rere Offiziere wurden gefangen. Die Franzosen behandelten alle recht artig, nahmen ihnen nichts, als ihre Waffen, ließen aber den Offizieren die Degen, und nachdem sie alle gut bewirthet hatten, brachten sie dieselben den andern Tag wieder zu den Preußen. Ein Offizier von uns wollte, daß man die französischen Soldaten, welche die gefangnen Preußen aus der Festung gebracht hatten, behal- ten und zu Kriegsgefangnen machen mögte: aber der brave General Kalkreuth widersezte sich die- sem undankbaren und äußerst unanständigen Vor- schlag.
Ehe ich meine Erzählung von der Maynzer Be- lagerung schließe, muß ich noch etwas von der Huren- wirthschaft im Lager anführen. Daß dahin von allen Orten her feile Dirnen heranschlichen, ver- steht sich von selbst: das ist in den Standlagern nicht anders. Schon zur Zeit des dreyßigjährigen Krieges sagte jemand:
Commoda germanis scortorum copia castris Praebet militibus gaudia clara piis.*)
*)Pius und dumm galt dem Dichter damals, in Beziehung auf die Deutschen, für eins. Er macht ihnen Vorwürfe, daß sie den damaligen Krieg gegen ihr eignes Interesse hätten füh- ren helfen, und sagt, um ihr inkonsistentes und passives We- sen bildlich zu rügen: Ducimur ut nervis alienis mobile lignum.
Dritter Theil. Bb
rere Offiziere wurden gefangen. Die Franzoſen behandelten alle recht artig, nahmen ihnen nichts, als ihre Waffen, ließen aber den Offizieren die Degen, und nachdem ſie alle gut bewirthet hatten, brachten ſie dieſelben den andern Tag wieder zu den Preußen. Ein Offizier von uns wollte, daß man die franzoͤſiſchen Soldaten, welche die gefangnen Preußen aus der Feſtung gebracht hatten, behal- ten und zu Kriegsgefangnen machen moͤgte: aber der brave General Kalkreuth widerſezte ſich die- ſem undankbaren und aͤußerſt unanſtaͤndigen Vor- ſchlag.
Ehe ich meine Erzaͤhlung von der Maynzer Be- lagerung ſchließe, muß ich noch etwas von der Huren- wirthſchaft im Lager anfuͤhren. Daß dahin von allen Orten her feile Dirnen heranſchlichen, ver- ſteht ſich von ſelbſt: das iſt in den Standlagern nicht anders. Schon zur Zeit des dreyßigjaͤhrigen Krieges ſagte jemand:
Commoda germanis ſcortorum copia caſtris Praebet militibus gaudia clara piis.*)
*)Pius und dumm galt dem Dichter damals, in Beziehung auf die Deutſchen, fuͤr eins. Er macht ihnen Vorwuͤrfe, daß ſie den damaligen Krieg gegen ihr eignes Intereſſe haͤtten fuͤh- ren helfen, und ſagt, um ihr inkonſiſtentes und paſſives We- ſen bildlich zu ruͤgen: Ducimur ut nervis alienis mobile lignum.
Dritter Theil. Bb
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rere Offiziere wurden gefangen. Die Franzoſen
behandelten alle recht artig, nahmen ihnen nichts,
als ihre Waffen, ließen aber den Offizieren die
Degen, und nachdem ſie alle gut bewirthet hatten,
brachten ſie dieſelben den andern Tag wieder zu den
Preußen. Ein Offizier von uns wollte, daß man
die franzoͤſiſchen Soldaten, welche die gefangnen
Preußen aus der Feſtung gebracht hatten, behal-
ten und zu Kriegsgefangnen machen moͤgte: aber
der brave General Kalkreuth widerſezte ſich die-
ſem undankbaren und aͤußerſt unanſtaͤndigen Vor-
ſchlag.
Ehe ich meine Erzaͤhlung von der Maynzer Be-
lagerung ſchließe, muß ich noch etwas von der Huren-
wirthſchaft im Lager anfuͤhren. Daß dahin von
allen Orten her feile Dirnen heranſchlichen, ver-
ſteht ſich von ſelbſt: das iſt in den Standlagern
nicht anders. Schon zur Zeit des dreyßigjaͤhrigen
Krieges ſagte jemand:
Commoda germanis ſcortorum copia caſtris
Praebet militibus gaudia clara piis. *)
*) Pius und dumm galt dem Dichter damals, in Beziehung
auf die Deutſchen, fuͤr eins. Er macht ihnen Vorwuͤrfe, daß
ſie den damaligen Krieg gegen ihr eignes Intereſſe haͤtten fuͤh-
ren helfen, und ſagt, um ihr inkonſiſtentes und paſſives We-
ſen bildlich zu ruͤgen:
Ducimur ut nervis alienis mobile lignum.
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/397>, abgerufen am 22.11.2024.
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