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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796.

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und uns alle durchnezte. Niemand konnte liegen
bleiben, noch weniger schlafen: man sezte sich
also auf die Tornister und Patrontaschen, und je-
der fluchte auf sein Schicksal. Man denke uns in
dieser Gruppe! Sogar hörte man die gräßlichsten
Lästerungen auf Gott, und sein Regenwetter. Es
ist Strafe Gottes, sagten die Vernünftigern: Gott
hat keinen Gefallen an unserm Kriege! Er will
nicht, daß wir sein Werk in Frankreich stöhren sollen:
die Revolution ist sein Werk, die Patrioten thun
seinen Willen, und die Emigranten sind Spizbuben:
es hole sie alle der Teufel! --

Unsre Munition an Pulver wurde selbige Nacht
größtentheils naß, und zum Schießen unbrauchbar.
Einige warfen auch schon bey ihrem Ausmarsche
aus diesem Lager ihre Patronen weg, und ließen
sich hernach bey der Retirade, als wir sogar mehrere
Pulverwagen verbrannten, andere geben.

Endlich ward es Tag, und die Soldaten kro-
chen aus ihren Zeltern, wie die Säue aus ihren
Ställen, sahen auch aus, wie diese Thiere, wenn sie
aus Ställen kommen, welche in sechs Wochen
nicht gereinigt sind. Der Koth, worin man sofort
patschen mußte, wenn man aus den Zeltern heraus
trat, lief gleich in die Schuhe: denn er war dünn
und tief, worüber denn einige Soldaten dumpf
brummten, andre laut fluchten, alle aber darin

und uns alle durchnezte. Niemand konnte liegen
bleiben, noch weniger ſchlafen: man ſezte ſich
alſo auf die Torniſter und Patrontaſchen, und je-
der fluchte auf ſein Schickſal. Man denke uns in
dieſer Gruppe! Sogar hoͤrte man die graͤßlichſten
Laͤſterungen auf Gott, und ſein Regenwetter. Es
iſt Strafe Gottes, ſagten die Vernuͤnftigern: Gott
hat keinen Gefallen an unſerm Kriege! Er will
nicht, daß wir ſein Werk in Frankreich ſtoͤhren ſollen:
die Revolution iſt ſein Werk, die Patrioten thun
ſeinen Willen, und die Emigranten ſind Spizbuben:
es hole ſie alle der Teufel! —

Unſre Munition an Pulver wurde ſelbige Nacht
groͤßtentheils naß, und zum Schießen unbrauchbar.
Einige warfen auch ſchon bey ihrem Ausmarſche
aus dieſem Lager ihre Patronen weg, und ließen
ſich hernach bey der Retirade, als wir ſogar mehrere
Pulverwagen verbrannten, andere geben.

Endlich ward es Tag, und die Soldaten kro-
chen aus ihren Zeltern, wie die Saͤue aus ihren
Staͤllen, ſahen auch aus, wie dieſe Thiere, wenn ſie
aus Staͤllen kommen, welche in ſechs Wochen
nicht gereinigt ſind. Der Koth, worin man ſofort
patſchen mußte, wenn man aus den Zeltern heraus
trat, lief gleich in die Schuhe: denn er war duͤnn
und tief, woruͤber denn einige Soldaten dumpf
brummten, andre laut fluchten, alle aber darin

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[142/0154] und uns alle durchnezte. Niemand konnte liegen bleiben, noch weniger ſchlafen: man ſezte ſich alſo auf die Torniſter und Patrontaſchen, und je- der fluchte auf ſein Schickſal. Man denke uns in dieſer Gruppe! Sogar hoͤrte man die graͤßlichſten Laͤſterungen auf Gott, und ſein Regenwetter. Es iſt Strafe Gottes, ſagten die Vernuͤnftigern: Gott hat keinen Gefallen an unſerm Kriege! Er will nicht, daß wir ſein Werk in Frankreich ſtoͤhren ſollen: die Revolution iſt ſein Werk, die Patrioten thun ſeinen Willen, und die Emigranten ſind Spizbuben: es hole ſie alle der Teufel! — Unſre Munition an Pulver wurde ſelbige Nacht groͤßtentheils naß, und zum Schießen unbrauchbar. Einige warfen auch ſchon bey ihrem Ausmarſche aus dieſem Lager ihre Patronen weg, und ließen ſich hernach bey der Retirade, als wir ſogar mehrere Pulverwagen verbrannten, andere geben. Endlich ward es Tag, und die Soldaten kro- chen aus ihren Zeltern, wie die Saͤue aus ihren Staͤllen, ſahen auch aus, wie dieſe Thiere, wenn ſie aus Staͤllen kommen, welche in ſechs Wochen nicht gereinigt ſind. Der Koth, worin man ſofort patſchen mußte, wenn man aus den Zeltern heraus trat, lief gleich in die Schuhe: denn er war duͤnn und tief, woruͤber denn einige Soldaten dumpf brummten, andre laut fluchten, alle aber darin

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/154>, abgerufen am 16.05.2024.