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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796.

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König, welcher sich mit den Protestanten in
Deutschland verbunden hatte, ob er gleich die Pro-
testanten in Frankreich verfolgte, riß Metz, Toul
und Verdun, die drey besten Städte im damaligen
Lotharingen, von Deutschland ab, und behielt sie
nachher im Friedensschluß. Carl V. hat sich über
keinen seiner Unglücksfälle mehr geärgert, als über
die Trennung dieser drey Bisthümer vom Reiche.
In den Hugenotten-Kriegen ist Verdun von den
Ketzern belagert, und -- nach einer alten Sage --
von der heiligen Jungfrau sichtbarlich beschüzt wor-
den. Seitdem hat aber die heilige Jungfrau ent-
weder ihre Wunderkraft verlohren, oder sie ist selbst
eine Ketzerin geworden: denn die Franzosen ma-
chens mit ihr und ihrer ganzen heiligen Sippschaft
doch wahrlich ärger, als es die Ketzer, selbst die
Manichäer und die berüchtigten Ikonoklasten oder
Bilderstürmer, nimmermehr gemacht haben. Aber
so ist es! Wenn die Sonne der Vernunft höher
heraufsteigt, sinken die Nebel einer verpfafften
Phantasie; und die Producte von dieser verschwin-
den, sobald der Glaube an sie lächerlich wird.
Nur Geduld: die Zeit giebt alles!

Die Festungswerke von Verdun sind eben nicht
sehr beträchtlich: deswegen hat man Longwy und
Thionville, nach unserm Heimgehen, mehr befe-
stiget, aber Verdun liegen lassen, weil es von ei-

Koͤnig, welcher ſich mit den Proteſtanten in
Deutſchland verbunden hatte, ob er gleich die Pro-
teſtanten in Frankreich verfolgte, riß Metz, Toul
und Verdun, die drey beſten Staͤdte im damaligen
Lotharingen, von Deutſchland ab, und behielt ſie
nachher im Friedensſchluß. Carl V. hat ſich uͤber
keinen ſeiner Ungluͤcksfaͤlle mehr geaͤrgert, als uͤber
die Trennung dieſer drey Bisthuͤmer vom Reiche.
In den Hugenotten-Kriegen iſt Verdun von den
Ketzern belagert, und — nach einer alten Sage —
von der heiligen Jungfrau ſichtbarlich beſchuͤzt wor-
den. Seitdem hat aber die heilige Jungfrau ent-
weder ihre Wunderkraft verlohren, oder ſie iſt ſelbſt
eine Ketzerin geworden: denn die Franzoſen ma-
chens mit ihr und ihrer ganzen heiligen Sippſchaft
doch wahrlich aͤrger, als es die Ketzer, ſelbſt die
Manichaͤer und die beruͤchtigten Ikonoklaſten oder
Bilderſtuͤrmer, nimmermehr gemacht haben. Aber
ſo iſt es! Wenn die Sonne der Vernunft hoͤher
heraufſteigt, ſinken die Nebel einer verpfafften
Phantaſie; und die Producte von dieſer verſchwin-
den, ſobald der Glaube an ſie laͤcherlich wird.
Nur Geduld: die Zeit giebt alles!

Die Feſtungswerke von Verdun ſind eben nicht
ſehr betraͤchtlich: deswegen hat man Longwy und
Thionville, nach unſerm Heimgehen, mehr befe-
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[133/0145] Koͤnig, welcher ſich mit den Proteſtanten in Deutſchland verbunden hatte, ob er gleich die Pro- teſtanten in Frankreich verfolgte, riß Metz, Toul und Verdun, die drey beſten Staͤdte im damaligen Lotharingen, von Deutſchland ab, und behielt ſie nachher im Friedensſchluß. Carl V. hat ſich uͤber keinen ſeiner Ungluͤcksfaͤlle mehr geaͤrgert, als uͤber die Trennung dieſer drey Bisthuͤmer vom Reiche. In den Hugenotten-Kriegen iſt Verdun von den Ketzern belagert, und — nach einer alten Sage — von der heiligen Jungfrau ſichtbarlich beſchuͤzt wor- den. Seitdem hat aber die heilige Jungfrau ent- weder ihre Wunderkraft verlohren, oder ſie iſt ſelbſt eine Ketzerin geworden: denn die Franzoſen ma- chens mit ihr und ihrer ganzen heiligen Sippſchaft doch wahrlich aͤrger, als es die Ketzer, ſelbſt die Manichaͤer und die beruͤchtigten Ikonoklaſten oder Bilderſtuͤrmer, nimmermehr gemacht haben. Aber ſo iſt es! Wenn die Sonne der Vernunft hoͤher heraufſteigt, ſinken die Nebel einer verpfafften Phantaſie; und die Producte von dieſer verſchwin- den, ſobald der Glaube an ſie laͤcherlich wird. Nur Geduld: die Zeit giebt alles! Die Feſtungswerke von Verdun ſind eben nicht ſehr betraͤchtlich: deswegen hat man Longwy und Thionville, nach unſerm Heimgehen, mehr befe- ſtiget, aber Verdun liegen laſſen, weil es von ei-

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/145>, abgerufen am 16.05.2024.