Anhang des Königs und des Adels gerechnet, und so gehofft habe, es werde ihm alles zurennen, sobald er sich ihnen nur nähere. Aber wenn er dieses wirk- lich gedacht hat, so war er von der innern Be- schaffenheit Frankreichs und von dem regen und allgemeinen Willen des größten Theils der Nation sehr schlecht unterrichtet. Niemand war mit der Neuerung unzufrieden, als der Hof, der Adel, die Pfaffen und die Finanziers: alle andere Franzosen, der Soldat, der Bauer, der Bürger, der Hand- werker und selbst der Kaufmann größtentheils wünschten die Revolution, und sahen in derselben die wohlthätigste Anstalt für sich und für ihr Va- terland. Was ist aber der ganze Adel --
Ich: der Adel ist die Stütze des Staats!
Brion: Der Adel Stütze des Staats? dann müßte wohl auch ein Professor, der keine Kollegia ließt, Stütze der Universität seyn! Nein, nur der einsichtige und fleißige Bürger ist dem Staate nütz- lich, und folglich dessen Stütze. Einsichtig und nützlich sind aber die Herren Adliche selten. Die meisten von ihnen leben bloß von dem Erwerb der arbeitenden Klasse, und tragen zum gemeinen Be- sten großentheils nicht einer Bohne werth bey. Ohne sie also kann der Staat recht gut bestehen; aber nicht ohne den Bürger und Bauer; ja, was diese verdienen, verzehren jene, und machen obendrein
Anhang des Koͤnigs und des Adels gerechnet, und ſo gehofft habe, es werde ihm alles zurennen, ſobald er ſich ihnen nur naͤhere. Aber wenn er dieſes wirk- lich gedacht hat, ſo war er von der innern Be- ſchaffenheit Frankreichs und von dem regen und allgemeinen Willen des groͤßten Theils der Nation ſehr ſchlecht unterrichtet. Niemand war mit der Neuerung unzufrieden, als der Hof, der Adel, die Pfaffen und die Finanziers: alle andere Franzoſen, der Soldat, der Bauer, der Buͤrger, der Hand- werker und ſelbſt der Kaufmann groͤßtentheils wuͤnſchten die Revolution, und ſahen in derſelben die wohlthaͤtigſte Anſtalt fuͤr ſich und fuͤr ihr Va- terland. Was iſt aber der ganze Adel —
Ich: der Adel iſt die Stuͤtze des Staats!
Brion: Der Adel Stuͤtze des Staats? dann muͤßte wohl auch ein Profeſſor, der keine Kollegia ließt, Stuͤtze der Univerſitaͤt ſeyn! Nein, nur der einſichtige und fleißige Buͤrger iſt dem Staate nuͤtz- lich, und folglich deſſen Stuͤtze. Einſichtig und nuͤtzlich ſind aber die Herren Adliche ſelten. Die meiſten von ihnen leben bloß von dem Erwerb der arbeitenden Klaſſe, und tragen zum gemeinen Be- ſten großentheils nicht einer Bohne werth bey. Ohne ſie alſo kann der Staat recht gut beſtehen; aber nicht ohne den Buͤrger und Bauer; ja, was dieſe verdienen, verzehren jene, und machen obendrein
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0039"n="27"/>
Anhang des Koͤnigs und des Adels gerechnet, und<lb/>ſo gehofft habe, es werde ihm alles zurennen, ſobald<lb/>
er ſich ihnen nur naͤhere. Aber wenn er dieſes wirk-<lb/>
lich gedacht hat, ſo war er von der innern Be-<lb/>ſchaffenheit Frankreichs und von dem regen und<lb/>
allgemeinen Willen des groͤßten Theils der Nation<lb/>ſehr ſchlecht unterrichtet. Niemand war mit der<lb/>
Neuerung unzufrieden, als der Hof, der Adel, die<lb/>
Pfaffen und die Finanziers: alle andere Franzoſen,<lb/>
der Soldat, der Bauer, der Buͤrger, der Hand-<lb/>
werker und ſelbſt der Kaufmann groͤßtentheils<lb/>
wuͤnſchten die Revolution, und ſahen in derſelben<lb/>
die wohlthaͤtigſte Anſtalt fuͤr ſich und fuͤr ihr Va-<lb/>
terland. Was iſt aber der ganze Adel —</p><lb/><p><hirendition="#g">Ich</hi>: der Adel iſt die Stuͤtze des Staats!</p><lb/><p><hirendition="#g">Brion</hi>: Der Adel Stuͤtze des Staats? dann<lb/>
muͤßte wohl auch ein Profeſſor, der keine Kollegia<lb/>
ließt, Stuͤtze der Univerſitaͤt ſeyn! Nein, nur der<lb/>
einſichtige und fleißige Buͤrger iſt dem Staate nuͤtz-<lb/>
lich, und folglich deſſen Stuͤtze. Einſichtig und<lb/>
nuͤtzlich ſind aber die Herren Adliche ſelten. Die<lb/>
meiſten von ihnen leben bloß von dem Erwerb der<lb/>
arbeitenden Klaſſe, und tragen zum gemeinen Be-<lb/>ſten großentheils nicht einer Bohne werth bey. Ohne<lb/>ſie alſo kann der Staat recht gut beſtehen; aber<lb/>
nicht ohne den Buͤrger und Bauer; ja, was dieſe<lb/>
verdienen, verzehren jene, und machen obendrein<lb/></p></div></body></text></TEI>
[27/0039]
Anhang des Koͤnigs und des Adels gerechnet, und
ſo gehofft habe, es werde ihm alles zurennen, ſobald
er ſich ihnen nur naͤhere. Aber wenn er dieſes wirk-
lich gedacht hat, ſo war er von der innern Be-
ſchaffenheit Frankreichs und von dem regen und
allgemeinen Willen des groͤßten Theils der Nation
ſehr ſchlecht unterrichtet. Niemand war mit der
Neuerung unzufrieden, als der Hof, der Adel, die
Pfaffen und die Finanziers: alle andere Franzoſen,
der Soldat, der Bauer, der Buͤrger, der Hand-
werker und ſelbſt der Kaufmann groͤßtentheils
wuͤnſchten die Revolution, und ſahen in derſelben
die wohlthaͤtigſte Anſtalt fuͤr ſich und fuͤr ihr Va-
terland. Was iſt aber der ganze Adel —
Ich: der Adel iſt die Stuͤtze des Staats!
Brion: Der Adel Stuͤtze des Staats? dann
muͤßte wohl auch ein Profeſſor, der keine Kollegia
ließt, Stuͤtze der Univerſitaͤt ſeyn! Nein, nur der
einſichtige und fleißige Buͤrger iſt dem Staate nuͤtz-
lich, und folglich deſſen Stuͤtze. Einſichtig und
nuͤtzlich ſind aber die Herren Adliche ſelten. Die
meiſten von ihnen leben bloß von dem Erwerb der
arbeitenden Klaſſe, und tragen zum gemeinen Be-
ſten großentheils nicht einer Bohne werth bey. Ohne
ſie alſo kann der Staat recht gut beſtehen; aber
nicht ohne den Buͤrger und Bauer; ja, was dieſe
verdienen, verzehren jene, und machen obendrein
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/39>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.