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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796.

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aber ach, Sie haben Sich und mich auf immer
unglücklich gemacht!

Nein, ich kann, ich will diesen Punkt nicht wei-
ter berühren: Er zerreißt! -- Thereschen war
immer noch, wie ehedem, im Jahr 1775, das gut-
müthige, treuherzige, sanfte Mädchen. Ihr Ge-
sicht war nicht viel verändert, doch waren die Züge
auf demselben schwermüthiger, und die Farbe et-
was blässer. Sie wohnte damals noch in ihrem
Geburtsorte. Ihr Vater, der redliche Amtmann,
war längst gestorben, und nach dessen Tode hatte
sie manche Freier gehabt, wie ich von andern hörte
-- Thereschen selbst rühmte sich der Freiereyen nie-
mals -- hatte sie aber alle abgewiesen. Warum?
Das weiß ich nicht. Genug von der Unvergeß-
lichen! --

Gegen Abend besuchte mich auch meine alte
Tante, mit welcher ich aber nicht viel sprechen
konnte, weil wir bald marschieren mußten.

Im Wirthshause zu Alzey hörte ich viele scan-
dalöse Histörchen von dem geheimen Rath von Koch,
sonst genannt der große Mogul, und von seinem
Schwager, dem R. Rath Schlemmer. Solche
Leute muß man in einem Lande anstellen, wie
Koch und Schlemmer in Alzey, Schweikart
in Kreuznach, Albertino in Bacharach, Fa-
bel in Grehweiler, Vola in Flonheim, und wie

aber ach, Sie haben Sich und mich auf immer
ungluͤcklich gemacht!

Nein, ich kann, ich will dieſen Punkt nicht wei-
ter beruͤhren: Er zerreißt! — Thereschen war
immer noch, wie ehedem, im Jahr 1775, das gut-
muͤthige, treuherzige, ſanfte Maͤdchen. Ihr Ge-
ſicht war nicht viel veraͤndert, doch waren die Zuͤge
auf demſelben ſchwermuͤthiger, und die Farbe et-
was blaͤſſer. Sie wohnte damals noch in ihrem
Geburtsorte. Ihr Vater, der redliche Amtmann,
war laͤngſt geſtorben, und nach deſſen Tode hatte
ſie manche Freier gehabt, wie ich von andern hoͤrte
— Thereschen ſelbſt ruͤhmte ſich der Freiereyen nie-
mals — hatte ſie aber alle abgewieſen. Warum?
Das weiß ich nicht. Genug von der Unvergeß-
lichen! —

Gegen Abend beſuchte mich auch meine alte
Tante, mit welcher ich aber nicht viel ſprechen
konnte, weil wir bald marſchieren mußten.

Im Wirthshauſe zu Alzey hoͤrte ich viele ſcan-
daloͤſe Hiſtoͤrchen von dem geheimen Rath von Koch,
ſonſt genannt der große Mogul, und von ſeinem
Schwager, dem R. Rath Schlemmer. Solche
Leute muß man in einem Lande anſtellen, wie
Koch und Schlemmer in Alzey, Schweikart
in Kreuznach, Albertino in Bacharach, Fa-
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[426/0438] aber ach, Sie haben Sich und mich auf immer ungluͤcklich gemacht! Nein, ich kann, ich will dieſen Punkt nicht wei- ter beruͤhren: Er zerreißt! — Thereschen war immer noch, wie ehedem, im Jahr 1775, das gut- muͤthige, treuherzige, ſanfte Maͤdchen. Ihr Ge- ſicht war nicht viel veraͤndert, doch waren die Zuͤge auf demſelben ſchwermuͤthiger, und die Farbe et- was blaͤſſer. Sie wohnte damals noch in ihrem Geburtsorte. Ihr Vater, der redliche Amtmann, war laͤngſt geſtorben, und nach deſſen Tode hatte ſie manche Freier gehabt, wie ich von andern hoͤrte — Thereschen ſelbſt ruͤhmte ſich der Freiereyen nie- mals — hatte ſie aber alle abgewieſen. Warum? Das weiß ich nicht. Genug von der Unvergeß- lichen! — Gegen Abend beſuchte mich auch meine alte Tante, mit welcher ich aber nicht viel ſprechen konnte, weil wir bald marſchieren mußten. Im Wirthshauſe zu Alzey hoͤrte ich viele ſcan- daloͤſe Hiſtoͤrchen von dem geheimen Rath von Koch, ſonſt genannt der große Mogul, und von ſeinem Schwager, dem R. Rath Schlemmer. Solche Leute muß man in einem Lande anſtellen, wie Koch und Schlemmer in Alzey, Schweikart in Kreuznach, Albertino in Bacharach, Fa- bel in Grehweiler, Vola in Flonheim, und wie

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 426. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/438>, abgerufen am 21.11.2024.