diesem treuen Freunde mit allen Empfindungen schied, deren ich damals im Tumulte fähig war.
Unser erste Marsch war kurz, doch waren wir, als wir ins Quartier kamen, durchaus vom Regen naß, vergaßen aber dieses kleinen Ungemachs bald, da die sächsischen Bauern uns nach ihrem Vermögen gut bewirtheten.
Am andern Tage hatte ich schon einen Wort- wechsel mit einem sächsischen Kandidaten der Theo- logie. Dieser sollte eine halbe Stunde von unserm Quartier für den dasigen Hr. Pfarrer auf den Sonn- tag predigen. Unterwegs war ihm der Durst ange- kommen und so kehrte er in eine Schenke ein, wor- in ich mich gerade auch befand. Ich sah ihm so- gleich am Aeußern an, daß er ein Kandidat des h. Predigtamts war, und ließ mich mit ihm in ein Gespräch ein. Er sagte mir, daß er nun schon über sechszehn Jahre Kandidat sey, weil er kein Geld habe, um bey dem Konsistorium um Freunde zu werben, wo, wie beynahe überall, Geld das Haupt- verdienst ausmache, u. s. w.
Ich merkte, daß es in Sachsen gehen mag, wie in der lieben Pfalz, und daß man durch Geld sich auch hier, wie aller Orten, den Weg in den Schaf- stall des Herrn öffnen müsse. Beyher erzählte mir der Herr Kandidat, der auch zugleich Magister der Philosophie war, worauf er sich aber nicht viel
dieſem treuen Freunde mit allen Empfindungen ſchied, deren ich damals im Tumulte faͤhig war.
Unſer erſte Marſch war kurz, doch waren wir, als wir ins Quartier kamen, durchaus vom Regen naß, vergaßen aber dieſes kleinen Ungemachs bald, da die ſaͤchſiſchen Bauern uns nach ihrem Vermoͤgen gut bewirtheten.
Am andern Tage hatte ich ſchon einen Wort- wechſel mit einem ſaͤchſiſchen Kandidaten der Theo- logie. Dieſer ſollte eine halbe Stunde von unſerm Quartier fuͤr den daſigen Hr. Pfarrer auf den Sonn- tag predigen. Unterwegs war ihm der Durſt ange- kommen und ſo kehrte er in eine Schenke ein, wor- in ich mich gerade auch befand. Ich ſah ihm ſo- gleich am Aeußern an, daß er ein Kandidat des h. Predigtamts war, und ließ mich mit ihm in ein Geſpraͤch ein. Er ſagte mir, daß er nun ſchon uͤber ſechszehn Jahre Kandidat ſey, weil er kein Geld habe, um bey dem Konſiſtorium um Freunde zu werben, wo, wie beynahe uͤberall, Geld das Haupt- verdienſt ausmache, u. ſ. w.
Ich merkte, daß es in Sachſen gehen mag, wie in der lieben Pfalz, und daß man durch Geld ſich auch hier, wie aller Orten, den Weg in den Schaf- ſtall des Herrn oͤffnen muͤſſe. Beyher erzaͤhlte mir der Herr Kandidat, der auch zugleich Magiſter der Philoſophie war, worauf er ſich aber nicht viel
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dieſem treuen Freunde mit allen Empfindungen
ſchied, deren ich damals im Tumulte faͤhig war.
Unſer erſte Marſch war kurz, doch waren wir,
als wir ins Quartier kamen, durchaus vom Regen
naß, vergaßen aber dieſes kleinen Ungemachs bald,
da die ſaͤchſiſchen Bauern uns nach ihrem Vermoͤgen
gut bewirtheten.
Am andern Tage hatte ich ſchon einen Wort-
wechſel mit einem ſaͤchſiſchen Kandidaten der Theo-
logie. Dieſer ſollte eine halbe Stunde von unſerm
Quartier fuͤr den daſigen Hr. Pfarrer auf den Sonn-
tag predigen. Unterwegs war ihm der Durſt ange-
kommen und ſo kehrte er in eine Schenke ein, wor-
in ich mich gerade auch befand. Ich ſah ihm ſo-
gleich am Aeußern an, daß er ein Kandidat des h.
Predigtamts war, und ließ mich mit ihm in ein
Geſpraͤch ein. Er ſagte mir, daß er nun ſchon
uͤber ſechszehn Jahre Kandidat ſey, weil er kein Geld
habe, um bey dem Konſiſtorium um Freunde zu
werben, wo, wie beynahe uͤberall, Geld das Haupt-
verdienſt ausmache, u. ſ. w.
Ich merkte, daß es in Sachſen gehen mag, wie
in der lieben Pfalz, und daß man durch Geld ſich
auch hier, wie aller Orten, den Weg in den Schaf-
ſtall des Herrn oͤffnen muͤſſe. Beyher erzaͤhlte mir
der Herr Kandidat, der auch zugleich Magiſter
der Philoſophie war, worauf er ſich aber nicht viel
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/18>, abgerufen am 21.11.2024.
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