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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796.

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Da ich sehr oft, beynahe täglich, nach Verdun
geschickt wurde, so hatte ich Gelegenheit, auch für
mich manches aus dem Magazine mitzunehmen.
Oft habe ich meine Zeltbursche mit Schnapps und
Wein versehen, und einmal habe ich sogar einen
schönen neuen Offiziermantel mitgebracht: Ich ließ
ihn einem Leutnant für 14 Thaler, obgleich die
goldne Tresse darauf allein mehr werth war. Ich
dachte, nimmst du ihn nicht, so nimmt ihn ein An-
derer; und nach dieser Regel bestimmte ich damals
manche individuelle Handlung.

Es ist überhaupt -- um noch einmal davon zu spre-
chen -- im Kriege eine ganz eigne Sache um das
Mein und Dein. Wenn man gewiß wüßte, daß der
wahre Eigenthümer eines Dinges im Besitze des-
selben bleiben würde, wenn man ihm dasselbe ließe,
so wäre es oft ein Schuftstreich, es wegzunehmen.
Aber da man gewiß voraussetzen kann, daß es doch
Andern zu Theil wird, wenn wir es liegen lassen,
so dächte ich, verliert die Handlung viel von ihrer
Häßlichkeit. Und das ist im Kriege sehr oft der
Fall. Ich weiß zwar, daß die Herren Moralisten
dieß nicht werden gelten lassen: aber es käme auf
eine Probe an, was selbst sie thun würden, wenn
sie sich im Falle der Soldaten befänden! Wer
indeß über eine Handlung urtheilen will, muß sich
in die Lage des Handelnden versetzen: und wenn

Da ich ſehr oft, beynahe taͤglich, nach Verdun
geſchickt wurde, ſo hatte ich Gelegenheit, auch fuͤr
mich manches aus dem Magazine mitzunehmen.
Oft habe ich meine Zeltburſche mit Schnapps und
Wein verſehen, und einmal habe ich ſogar einen
ſchoͤnen neuen Offiziermantel mitgebracht: Ich ließ
ihn einem Leutnant fuͤr 14 Thaler, obgleich die
goldne Treſſe darauf allein mehr werth war. Ich
dachte, nimmſt du ihn nicht, ſo nimmt ihn ein An-
derer; und nach dieſer Regel beſtimmte ich damals
manche individuelle Handlung.

Es iſt uͤberhaupt — um noch einmal davon zu ſpre-
chen — im Kriege eine ganz eigne Sache um das
Mein und Dein. Wenn man gewiß wuͤßte, daß der
wahre Eigenthuͤmer eines Dinges im Beſitze deſ-
ſelben bleiben wuͤrde, wenn man ihm daſſelbe ließe,
ſo waͤre es oft ein Schuftſtreich, es wegzunehmen.
Aber da man gewiß vorausſetzen kann, daß es doch
Andern zu Theil wird, wenn wir es liegen laſſen,
ſo daͤchte ich, verliert die Handlung viel von ihrer
Haͤßlichkeit. Und das iſt im Kriege ſehr oft der
Fall. Ich weiß zwar, daß die Herren Moraliſten
dieß nicht werden gelten laſſen: aber es kaͤme auf
eine Probe an, was ſelbſt ſie thun wuͤrden, wenn
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[137/0149] Da ich ſehr oft, beynahe taͤglich, nach Verdun geſchickt wurde, ſo hatte ich Gelegenheit, auch fuͤr mich manches aus dem Magazine mitzunehmen. Oft habe ich meine Zeltburſche mit Schnapps und Wein verſehen, und einmal habe ich ſogar einen ſchoͤnen neuen Offiziermantel mitgebracht: Ich ließ ihn einem Leutnant fuͤr 14 Thaler, obgleich die goldne Treſſe darauf allein mehr werth war. Ich dachte, nimmſt du ihn nicht, ſo nimmt ihn ein An- derer; und nach dieſer Regel beſtimmte ich damals manche individuelle Handlung. Es iſt uͤberhaupt — um noch einmal davon zu ſpre- chen — im Kriege eine ganz eigne Sache um das Mein und Dein. Wenn man gewiß wuͤßte, daß der wahre Eigenthuͤmer eines Dinges im Beſitze deſ- ſelben bleiben wuͤrde, wenn man ihm daſſelbe ließe, ſo waͤre es oft ein Schuftſtreich, es wegzunehmen. Aber da man gewiß vorausſetzen kann, daß es doch Andern zu Theil wird, wenn wir es liegen laſſen, ſo daͤchte ich, verliert die Handlung viel von ihrer Haͤßlichkeit. Und das iſt im Kriege ſehr oft der Fall. Ich weiß zwar, daß die Herren Moraliſten dieß nicht werden gelten laſſen: aber es kaͤme auf eine Probe an, was ſelbſt ſie thun wuͤrden, wenn ſie ſich im Falle der Soldaten befaͤnden! Wer indeß uͤber eine Handlung urtheilen will, muß ſich in die Lage des Handelnden verſetzen: und wenn

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/149>, abgerufen am 16.05.2024.