Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Bitte, bald zu kommen, war so dringend
gemacht, daß ich gleich den andern Tag von Mainz
aus nach Gundersblum ging. Ich hatte nur fünf
Stunden. Schmid empfing mich mit der lebhafte-
sten Theilnahme an meinem widrigen Schicksale und
mit tausend Flüchen gegen alle, die mich meiner und
seiner Meynung nach gedrückt hätten. Ich sollte
sehen, sagte er, wie man sich hier meiner annehmen
würde: er wisse, daß mein Vater mir beinahe sein
Haus verboten, und mich gleichsam fortgejagt hätte:
aber hier in Gundersblum fände ich alles, was ich
wünschen könnte. Zuförderst hätte der Major dafür
gesorgt, daß ich in Gundersblum bei ihm wohnen
könnte, bis sich etwas für mich ergeben würde: ich
fände da guten Tisch, rechten Wein und ein feines
Logis. -- Das Ding gefiel mir schon nicht recht:
lieber wäre ich bei meinem Baron zu Mainz, als
in Gundersblum geblieben. Der Major war zwar
ein ehrlicher braver Mann, ohne Stolz und ohne
Grobheit; aber an Jahren waren wir zu weit von
einander, als daß wir hätten Vertraute werden kön-
nen: und Vertraulichkeit habe ich immer gesucht,
habe sie sogar oft für Freundschaft gehalten, und
mich dabei gar häßlich betrogen. Dem ohngeachtet
ging ich zum Major, welcher mich aufs beste bewill-
kommte, und von dem Herrn von Zwirnlein eben
nicht mit Achtung redete.


Die Bitte, bald zu kommen, war ſo dringend
gemacht, daß ich gleich den andern Tag von Mainz
aus nach Gundersblum ging. Ich hatte nur fuͤnf
Stunden. Schmid empfing mich mit der lebhafte-
ſten Theilnahme an meinem widrigen Schickſale und
mit tauſend Fluͤchen gegen alle, die mich meiner und
ſeiner Meynung nach gedruͤckt haͤtten. Ich ſollte
ſehen, ſagte er, wie man ſich hier meiner annehmen
wuͤrde: er wiſſe, daß mein Vater mir beinahe ſein
Haus verboten, und mich gleichſam fortgejagt haͤtte:
aber hier in Gundersblum faͤnde ich alles, was ich
wuͤnſchen koͤnnte. Zufoͤrderſt haͤtte der Major dafuͤr
geſorgt, daß ich in Gundersblum bei ihm wohnen
koͤnnte, bis ſich etwas fuͤr mich ergeben wuͤrde: ich
faͤnde da guten Tiſch, rechten Wein und ein feines
Logis. — Das Ding gefiel mir ſchon nicht recht:
lieber waͤre ich bei meinem Baron zu Mainz, als
in Gundersblum geblieben. Der Major war zwar
ein ehrlicher braver Mann, ohne Stolz und ohne
Grobheit; aber an Jahren waren wir zu weit von
einander, als daß wir haͤtten Vertraute werden koͤn-
nen: und Vertraulichkeit habe ich immer geſucht,
habe ſie ſogar oft fuͤr Freundſchaft gehalten, und
mich dabei gar haͤßlich betrogen. Dem ohngeachtet
ging ich zum Major, welcher mich aufs beſte bewill-
kommte, und von dem Herrn von Zwirnlein eben
nicht mit Achtung redete.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0007" n="5"/>
        <p>Die Bitte, bald zu kommen, war &#x017F;o dringend<lb/>
gemacht, daß ich gleich den andern Tag von Mainz<lb/>
aus nach Gundersblum ging. Ich hatte nur fu&#x0364;nf<lb/>
Stunden. Schmid empfing mich mit der lebhafte-<lb/>
&#x017F;ten Theilnahme an meinem widrigen Schick&#x017F;ale und<lb/>
