noch Schulden. Und wenn die gemeine Klasse der Nationen nur erst ihr Vorurtheil, ich meyne die blinde Ehrfurcht für Pfaffen und Adel, ablegt: dann kann sich der Pfaffe und der Edelmann nicht mehr stützen: er fällt von selbst: er kann höchstens emigriren, kabaliren und Spektakel machen; aber thätig sich und Andern helfen -- kann er nicht. Der Herzog konnte also nur hoffen, daß der kleinste Theil der Nation auf seine Seite treten würde: den mäch- tigern Theil behielt er immer wider sich. Also war es immer sehr unklug, auch unter dieser Vor- aussetzung, ein Manifest nach Frankreich zu schicken, zumal ein solches. --
So Bürger Brion in Landau. Einige von uns sprachen schon damals in Koblenz nicht anders. Viele fanden den Ton darin zu derbe, und die Aeu- ßerungen des Verfassers zu voreilig.
Uebrigens ist noch nicht ausgemacht, wer der ei- gentliche Verfasser davon sey. Der Ton und die Denkungsart des Calonne ist mehr als zu sicht- bar darin. Was für Meynungen über die Entste- hung und die Absicht dieser berüchtigten Schrift, noch zu meiner Zeit, in Frankreich kursirten, werde ich an Ort und Stelle anbringen. Der Gang der Zeit wird noch mehr darüber aufhellen. Bis dahin bleibt es auf Rechnung des Herzogs von Braun- schweig. Ein Fürst von so viel Einsicht und Ruh-
noch Schulden. Und wenn die gemeine Klaſſe der Nationen nur erſt ihr Vorurtheil, ich meyne die blinde Ehrfurcht fuͤr Pfaffen und Adel, ablegt: dann kann ſich der Pfaffe und der Edelmann nicht mehr ſtuͤtzen: er faͤllt von ſelbſt: er kann hoͤchſtens emigriren, kabaliren und Spektakel machen; aber thaͤtig ſich und Andern helfen — kann er nicht. Der Herzog konnte alſo nur hoffen, daß der kleinſte Theil der Nation auf ſeine Seite treten wuͤrde: den maͤch- tigern Theil behielt er immer wider ſich. Alſo war es immer ſehr unklug, auch unter dieſer Vor- ausſetzung, ein Manifeſt nach Frankreich zu ſchicken, zumal ein ſolches. —
So Buͤrger Brion in Landau. Einige von uns ſprachen ſchon damals in Koblenz nicht anders. Viele fanden den Ton darin zu derbe, und die Aeu- ßerungen des Verfaſſers zu voreilig.
Uebrigens iſt noch nicht ausgemacht, wer der ei- gentliche Verfaſſer davon ſey. Der Ton und die Denkungsart des Calonne iſt mehr als zu ſicht- bar darin. Was fuͤr Meynungen uͤber die Entſte- hung und die Abſicht dieſer beruͤchtigten Schrift, noch zu meiner Zeit, in Frankreich kurſirten, werde ich an Ort und Stelle anbringen. Der Gang der Zeit wird noch mehr daruͤber aufhellen. Bis dahin bleibt es auf Rechnung des Herzogs von Braun- ſchweig. Ein Fuͤrſt von ſo viel Einſicht und Ruh-
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noch Schulden. Und wenn die gemeine Klaſſe der
Nationen nur erſt ihr Vorurtheil, ich meyne die blinde
Ehrfurcht fuͤr Pfaffen und Adel, ablegt: dann kann
ſich der Pfaffe und der Edelmann nicht mehr ſtuͤtzen:
er faͤllt von ſelbſt: er kann hoͤchſtens emigriren,
kabaliren und Spektakel machen; aber thaͤtig ſich
und Andern helfen — kann er nicht. Der Herzog
konnte alſo nur hoffen, daß der kleinſte Theil der
Nation auf ſeine Seite treten wuͤrde: den maͤch-
tigern Theil behielt er immer wider ſich. Alſo
war es immer ſehr unklug, auch unter dieſer Vor-
ausſetzung, ein Manifeſt nach Frankreich zu ſchicken,
zumal ein ſolches. —
So Buͤrger Brion in Landau. Einige von
uns ſprachen ſchon damals in Koblenz nicht anders.
Viele fanden den Ton darin zu derbe, und die Aeu-
ßerungen des Verfaſſers zu voreilig.
Uebrigens iſt noch nicht ausgemacht, wer der ei-
gentliche Verfaſſer davon ſey. Der Ton und die
Denkungsart des Calonne iſt mehr als zu ſicht-
bar darin. Was fuͤr Meynungen uͤber die Entſte-
hung und die Abſicht dieſer beruͤchtigten Schrift,
noch zu meiner Zeit, in Frankreich kurſirten, werde
ich an Ort und Stelle anbringen. Der Gang der
Zeit wird noch mehr daruͤber aufhellen. Bis dahin
bleibt es auf Rechnung des Herzogs von Braun-
ſchweig. Ein Fuͤrſt von ſo viel Einſicht und Ruh-
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/40>, abgerufen am 21.11.2024.
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