benswürdigen Geistlichen. Als ich wieder in mein Quartier zum Juden kam, hörte ich, daß ein Mädchen schon zweymal da gewesen wäre, welches mich in den Ochsen hätte rufen sollen, wo ein Herr mit mir zu sprechen wünschte. Ich lief hin, und fand in der obern Stube -- meine mir ewig theure Therese! Das edelmüthige Mädchen war allein; sie kam mir entgegen, und nahm mich bey der Hand. Ich konnte kein Wort herausbringen. Gott, sagte sie endlich, was habe ich Ihnen gethan, daß sie, in Ihrer Lebensgeschichte, mich und meine Schwachheit gegen Sie, der Welt so öffentlich be- kannt gemacht haben? Habe ich, hat meine Liebe das um Sie verdient?
Ich: Sie sind ja nicht mit Namen genennt!
Therese: Was thut mein Familien-Name zur Sache! Sie hätten mich jezt immer auch nen- nen können: Jedermann weiß doch, wen Sie mit Theresen meynen! Ihr Buch ist hier in jedermans Händen, und wohin ich komme, ließt man mir die Stellen über mich daraus vor. Doch, was hilfts! ich habe Ihnen vergeben.
Ich: Gute, edle Therese!
Therese: Sie sind unglücklich, aber wahr- lich nicht durch meine Schuld: wenn ich Sie hätte glücklich machen können: Sie wären es gewiß;
benswuͤrdigen Geiſtlichen. Als ich wieder in mein Quartier zum Juden kam, hoͤrte ich, daß ein Maͤdchen ſchon zweymal da geweſen waͤre, welches mich in den Ochſen haͤtte rufen ſollen, wo ein Herr mit mir zu ſprechen wuͤnſchte. Ich lief hin, und fand in der obern Stube — meine mir ewig theure Thereſe! Das edelmuͤthige Maͤdchen war allein; ſie kam mir entgegen, und nahm mich bey der Hand. Ich konnte kein Wort herausbringen. Gott, ſagte ſie endlich, was habe ich Ihnen gethan, daß ſie, in Ihrer Lebensgeſchichte, mich und meine Schwachheit gegen Sie, der Welt ſo oͤffentlich be- kannt gemacht haben? Habe ich, hat meine Liebe das um Sie verdient?
Ich: Sie ſind ja nicht mit Namen genennt!
Thereſe: Was thut mein Familien-Name zur Sache! Sie haͤtten mich jezt immer auch nen- nen koͤnnen: Jedermann weiß doch, wen Sie mit Thereſen meynen! Ihr Buch iſt hier in jedermans Haͤnden, und wohin ich komme, ließt man mir die Stellen uͤber mich daraus vor. Doch, was hilfts! ich habe Ihnen vergeben.
Ich: Gute, edle Thereſe!
Thereſe: Sie ſind ungluͤcklich, aber wahr- lich nicht durch meine Schuld: wenn ich Sie haͤtte gluͤcklich machen koͤnnen: Sie waͤren es gewiß;
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benswuͤrdigen Geiſtlichen. Als ich wieder in mein
Quartier zum Juden kam, hoͤrte ich, daß ein
Maͤdchen ſchon zweymal da geweſen waͤre, welches
mich in den Ochſen haͤtte rufen ſollen, wo ein Herr
mit mir zu ſprechen wuͤnſchte. Ich lief hin, und
fand in der obern Stube — meine mir ewig theure
Thereſe! Das edelmuͤthige Maͤdchen war allein;
ſie kam mir entgegen, und nahm mich bey der
Hand. Ich konnte kein Wort herausbringen. Gott,
ſagte ſie endlich, was habe ich Ihnen gethan, daß
ſie, in Ihrer Lebensgeſchichte, mich und meine
Schwachheit gegen Sie, der Welt ſo oͤffentlich be-
kannt gemacht haben? Habe ich, hat meine Liebe
das um Sie verdient?
Ich: Sie ſind ja nicht mit Namen genennt!
Thereſe: Was thut mein Familien-Name
zur Sache! Sie haͤtten mich jezt immer auch nen-
nen koͤnnen: Jedermann weiß doch, wen Sie mit
Thereſen meynen! Ihr Buch iſt hier in jedermans
Haͤnden, und wohin ich komme, ließt man mir
die Stellen uͤber mich daraus vor. Doch, was hilfts!
ich habe Ihnen vergeben.
Ich: Gute, edle Thereſe!
Thereſe: Sie ſind ungluͤcklich, aber wahr-
lich nicht durch meine Schuld: wenn ich Sie haͤtte
gluͤcklich machen koͤnnen: Sie waͤren es gewiß;
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 425. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/437>, abgerufen am 22.11.2024.
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