war Lesen und Schreiben: lezteres bestand in aller- hand Aufsätzen, welche ich an meinen rechtschaff- nen Bispink schickte, und welche er unter den Materialien seiner eignen Lebensgeschichte, nebst den Bahrdtianis, unter der Ueberschrift: Laucar- diana noch aufhebt. Es ist eine herzerquickende Sache, etwas aufs Papier zu setzen, was ein uns theurer abwesender Freund lesen wird; und ein noch größeres Vergnügen ist es, es dereinst, nach überstandenen tausend Gefahren, selbst wieder zu lesen. -- Für meine Leserey sorgte Hr. Factor Ruff: er gab mir Bücher, so gut er sie hatte -- und er hatte recht gute --. Auch borgte er für mich einige, welche er nicht hatte, z. B. David Hume's Geschichte von England. Die- ses kostbare Werk habe ich den Winter über fleißig gelesen, und nicht wenig gescheides daraus gelernet. Darf ich hier eine Anmerkung machen, Leser, über das Lernen aus der Geschichte?
Man arbeitet heut zu Tage an historischen Sy- stemen, und unter andern an einem, welches von dem Gedanken ausgeht: daß das Menschenge- schlecht immer und immer in seiner Kultur und Verbesserung vorwärts schreite, u. s. w. Die- ses hat besonders der französische Bürger Coudor- cet zu behaupten und zu beweisen gesucht, und nach Kants Idee unter den Deutschen zu gleicher Zeit
war Leſen und Schreiben: lezteres beſtand in aller- hand Aufſaͤtzen, welche ich an meinen rechtſchaff- nen Bispink ſchickte, und welche er unter den Materialien ſeiner eignen Lebensgeſchichte, nebſt den Bahrdtianis, unter der Ueberſchrift: Laucar- diana noch aufhebt. Es iſt eine herzerquickende Sache, etwas aufs Papier zu ſetzen, was ein uns theurer abweſender Freund leſen wird; und ein noch groͤßeres Vergnuͤgen iſt es, es dereinſt, nach uͤberſtandenen tauſend Gefahren, ſelbſt wieder zu leſen. — Fuͤr meine Leſerey ſorgte Hr. Factor Ruff: er gab mir Buͤcher, ſo gut er ſie hatte — und er hatte recht gute —. Auch borgte er fuͤr mich einige, welche er nicht hatte, z. B. David Hume's Geſchichte von England. Die- ſes koſtbare Werk habe ich den Winter uͤber fleißig geleſen, und nicht wenig geſcheides daraus gelernet. Darf ich hier eine Anmerkung machen, Leſer, uͤber das Lernen aus der Geſchichte?
Man arbeitet heut zu Tage an hiſtoriſchen Sy- ſtemen, und unter andern an einem, welches von dem Gedanken ausgeht: daß das Menſchenge- ſchlecht immer und immer in ſeiner Kultur und Verbeſſerung vorwaͤrts ſchreite, u. ſ. w. Die- ſes hat beſonders der franzoͤſiſche Buͤrger Coudor- cet zu behaupten und zu beweiſen geſucht, und nach Kants Idee unter den Deutſchen zu gleicher Zeit
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war Leſen und Schreiben: lezteres beſtand in aller-
hand Aufſaͤtzen, welche ich an meinen rechtſchaff-
nen Bispink ſchickte, und welche er unter den
Materialien ſeiner eignen Lebensgeſchichte, nebſt
den Bahrdtianis, unter der Ueberſchrift: Laucar-
diana noch aufhebt. Es iſt eine herzerquickende
Sache, etwas aufs Papier zu ſetzen, was ein uns
theurer abweſender Freund leſen wird; und ein
noch groͤßeres Vergnuͤgen iſt es, es dereinſt, nach
uͤberſtandenen tauſend Gefahren, ſelbſt wieder zu
leſen. — Fuͤr meine Leſerey ſorgte Hr. Factor
Ruff: er gab mir Buͤcher, ſo gut er ſie hatte —
und er hatte recht gute —. Auch borgte er fuͤr
mich einige, welche er nicht hatte, z. B. David
Hume's Geſchichte von England. Die-
ſes koſtbare Werk habe ich den Winter uͤber fleißig
geleſen, und nicht wenig geſcheides daraus gelernet.
Darf ich hier eine Anmerkung machen, Leſer, uͤber
das Lernen aus der Geſchichte?
Man arbeitet heut zu Tage an hiſtoriſchen Sy-
ſtemen, und unter andern an einem, welches von
dem Gedanken ausgeht: daß das Menſchenge-
ſchlecht immer und immer in ſeiner Kultur
und Verbeſſerung vorwaͤrts ſchreite, u. ſ. w. Die-
ſes hat beſonders der franzoͤſiſche Buͤrger Coudor-
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/327>, abgerufen am 22.11.2024.
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