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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792.

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nen Selecta Capita sich anzuschaffen, welche wir
statt der Episteln St. Pauli lesen wollten. Die
Schüler folgten meinem Rath und so war ich der er-
ste, welcher es wagte, in graeca tertia auf dem
Waisenhause zu Halle, etwas anders zu lesen, als
das so dunkel und altmodisch geschriebene Buch,
Neues Testament genannt.

Im Hebräischen fand ich meine Schüler in den
ersten Grundregeln der Grammatik versäumt, und
doch sollte ich ihnen die Psalmen, ein an tausend
Stellen korruptes, schweres Buch vorerklären. Ich
ermahnte sie, mir zu folgen und Grammatik zu trei-
ben. Auch hierin fand ich folgsame Jünglinge, die
sichs gefallen ließen, daß ich ihnen die einfachsten
Regeln vordemonstrirte, welche sonst schon ein An-
fänger wissen muß.

Ein Hauptfehler der damaligen Einrichtung auf
dem Waisenhause war, daß die Inspektoren, den
Herrn Feldhan ausgenommen, in Absicht der
Schulwissenschaften sehr kleine Meister waren, um
nichts schlimmeres zu sagen. Daher konnten sie un-
möglich die Fähigkeiten der Lehrer prüfen: wer nur
vor ihnen sich schmiegen konnte, erhielt eine Klasse,
wie er sie verlangte; wer aber das nicht konnte, der
mußte nehmen, was man ihm gab, und gefiel
ihm das nicht, so konnte er wegbleiben. Als Herr

Zweiter Theil. G

nen Selecta Capita ſich anzuſchaffen, welche wir
ſtatt der Epiſteln St. Pauli leſen wollten. Die
Schuͤler folgten meinem Rath und ſo war ich der er-
ſte, welcher es wagte, in graeca tertia auf dem
Waiſenhauſe zu Halle, etwas anders zu leſen, als
das ſo dunkel und altmodiſch geſchriebene Buch,
Neues Teſtament genannt.

Im Hebraͤiſchen fand ich meine Schuͤler in den
erſten Grundregeln der Grammatik verſaͤumt, und
doch ſollte ich ihnen die Pſalmen, ein an tauſend
Stellen korruptes, ſchweres Buch vorerklaͤren. Ich
ermahnte ſie, mir zu folgen und Grammatik zu trei-
ben. Auch hierin fand ich folgſame Juͤnglinge, die
ſichs gefallen ließen, daß ich ihnen die einfachſten
Regeln vordemonſtrirte, welche ſonſt ſchon ein An-
faͤnger wiſſen muß.

Ein Hauptfehler der damaligen Einrichtung auf
dem Waiſenhauſe war, daß die Inſpektoren, den
Herrn Feldhan ausgenommen, in Abſicht der
Schulwiſſenſchaften ſehr kleine Meiſter waren, um
nichts ſchlimmeres zu ſagen. Daher konnten ſie un-
moͤglich die Faͤhigkeiten der Lehrer pruͤfen: wer nur
vor ihnen ſich ſchmiegen konnte, erhielt eine Klaſſe,
wie er ſie verlangte; wer aber das nicht konnte, der
mußte nehmen, was man ihm gab, und gefiel
ihm das nicht, ſo konnte er wegbleiben. Als Herr

Zweiter Theil. G
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[97/0099] nen Selecta Capita ſich anzuſchaffen, welche wir ſtatt der Epiſteln St. Pauli leſen wollten. Die Schuͤler folgten meinem Rath und ſo war ich der er- ſte, welcher es wagte, in graeca tertia auf dem Waiſenhauſe zu Halle, etwas anders zu leſen, als das ſo dunkel und altmodiſch geſchriebene Buch, Neues Teſtament genannt. Im Hebraͤiſchen fand ich meine Schuͤler in den erſten Grundregeln der Grammatik verſaͤumt, und doch ſollte ich ihnen die Pſalmen, ein an tauſend Stellen korruptes, ſchweres Buch vorerklaͤren. Ich ermahnte ſie, mir zu folgen und Grammatik zu trei- ben. Auch hierin fand ich folgſame Juͤnglinge, die ſichs gefallen ließen, daß ich ihnen die einfachſten Regeln vordemonſtrirte, welche ſonſt ſchon ein An- faͤnger wiſſen muß. Ein Hauptfehler der damaligen Einrichtung auf dem Waiſenhauſe war, daß die Inſpektoren, den Herrn Feldhan ausgenommen, in Abſicht der Schulwiſſenſchaften ſehr kleine Meiſter waren, um nichts ſchlimmeres zu ſagen. Daher konnten ſie un- moͤglich die Faͤhigkeiten der Lehrer pruͤfen: wer nur vor ihnen ſich ſchmiegen konnte, erhielt eine Klaſſe, wie er ſie verlangte; wer aber das nicht konnte, der mußte nehmen, was man ihm gab, und gefiel ihm das nicht, ſo konnte er wegbleiben. Als Herr Zweiter Theil. G

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/99>, abgerufen am 24.11.2024.