"Sie sollen bei mir bleiben, fuhr er fort, und bei mir alles finden, was Sie verlangen: gut Essen, derb nämlich, aber wenig Gerichte: guten Wein, Gunderblumer nämlich, und das in vollem Maaße, so viel in den Bauch hinein geht, und eine gute Pfeiffe Toback. Aber da Sie das Ding wol nicht werden umsonst haben wollen, so übernehmen Sie meine Jagd, und besorgen meinen Keller, und leh- ren meine Mädel ein bissel Französisch und auf der Landkarte. Wollen Sie das, mein Lieber?" -- Ich schlug ein, und war froh, daß ich mich an ei- nem fremden Orte bequem aufhalten konnte, ohne meinen Wohlthätern lästig zu seyn.
Ich war also freiherrlicher Jäger, Sprachleh- rer und Oberkellermeister. Letztere Stelle war frei- lich besser und minder beschwerlich, als erstere; doch muß ichs selbst von mir rühmen, daß ich auch dieses Aemtchen mit vieler Treue versehen habe -- viel- leicht blos deswegen, weil ich keine Nothwendigkeit vor mir sahe, meine Pflicht zu verletzen. Ich habe oft nachgedacht, warum ich zu einer Zeit fähig war, Lumpenstreiche auszuüben, die ich zu einer andern für keinen Preis würde gethan haben. Ich kann mir noch nicht alles erklären; aber diese Betrachtung machet mich äußerst nachgiebig gegen Andre, beson- ders gegen solche, welche aus Zerrüttung ihrer ökono- mischen Umstände pflichtwidrig zu handeln genöthigt
„Sie ſollen bei mir bleiben, fuhr er fort, und bei mir alles finden, was Sie verlangen: gut Eſſen, derb naͤmlich, aber wenig Gerichte: guten Wein, Gunderblumer naͤmlich, und das in vollem Maaße, ſo viel in den Bauch hinein geht, und eine gute Pfeiffe Toback. Aber da Sie das Ding wol nicht werden umſonſt haben wollen, ſo uͤbernehmen Sie meine Jagd, und beſorgen meinen Keller, und leh- ren meine Maͤdel ein biſſel Franzoͤſiſch und auf der Landkarte. Wollen Sie das, mein Lieber?“ — Ich ſchlug ein, und war froh, daß ich mich an ei- nem fremden Orte bequem aufhalten konnte, ohne meinen Wohlthaͤtern laͤſtig zu ſeyn.
Ich war alſo freiherrlicher Jaͤger, Sprachleh- rer und Oberkellermeiſter. Letztere Stelle war frei- lich beſſer und minder beſchwerlich, als erſtere; doch muß ichs ſelbſt von mir ruͤhmen, daß ich auch dieſes Aemtchen mit vieler Treue verſehen habe — viel- leicht blos deswegen, weil ich keine Nothwendigkeit vor mir ſahe, meine Pflicht zu verletzen. Ich habe oft nachgedacht, warum ich zu einer Zeit faͤhig war, Lumpenſtreiche auszuuͤben, die ich zu einer andern fuͤr keinen Preis wuͤrde gethan haben. Ich kann mir noch nicht alles erklaͤren; aber dieſe Betrachtung machet mich aͤußerſt nachgiebig gegen Andre, beſon- ders gegen ſolche, welche aus Zerruͤttung ihrer oͤkono- miſchen Umſtaͤnde pflichtwidrig zu handeln genoͤthigt
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„Sie ſollen bei mir bleiben, fuhr er fort, und
bei mir alles finden, was Sie verlangen: gut Eſſen,
derb naͤmlich, aber wenig Gerichte: guten Wein,
Gunderblumer naͤmlich, und das in vollem Maaße,
ſo viel in den Bauch hinein geht, und eine gute
Pfeiffe Toback. Aber da Sie das Ding wol nicht
werden umſonſt haben wollen, ſo uͤbernehmen Sie
meine Jagd, und beſorgen meinen Keller, und leh-
ren meine Maͤdel ein biſſel Franzoͤſiſch und auf der
Landkarte. Wollen Sie das, mein Lieber?“ —
Ich ſchlug ein, und war froh, daß ich mich an ei-
nem fremden Orte bequem aufhalten konnte, ohne
meinen Wohlthaͤtern laͤſtig zu ſeyn.
Ich war alſo freiherrlicher Jaͤger, Sprachleh-
rer und Oberkellermeiſter. Letztere Stelle war frei-
lich beſſer und minder beſchwerlich, als erſtere; doch
muß ichs ſelbſt von mir ruͤhmen, daß ich auch dieſes
Aemtchen mit vieler Treue verſehen habe — viel-
leicht blos deswegen, weil ich keine Nothwendigkeit
vor mir ſahe, meine Pflicht zu verletzen. Ich habe
oft nachgedacht, warum ich zu einer Zeit faͤhig war,
Lumpenſtreiche auszuuͤben, die ich zu einer andern
fuͤr keinen Preis wuͤrde gethan haben. Ich kann
mir noch nicht alles erklaͤren; aber dieſe Betrachtung
machet mich aͤußerſt nachgiebig gegen Andre, beſon-
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miſchen Umſtaͤnde pflichtwidrig zu handeln genoͤthigt
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/8>, abgerufen am 21.11.2024.
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