Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

ihn wieder zu sehen, und doch hielt er Wort: ich
hatte aber die Anstalt getroffen, daß man in mei-
nem Zelte sagen mußte, ich schliefe, und dürfte
jezt nicht geweckt werden. Er mogte merken,
daß dieses absichtlich gesagt wurde, und führte sich
ab. Nach dieser Zeit habe ich nichts mehr von ihm
gehört. Auch meine gute Mutter, die mich bald
hernach auch im Lager bey Maynz besuchte, er-
wähnte seiner mit keinem Worte: Sie wußte unser
Verhältniß. -- Es ist sehr traurig für mich, daß
ich so isolirt in der Welt seyn muß! Doch
Tu ne cede inalis, sed contra audentior ito!
Ist gleich meine ganze Verwandtschaft, so zu
sagen, für mich wie todt, so giebt es doch noch
Männer, die es schmerzt, wenn mir es übel geht,
und die sich mehr als brüderlich freuen würden,
wenn wahres dauerhaftes Glück für mich noch mög-
lich wäre. Das aber ist immer Trost für mich,
und erleichtert mir die kummervollen Augenblicke,
welche mir die Betrachtung meiner Schicksale und
meiner verdüsternden Verirrungen verursacht, und
welche weit häufiger seyn würden, wenn ich nicht
mit Fleiß, und so gut es gehen will, alle, leider,
nichts fruchtende Betrachtungen entfernte, wodurch
die Seele nur kränker wird. Ich habe durch vieler-
ley Zufälle, die mich betroffen haben, und in sehr

Dritter Theil. Aa

ihn wieder zu ſehen, und doch hielt er Wort: ich
hatte aber die Anſtalt getroffen, daß man in mei-
nem Zelte ſagen mußte, ich ſchliefe, und duͤrfte
jezt nicht geweckt werden. Er mogte merken,
daß dieſes abſichtlich geſagt wurde, und fuͤhrte ſich
ab. Nach dieſer Zeit habe ich nichts mehr von ihm
gehoͤrt. Auch meine gute Mutter, die mich bald
hernach auch im Lager bey Maynz beſuchte, er-
waͤhnte ſeiner mit keinem Worte: Sie wußte unſer
Verhaͤltniß. — Es iſt ſehr traurig fuͤr mich, daß
ich ſo iſolirt in der Welt ſeyn muß! Doch
Tu ne cede inalis, ſed contra audentior ito!
Iſt gleich meine ganze Verwandtſchaft, ſo zu
ſagen, fuͤr mich wie todt, ſo giebt es doch noch
Maͤnner, die es ſchmerzt, wenn mir es uͤbel geht,
und die ſich mehr als bruͤderlich freuen wuͤrden,
wenn wahres dauerhaftes Gluͤck fuͤr mich noch moͤg-
lich waͤre. Das aber iſt immer Troſt fuͤr mich,
und erleichtert mir die kummervollen Augenblicke,
welche mir die Betrachtung meiner Schickſale und
meiner verduͤſternden Verirrungen verurſacht, und
welche weit haͤufiger ſeyn wuͤrden, wenn ich nicht
mit Fleiß, und ſo gut es gehen will, alle, leider,
nichts fruchtende Betrachtungen entfernte, wodurch
die Seele nur kraͤnker wird. Ich habe durch vieler-
ley Zufaͤlle, die mich betroffen haben, und in ſehr