mit tau&#x017F;end Flu&#x0364;chen gegen alle, die mich meiner und<lb/>
&#x017F;einer Meynung nach gedru&#x0364;ckt ha&#x0364;tten. Ich &#x017F;ollte<lb/>
&#x017F;ehen, &#x017F;agte er, wie man &#x017F;ich hier meiner annehmen<lb/>
wu&#x0364;rde: er wi&#x017F;&#x017F;e, daß mein Vater mir beinahe &#x017F;ein<lb/>
Haus verboten, und mich gleich&#x017F;am fortgejagt ha&#x0364;tte:<lb/>
aber hier in Gundersblum fa&#x0364;nde ich alles, was ich<lb/>
wu&#x0364;n&#x017F;chen ko&#x0364;nnte. Zufo&#x0364;rder&#x017F;t ha&#x0364;tte der Major dafu&#x0364;r<lb/>
ge&#x017F;orgt, daß ich in Gundersblum bei ihm wohnen<lb/>
ko&#x0364;nnte, bis &#x017F;ich etwas fu&#x0364;r mich ergeben wu&#x0364;rde: ich<lb/>
fa&#x0364;nde da guten Ti&#x017F;ch, rechten Wein und ein feines<lb/>
Logis. &#x2014; Das Ding gefiel mir &#x017F;chon nicht recht:<lb/>
lieber wa&#x0364;re ich bei meinem Baron zu Mainz, als<lb/>
in Gundersblum geblieben. Der Major war zwar<lb/>
ein ehrlicher braver Mann, ohne Stolz und ohne<lb/>
Grobheit; aber an Jahren waren wir zu weit von<lb/>
einander, als daß wir ha&#x0364;tten Vertraute werden ko&#x0364;n-<lb/>
nen: und Vertraulichkeit habe ich immer ge&#x017F;ucht,<lb/>
habe &#x017F;ie &#x017F;ogar oft fu&#x0364;r Freund&#x017F;chaft gehalten, und<lb/>
mich dabei gar ha&#x0364;ßlich betrogen. Dem ohngeachtet<lb/>
ging ich zum Major, welcher mich aufs be&#x017F;te bewill-<lb/>
kommte, und von dem Herrn von Zwirnlein eben<lb/>
nicht mit Achtung redete.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[5/0007] Die Bitte, bald zu kommen, war ſo dringend gemacht, daß ich gleich den andern Tag von Mainz aus nach Gundersblum ging. Ich hatte nur fuͤnf Stunden. Schmid empfing mich mit der lebhafte- ſten Theilnahme an meinem widrigen Schickſale und mit tauſend Fluͤchen gegen alle, die mich meiner und ſeiner Meynung nach gedruͤckt haͤtten. Ich ſollte ſehen, ſagte er, wie man ſich hier meiner annehmen wuͤrde: er wiſſe, daß mein Vater mir beinahe ſein Haus verboten, und mich gleichſam fortgejagt haͤtte: aber hier in Gundersblum faͤnde ich alles, was ich wuͤnſchen koͤnnte. Zufoͤrderſt haͤtte der Major dafuͤr geſorgt, daß ich in Gundersblum bei ihm wohnen koͤnnte, bis ſich etwas fuͤr mich ergeben wuͤrde: ich faͤnde da guten Tiſch, rechten Wein und ein feines Logis. — Das Ding gefiel mir ſchon nicht recht: lieber waͤre ich bei meinem Baron zu Mainz, als in Gundersblum geblieben. Der Major war zwar ein ehrlicher braver Mann, ohne Stolz und ohne Grobheit; aber an Jahren waren wir zu weit von einander, als daß wir haͤtten Vertraute werden koͤn- nen: und Vertraulichkeit habe ich immer geſucht, habe ſie ſogar oft fuͤr Freundſchaft gehalten, und mich dabei gar haͤßlich betrogen. Dem ohngeachtet ging ich zum Major, welcher mich aufs beſte bewill- kommte, und von dem Herrn von Zwirnlein eben nicht mit Achtung redete.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/7
Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/7>, abgerufen am 03.12.2024.