Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

Hinmarsch gewesen war. Sogar gesellte sich jezt
noch der Spott der Einwohner zu dem Elende,
welches uns drückte. Es ist wirklich eine penible
Sache für einen Soldaten, in einem Trupp zu seyn,
der besiegt, oder mit einer langen Nase, vom
Feinde zurückkommt: er muß sogar vom Janhagel
Spott einstecken; und der Janhagel im Trierlande
wußte seine Grobheiten so satyrisch und so beißend
einzurichten, daß er dem Jan Hagel in unsern flie-
genden Blättern nichts nachgab.

Vinningen ist ein schöner Flecken an der Mosel,
wo der beste Moselwein wächst. Der Ort ist ganz
lutherisch; und eben deswegen sind die Einwohner,
weil alles rundum mit Katholiken besezt ist, in
einer üblen Lage. Sie müssen immer in ihrem
Neste konzentrirt bleiben: niemand heurathet ihre
Mädel, und niemand zieht zu ihnen: deswegen ist
auch das ganze Vinningen eitel Schwager, Schwä-
gerinn, Schwiegervater und Schwiegermutter.

Ich dachte, wir würden hier Rasttag halten, da
aber der Abmarsch gleich auf den andern Tag be-
fohlen wurde, ich indeß noch nicht gehen konnte,
so mußte ich mich zu den Kranken und Maroden
gesellen, welche die Menge in mehrern Schiffen
nach Nenwied gefahren wurden. Hier wollte ich
meinen Freund, den Hn. Magister Schellenberg,
besuchen, er war aber verreiset.


Hinmarſch geweſen war. Sogar geſellte ſich jezt
noch der Spott der Einwohner zu dem Elende,
welches uns druͤckte. Es iſt wirklich eine penible
Sache fuͤr einen Soldaten, in einem Trupp zu ſeyn,
der beſiegt, oder mit einer langen Naſe, vom
Feinde zuruͤckkommt: er muß ſogar vom Janhagel
Spott einſtecken; und der Janhagel im Trierlande
wußte ſeine Grobheiten ſo ſatyriſch und ſo beißend
einzurichten, daß er dem Jan Hagel in unſern flie-
genden Blaͤttern nichts nachgab.

Vinningen iſt ein ſchoͤner Flecken an der Moſel,
wo der beſte Moſelwein waͤchſt. Der Ort iſt ganz
lutheriſch; und eben deswegen ſind die Einwohner,
weil alles rundum mit Katholiken beſezt iſt, in
einer uͤblen Lage. Sie muͤſſen immer in ihrem
Neſte konzentrirt bleiben: niemand heurathet ihre
Maͤdel, und niemand zieht zu ihnen: deswegen iſt
auch das ganze Vinningen eitel Schwager, Schwaͤ-
gerinn, Schwiegervater und Schwiegermutter.