Dritter Theil. Aa
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0381" n="369"/>
ihn wieder zu &#x017F;ehen, und doch hielt er Wort: ich<lb/>
hatte aber die An&#x017F;talt getroffen, daß man in mei-<lb/>
nem Zelte &#x017F;agen mußte, ich &#x017F;chliefe, und du&#x0364;rfte<lb/>
jezt nicht geweckt werden. Er mogte merken,<lb/>
daß die&#x017F;es ab&#x017F;ichtlich ge&#x017F;agt wurde, und fu&#x0364;hrte &#x017F;ich<lb/>
ab. Nach die&#x017F;er Zeit habe ich nichts mehr von ihm<lb/>
geho&#x0364;rt. Auch meine gute Mutter, die mich bald<lb/>
hernach auch im Lager bey Maynz be&#x017F;uchte, er-<lb/>
wa&#x0364;hnte &#x017F;einer mit keinem Worte: Sie wußte un&#x017F;er<lb/>
Verha&#x0364;ltniß. &#x2014; Es i&#x017F;t &#x017F;ehr traurig fu&#x0364;r mich, daß<lb/>
ich &#x017F;o i&#x017F;olirt in der Welt &#x017F;eyn muß! Doch<lb/><hi rendition="#et"><hi rendition="#aq">Tu ne cede inalis, &#x017F;ed contra audentior ito!</hi></hi><lb/>
I&#x017F;t gleich meine ganze Verwandt&#x017F;chaft, &#x017F;o zu<lb/>
&#x017F;agen, fu&#x0364;r mich wie todt, &#x017F;o giebt es doch noch<lb/>
Ma&#x0364;nner, die es &#x017F;chmerzt, wenn mir es u&#x0364;bel geht,<lb/>
und die &#x017F;ich mehr als bru&#x0364;derlich freuen wu&#x0364;rden,<lb/>
wenn wahres dauerhaftes Glu&#x0364;ck fu&#x0364;r mich noch mo&#x0364;g-<lb/>
lich wa&#x0364;re. Das aber i&#x017F;t immer Tro&#x017F;t fu&#x0364;r mich,<lb/>
und erleichtert mir die kummervollen Augenblicke,<lb/>
welche mir die Betrachtung meiner Schick&#x017F;ale und<lb/>
meiner verdu&#x0364;&#x017F;ternden Verirrungen verur&#x017F;acht, und<lb/>
welche weit ha&#x0364;ufiger &#x017F;eyn wu&#x0364;rden, wenn ich nicht<lb/>
mit Fleiß, und &#x017F;o gut es gehen will, alle, leider,<lb/>
nichts fruchtende Betrachtungen entfernte, wodurch<lb/>
die Seele nur kra&#x0364;nker wird. Ich habe durch vieler-<lb/>
ley Zufa&#x0364;lle, die mich betroffen haben, und in &#x017F;ehr<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Dritter Theil. Aa</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[369/0381] ihn wieder zu ſehen, und doch hielt er Wort: ich hatte aber die Anſtalt getroffen, daß man in mei- nem Zelte ſagen mußte, ich ſchliefe, und duͤrfte jezt nicht geweckt werden. Er mogte merken, daß dieſes abſichtlich geſagt wurde, und fuͤhrte ſich ab. Nach dieſer Zeit habe ich nichts mehr von ihm gehoͤrt. Auch meine gute Mutter, die mich bald hernach auch im Lager bey Maynz beſuchte, er- waͤhnte ſeiner mit keinem Worte: Sie wußte unſer Verhaͤltniß. — Es iſt ſehr traurig fuͤr mich, daß ich ſo iſolirt in der Welt ſeyn muß! Doch Tu ne cede inalis, ſed contra audentior ito! Iſt gleich meine ganze Verwandtſchaft, ſo zu ſagen, fuͤr mich wie todt, ſo giebt es doch noch Maͤnner, die es ſchmerzt, wenn mir es uͤbel geht, und die ſich mehr als bruͤderlich freuen wuͤrden, wenn wahres dauerhaftes Gluͤck fuͤr mich noch moͤg- lich waͤre. Das aber iſt immer Troſt fuͤr mich, und erleichtert mir die kummervollen Augenblicke, welche mir die Betrachtung meiner Schickſale und meiner verduͤſternden Verirrungen verurſacht, und welche weit haͤufiger ſeyn wuͤrden, wenn ich nicht mit Fleiß, und ſo gut es gehen will, alle, leider, nichts fruchtende Betrachtungen entfernte, wodurch die Seele nur kraͤnker wird. Ich habe durch vieler- ley Zufaͤlle, die mich betroffen haben, und in ſehr Dritter Theil. Aa

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/381
Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/381>, abgerufen am 13.06.2024.