das juristische Gesindel in der Pfalz, dort überm Rhein, mehr heißt, wenn man Volksaufstand be- fördern will. Dergleichen Schufte können den Unterthanen alle Liebe zu ihrer Herrschaft und ihren Beamten fein hübsch beybringen. Die Leute in der Pfalz räsonnirten entsetzlich, und lobten bey- nahe öffentlich das Revolutionssystem der Franzo- sen. Daher sahen auch die Preußen alle Pfälzer für Patrioten an; aber die guten Preußen wußten nicht, wo der Schuh die armen Pfälzer drückte: und hienach hätten sie sich doch erkundigen sollen, ehe sie zugriffen, schlugen und plünderten. -- Gebe nur der Himmel, daß die Neufränkische Ver- fassung auch auf die gute Pfalz einen guten Einfluß haben möge! Und wenn nur die Justizverwaltung besser, die Duldung gemeiner, und Tyranney der Minister, der Pfaffen und des Adels zerstört wird, so ist das reichlicher Ersatz für all das Unglück und den Schaden, den die Franzosen zur Wieder- vergeltung -- dem Lande zufügten. Herr Pastor Braun ist hier gewiß meiner Meynung.
Wir brachen, wie gesagt, auch hier des Abends auf und marschierten in der Nacht. Unser Batail- lon kam nach Kerzernheim, wo der Geistliche Herr mein Vetter ist. Sein Hauslehrer war ein Can- didat, zu Tübingen im Kloster erzogen, der mich wegen der Ketzereyen in meiner Lebensgeschichte
das juriſtiſche Geſindel in der Pfalz, dort uͤberm Rhein, mehr heißt, wenn man Volksaufſtand be- foͤrdern will. Dergleichen Schufte koͤnnen den Unterthanen alle Liebe zu ihrer Herrſchaft und ihren Beamten fein huͤbſch beybringen. Die Leute in der Pfalz raͤſonnirten entſetzlich, und lobten bey- nahe oͤffentlich das Revolutionsſyſtem der Franzo- ſen. Daher ſahen auch die Preußen alle Pfaͤlzer fuͤr Patrioten an; aber die guten Preußen wußten nicht, wo der Schuh die armen Pfaͤlzer druͤckte: und hienach haͤtten ſie ſich doch erkundigen ſollen, ehe ſie zugriffen, ſchlugen und pluͤnderten. — Gebe nur der Himmel, daß die Neufraͤnkiſche Ver- faſſung auch auf die gute Pfalz einen guten Einfluß haben moͤge! Und wenn nur die Juſtizverwaltung beſſer, die Duldung gemeiner, und Tyranney der Miniſter, der Pfaffen und des Adels zerſtoͤrt wird, ſo iſt das reichlicher Erſatz fuͤr all das Ungluͤck und den Schaden, den die Franzoſen zur Wieder- vergeltung — dem Lande zufuͤgten. Herr Paſtor Braun iſt hier gewiß meiner Meynung.
Wir brachen, wie geſagt, auch hier des Abends auf und marſchierten in der Nacht. Unſer Batail- lon kam nach Kerzernheim, wo der Geiſtliche Herr mein Vetter iſt. Sein Hauslehrer war ein Can- didat, zu Tuͤbingen im Kloſter erzogen, der mich wegen der Ketzereyen in meiner Lebensgeſchichte
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das juriſtiſche Geſindel in der Pfalz, dort uͤberm
Rhein, mehr heißt, wenn man Volksaufſtand be-
foͤrdern will. Dergleichen Schufte koͤnnen den
Unterthanen alle Liebe zu ihrer Herrſchaft und ihren
Beamten fein huͤbſch beybringen. Die Leute in
der Pfalz raͤſonnirten entſetzlich, und lobten bey-
nahe oͤffentlich das Revolutionsſyſtem der Franzo-
ſen. Daher ſahen auch die Preußen alle Pfaͤlzer
fuͤr Patrioten an; aber die guten Preußen wußten
nicht, wo der Schuh die armen Pfaͤlzer druͤckte:
und hienach haͤtten ſie ſich doch erkundigen ſollen,
ehe ſie zugriffen, ſchlugen und pluͤnderten. —
Gebe nur der Himmel, daß die Neufraͤnkiſche Ver-
faſſung auch auf die gute Pfalz einen guten Einfluß
haben moͤge! Und wenn nur die Juſtizverwaltung
beſſer, die Duldung gemeiner, und Tyranney der
Miniſter, der Pfaffen und des Adels zerſtoͤrt wird,
ſo iſt das reichlicher Erſatz fuͤr all das Ungluͤck
und den Schaden, den die Franzoſen zur Wieder-
vergeltung — dem Lande zufuͤgten. Herr Paſtor
Braun iſt hier gewiß meiner Meynung.
Wir brachen, wie geſagt, auch hier des Abends
auf und marſchierten in der Nacht. Unſer Batail-
lon kam nach Kerzernheim, wo der Geiſtliche Herr
mein Vetter iſt. Sein Hauslehrer war ein Can-
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 427. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/439>, abgerufen am 21.11.2024.
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