sahen, daß unsre Lage so gut eben nicht, und die der Franzosen bey weitem nicht so schlimm war, als man sie in den Zeitungen ausschrie. Sie ermahn- ten mich daher, nur behutsamer im Reden zu seyn, und jedesmal zu untersuchen, mit wem ich zu schaf- fen hätte. Dieser Rath war klug, und ich habe ihn auch meistens befolgt; aber dann und wann riß mich das Feuer der Dispüte, und meine Ueberzeu- gung dennoch so hin, daß ich sogar in Wirthshäu- sern öffentlich die Parthey der Franzosen nahm: doch habe ich meiner Freymüthigkeit wegen bey den Preußen eben keine unangenehme Folgen empfun- den. Die preußischen Offiziere, ich wiederhole es, haben überhaupt mehr Einsicht und Freymüthigkeit, als die der anderen Truppen. Ich kenne deren viele, und besonders habe ich den jungen Grafen von Herzberg auf diesem Feldzuge kennen lernen, welcher damals (1792) noch Generaladjutant bey dem Regiment von Schönfeld war. Es giebt wohl wenig junge Männer, welche mit so vieler Einsicht und wirklich gelehrten Kenntnissen, einen so liebenswürdigen Karakter verbinden, als dieser. Er ist ein großer Kenner der Geschichte in ihrem ganzen Umfange, aus welcher er sehr treffende praktische Schlüsse auf die neuen Begebenheiten zu ziehen weiß. Mit innigstem Vergnügen hörte ich ihn die ehemaligen republikanischen Vorfälle in
ſahen, daß unſre Lage ſo gut eben nicht, und die der Franzoſen bey weitem nicht ſo ſchlimm war, als man ſie in den Zeitungen ausſchrie. Sie ermahn- ten mich daher, nur behutſamer im Reden zu ſeyn, und jedesmal zu unterſuchen, mit wem ich zu ſchaf- fen haͤtte. Dieſer Rath war klug, und ich habe ihn auch meiſtens befolgt; aber dann und wann riß mich das Feuer der Diſpuͤte, und meine Ueberzeu- gung dennoch ſo hin, daß ich ſogar in Wirthshaͤu- ſern oͤffentlich die Parthey der Franzoſen nahm: doch habe ich meiner Freymuͤthigkeit wegen bey den Preußen eben keine unangenehme Folgen empfun- den. Die preußiſchen Offiziere, ich wiederhole es, haben uͤberhaupt mehr Einſicht und Freymuͤthigkeit, als die der anderen Truppen. Ich kenne deren viele, und beſonders habe ich den jungen Grafen von Herzberg auf dieſem Feldzuge kennen lernen, welcher damals (1792) noch Generaladjutant bey dem Regiment von Schoͤnfeld war. Es giebt wohl wenig junge Maͤnner, welche mit ſo vieler Einſicht und wirklich gelehrten Kenntniſſen, einen ſo liebenswuͤrdigen Karakter verbinden, als dieſer. Er iſt ein großer Kenner der Geſchichte in ihrem ganzen Umfange, aus welcher er ſehr treffende praktiſche Schluͤſſe auf die neuen Begebenheiten zu ziehen weiß. Mit innigſtem Vergnuͤgen hoͤrte ich ihn die ehemaligen republikaniſchen Vorfaͤlle in
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0308"n="296"/>ſahen, daß unſre Lage ſo gut eben nicht, und die<lb/>
der Franzoſen bey weitem nicht ſo ſchlimm war, als<lb/>
man ſie in den Zeitungen ausſchrie. Sie ermahn-<lb/>
ten mich daher, nur behutſamer im Reden zu ſeyn,<lb/>
und jedesmal zu unterſuchen, mit wem ich zu ſchaf-<lb/>
fen haͤtte. Dieſer Rath war klug, und ich habe<lb/>
ihn auch meiſtens befolgt; aber dann und wann riß<lb/>
mich das Feuer der Diſpuͤte, und meine Ueberzeu-<lb/>
gung dennoch ſo hin, daß ich ſogar in Wirthshaͤu-<lb/>ſern oͤffentlich die Parthey der Franzoſen nahm:<lb/>
doch habe ich meiner Freymuͤthigkeit wegen bey den<lb/>
Preußen eben keine unangenehme Folgen empfun-<lb/>
den. Die preußiſchen Offiziere, ich wiederhole es,<lb/>
haben uͤberhaupt mehr Einſicht und Freymuͤthigkeit,<lb/>
als die der anderen Truppen. Ich kenne deren<lb/>
viele, und beſonders habe ich den jungen Grafen<lb/>
von <hirendition="#g">Herzberg</hi> auf dieſem Feldzuge kennen lernen,<lb/>
welcher damals (1792) noch Generaladjutant bey<lb/>
dem Regiment von <hirendition="#g">Schoͤnfeld</hi> war. Es giebt<lb/>
wohl wenig junge Maͤnner, welche mit ſo vieler<lb/>
Einſicht und wirklich gelehrten Kenntniſſen, einen<lb/>ſo liebenswuͤrdigen Karakter verbinden, als dieſer.<lb/>
Er iſt ein großer Kenner der Geſchichte in ihrem<lb/>
ganzen Umfange, aus welcher er ſehr treffende<lb/>
praktiſche Schluͤſſe auf die neuen Begebenheiten<lb/>
zu ziehen weiß. Mit innigſtem Vergnuͤgen hoͤrte<lb/>
ich ihn die ehemaligen republikaniſchen Vorfaͤlle in<lb/></p></div></body></text></TEI>
[296/0308]
ſahen, daß unſre Lage ſo gut eben nicht, und die
der Franzoſen bey weitem nicht ſo ſchlimm war, als
man ſie in den Zeitungen ausſchrie. Sie ermahn-
ten mich daher, nur behutſamer im Reden zu ſeyn,
und jedesmal zu unterſuchen, mit wem ich zu ſchaf-
fen haͤtte. Dieſer Rath war klug, und ich habe
ihn auch meiſtens befolgt; aber dann und wann riß
mich das Feuer der Diſpuͤte, und meine Ueberzeu-
gung dennoch ſo hin, daß ich ſogar in Wirthshaͤu-
ſern oͤffentlich die Parthey der Franzoſen nahm:
doch habe ich meiner Freymuͤthigkeit wegen bey den
Preußen eben keine unangenehme Folgen empfun-
den. Die preußiſchen Offiziere, ich wiederhole es,
haben uͤberhaupt mehr Einſicht und Freymuͤthigkeit,
als die der anderen Truppen. Ich kenne deren
viele, und beſonders habe ich den jungen Grafen
von Herzberg auf dieſem Feldzuge kennen lernen,
welcher damals (1792) noch Generaladjutant bey
dem Regiment von Schoͤnfeld war. Es giebt
wohl wenig junge Maͤnner, welche mit ſo vieler
Einſicht und wirklich gelehrten Kenntniſſen, einen
ſo liebenswuͤrdigen Karakter verbinden, als dieſer.
Er iſt ein großer Kenner der Geſchichte in ihrem
ganzen Umfange, aus welcher er ſehr treffende
praktiſche Schluͤſſe auf die neuen Begebenheiten
zu ziehen weiß. Mit innigſtem Vergnuͤgen hoͤrte
ich ihn die ehemaligen republikaniſchen Vorfaͤlle in
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/308>, abgerufen am 31.10.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.