb/><hirendition="#et"><hirendition="#aq">Coelum mutant non animum, qui trans mare<lb/>
currunt</hi></hi><lb/>
mache ihn zwar ſchuͤchtern, doch wolle ers noch ein-<lb/>
mal verſuchen; ich ſollte mich alſo zum Abzuge anſchi-<lb/>
cken. — Ich aͤrgerte mich zwar etwas uͤber den<lb/></p></div></body></text></TEI>
[74/0076]
vor Augen legten. Die Geſchichte, beſonders die der
Kirche und der Weltweisheit, zeigen allemal den
ſicherſten Weg zur Einſicht und zur Aufklaͤrung. Doch
ich bin ja kein kompetenter Richter: ich rede vielleicht
von Dingen, die ich nicht verſtehe; aber meinen
Glauben muß ich doch angeben: ſonſt wuͤrde ja mei-
ne Biographie einen Hauptmangel haben.
Herr Koͤſter, der Mediciner, und ſein Bruder,
Pfarrer zu Niederſaulheim, lagen mir taͤglich an, ein-
gezogener zu leben, bis ſie ſahen, daß alles vergebens
war. Da lieſſen dieſe Braven es gut ſeyn und be-
muͤheten ſich nicht weiter, an meiner Beſſerung zu ar-
beiten, auſſer bei Vorfaͤllen, die merklich auffielen.
Meinem Vater konnten meine Poſſen nicht lan-
ge unbekannt bleiben: wenigſtens ſchrieb er mir, daß
er ſelbſt einſaͤhe, daß es nicht gut ſeyn wuͤrde, wenn
ich laͤnger in jenen Gegenden bliebe, ob er gleich auch
nicht gewiß darauf rechne, daß ich mich beſſern werde,
wenn ich anderswohin zoͤge; das alte Spruͤchwort:
Es flog ein Gans wol' uͤbers Meer
und kam ein Gakkak wieder her –
oder das Senekaiſche:
Coelum mutant non animum, qui trans mare
currunt
mache ihn zwar ſchuͤchtern, doch wolle ers noch ein-
mal verſuchen; ich ſollte mich alſo zum Abzuge anſchi-
cken. — Ich aͤrgerte mich zwar etwas uͤber den
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/76>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.