übereinkamen, daß dieses abscheuliche Lager sofort Drecklager heißen sollte.
Nun wurde befohlen, oder vielmehr angesagt, daß Stroh sollte gelangt werden. Stroh holen hieß aber damals, den ungedroschnen Weizen -- Roggen wächst in Champagne nicht, wenig- stens hab ich keinen gesehn: in Lotharingen war Rog- gen anzutreffen -- Also man holte den ungedrosch- nen Waizen aus den Scheunen, warf ihn, wer weis, wie hoch, ins Zelt, und legte sich dann auf ihn hin. Dieses konnte um so viel leichter geschehen, da einem jeden erlaubt war, so viel Stroh d. i. Waizen zu nehmen, als er gerade wollte, oder konnte. Da nun auch die Kavalleristen ihre Furasche aus den Scheunen der Bauren holten; auch die Pack- und andre Pferde daraus versehen wurden, so kann man leicht denken, daß in den Dörfern, in deren Nähe unser Lager stand, nichts übrig blieb, als Jammer und Leere. In l'Entree war nach drey Stunden keine Waizengarbe mehr anzutreffen. Und das gieng eben so in den übrigen Dörfern. Daß alle Häuser obendrein rein ausgeplündert wurden, versteht sich von selbst.
Ich hätte bey diesem Stroh- oder Garbenholen beynahe den Hals zerbrochen: denn ich fiel in einer Scheune von einem hohen Gerüste, jedoch ohne Schaden. -- Das Schicksal hat mich noch immer
Nun wurde befohlen, oder vielmehr angeſagt, daß Stroh ſollte gelangt werden. Stroh holen hieß aber damals, den ungedroſchnen Weizen — Roggen waͤchſt in Champagne nicht, wenig- ſtens hab ich keinen geſehn: in Lotharingen war Rog- gen anzutreffen — Alſo man holte den ungedroſch- nen Waizen aus den Scheunen, warf ihn, wer weis, wie hoch, ins Zelt, und legte ſich dann auf ihn hin. Dieſes konnte um ſo viel leichter geſchehen, da einem jeden erlaubt war, ſo viel Stroh d. i. Waizen zu nehmen, als er gerade wollte, oder konnte. Da nun auch die Kavalleriſten ihre Furaſche aus den Scheunen der Bauren holten; auch die Pack- und andre Pferde daraus verſehen wurden, ſo kann man leicht denken, daß in den Doͤrfern, in deren Naͤhe unſer Lager ſtand, nichts uͤbrig blieb, als Jammer und Leere. In l'Entrée war nach drey Stunden keine Waizengarbe mehr anzutreffen. Und das gieng eben ſo in den uͤbrigen Doͤrfern. Daß alle Haͤuſer obendrein rein ausgepluͤndert wurden, verſteht ſich von ſelbſt.
Ich haͤtte bey dieſem Stroh- oder Garbenholen beynahe den Hals zerbrochen: denn ich fiel in einer Scheune von einem hohen Geruͤſte, jedoch ohne Schaden. — Das Schickſal hat mich noch immer
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0155"n="143"/>
uͤbereinkamen, daß dieſes abſcheuliche Lager ſofort<lb/><hirendition="#g">Drecklager</hi> heißen ſollte.</p><lb/><p>Nun wurde befohlen, oder vielmehr angeſagt,<lb/>
daß Stroh ſollte gelangt werden. Stroh holen<lb/>
hieß aber damals, den ungedroſchnen Weizen —<lb/>
Roggen waͤchſt in <hirendition="#g">Champagne</hi> nicht, wenig-<lb/>ſtens hab ich keinen geſehn: in Lotharingen war Rog-<lb/>
gen anzutreffen — Alſo man holte den ungedroſch-<lb/>
nen Waizen aus den Scheunen, warf ihn, wer weis,<lb/>
wie hoch, ins Zelt, und legte ſich dann auf ihn<lb/>
hin. Dieſes konnte um ſo viel leichter geſchehen,<lb/>
da einem jeden erlaubt war, ſo viel Stroh d. i.<lb/>
Waizen zu nehmen, als er gerade wollte, oder konnte.<lb/>
Da nun auch die Kavalleriſten ihre Furaſche aus<lb/>
den Scheunen der Bauren holten; auch die Pack-<lb/>
und andre Pferde daraus verſehen wurden, ſo kann<lb/>
man leicht denken, daß in den Doͤrfern, in deren<lb/>
Naͤhe unſer Lager ſtand, nichts uͤbrig blieb, als<lb/>
Jammer und Leere. In l'<hirendition="#g">Entr<hirendition="#aq">é</hi>e</hi> war nach drey<lb/>
Stunden keine Waizengarbe mehr anzutreffen. Und<lb/>
das gieng eben ſo in den uͤbrigen Doͤrfern. Daß<lb/>
alle Haͤuſer obendrein rein ausgepluͤndert wurden,<lb/>
verſteht ſich von ſelbſt.</p><lb/><p>Ich haͤtte bey dieſem Stroh- oder Garbenholen<lb/>
beynahe den Hals zerbrochen: denn ich fiel in einer<lb/>
Scheune von einem hohen Geruͤſte, jedoch ohne<lb/>
Schaden. — Das Schickſal hat mich noch immer<lb/></p></div></body></text></TEI>
[143/0155]
uͤbereinkamen, daß dieſes abſcheuliche Lager ſofort
Drecklager heißen ſollte.
Nun wurde befohlen, oder vielmehr angeſagt,
daß Stroh ſollte gelangt werden. Stroh holen
hieß aber damals, den ungedroſchnen Weizen —
Roggen waͤchſt in Champagne nicht, wenig-
ſtens hab ich keinen geſehn: in Lotharingen war Rog-
gen anzutreffen — Alſo man holte den ungedroſch-
nen Waizen aus den Scheunen, warf ihn, wer weis,
wie hoch, ins Zelt, und legte ſich dann auf ihn
hin. Dieſes konnte um ſo viel leichter geſchehen,
da einem jeden erlaubt war, ſo viel Stroh d. i.
Waizen zu nehmen, als er gerade wollte, oder konnte.
Da nun auch die Kavalleriſten ihre Furaſche aus
den Scheunen der Bauren holten; auch die Pack-
und andre Pferde daraus verſehen wurden, ſo kann
man leicht denken, daß in den Doͤrfern, in deren
Naͤhe unſer Lager ſtand, nichts uͤbrig blieb, als
Jammer und Leere. In l'Entrée war nach drey
Stunden keine Waizengarbe mehr anzutreffen. Und
das gieng eben ſo in den uͤbrigen Doͤrfern. Daß
alle Haͤuſer obendrein rein ausgepluͤndert wurden,
verſteht ſich von ſelbſt.
Ich haͤtte bey dieſem Stroh- oder Garbenholen
beynahe den Hals zerbrochen: denn ich fiel in einer
Scheune von einem hohen Geruͤſte, jedoch ohne
Schaden. — Das Schickſal hat mich noch immer
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/155>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.