Ich dachte, wir wuͤrden hier Raſttag halten, da
aber der Abmarſch gleich auf den andern Tag be-
fohlen wurde, ich indeß noch nicht gehen konnte,
ſo mußte ich mich zu den Kranken und Maroden
geſellen, welche die Menge in mehrern Schiffen
nach Nenwied gefahren wurden. Hier wollte ich
meinen Freund, den Hn. Magiſter Schellenberg,
beſuchen, er war aber verreiſet.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0254" n="242"/>
Hinmar&#x017F;ch gewe&#x017F;en war. Sogar ge&#x017F;ellte &#x017F;ich jezt<lb/>
noch der Spott der Einwohner zu dem Elende,<lb/>
welches uns dru&#x0364;ckte. Es i&#x017F;t wirklich eine penible<lb/>
Sache fu&#x0364;r einen Soldaten, in einem Trupp zu &#x017F;eyn,<lb/>
der be&#x017F;iegt, oder mit einer langen Na&#x017F;e, vom<lb/>
Feinde zuru&#x0364;ckkommt: er muß &#x017F;ogar vom Janhagel<lb/>
Spott ein&#x017F;tecken; und der Janhagel im Trierlande<lb/>
wußte &#x017F;eine Grobheiten &#x017F;o &#x017F;atyri&#x017F;ch und &#x017F;o beißend<lb/>
einzurichten, daß er dem Jan Hagel in un&#x017F;ern flie-<lb/>
genden Bla&#x0364;ttern nichts nachgab.</p><lb/>
        <p>Vinningen i&#x017F;t ein &#x017F;cho&#x0364;ner Flecken an der Mo&#x017F;el,<lb/>
wo der be&#x017F;te Mo&#x017F;elwein wa&#x0364;ch&#x017F;t. Der Ort i&#x017F;t ganz<lb/>
lutheri&#x017F;ch; und eben deswegen &#x017F;ind die Einwohner,<lb/>
weil alles rundum mit Katholiken be&#x017F;ezt i&#x017F;t, in<lb/>
einer u&#x0364;blen Lage. Sie mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en immer in ihrem<lb/>
Ne&#x017F;te konzentrirt bleiben: niemand heurathet ihre<lb/>
Ma&#x0364;del, und niemand zieht zu ihnen: deswegen i&#x017F;t<lb/>
auch das ganze Vinningen eitel Schwager, Schwa&#x0364;-<lb/>
gerinn, Schwiegervater und Schwiegermutter.</p><lb/>
        <p>Ich dachte, wir wu&#x0364;rden hier Ra&#x017F;ttag halten, da<lb/>
aber der Abmar&#x017F;ch gleich auf den andern Tag be-<lb/>
fohlen wurde, ich indeß noch nicht gehen konnte,<lb/>
&#x017F;o mußte ich mich zu den Kranken und Maroden<lb/>
ge&#x017F;ellen, welche die Menge in mehrern Schiffen<lb/>
nach Nenwied gefahren wurden. Hier wollte ich<lb/>
meinen Freund, den Hn. Magi&#x017F;ter <hi rendition="#g">Schellenberg</hi>,<lb/>
be&#x017F;uchen, er war aber verrei&#x017F;et.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[242/0254] Hinmarſch geweſen war. Sogar geſellte ſich jezt noch der Spott der Einwohner zu dem Elende, welches uns druͤckte. Es iſt wirklich eine penible Sache fuͤr einen Soldaten, in einem Trupp zu ſeyn, der beſiegt, oder mit einer langen Naſe, vom Feinde zuruͤckkommt: er muß ſogar vom Janhagel Spott einſtecken; und der Janhagel im Trierlande wußte ſeine Grobheiten ſo ſatyriſch und ſo beißend einzurichten, daß er dem Jan Hagel in unſern flie- genden Blaͤttern nichts nachgab. Vinningen iſt ein ſchoͤner Flecken an der Moſel, wo der beſte Moſelwein waͤchſt. Der Ort iſt ganz lutheriſch; und eben deswegen ſind die Einwohner, weil alles rundum mit Katholiken beſezt iſt, in einer uͤblen Lage. Sie muͤſſen immer in ihrem Neſte konzentrirt bleiben: niemand heurathet ihre Maͤdel, und niemand zieht zu ihnen: deswegen iſt auch das ganze Vinningen eitel Schwager, Schwaͤ- gerinn, Schwiegervater und Schwiegermutter. Ich dachte, wir wuͤrden hier Raſttag halten, da aber der Abmarſch gleich auf den andern Tag be- fohlen wurde, ich indeß noch nicht gehen konnte, ſo mußte ich mich zu den Kranken und Maroden geſellen, welche die Menge in mehrern Schiffen nach Nenwied gefahren wurden. Hier wollte ich meinen Freund, den Hn. Magiſter Schellenberg, beſuchen, er war aber verreiſet.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/254
Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/254>, abgerufen am 01.06.2024.