Nach acht Tagen veränderten wir das Kantonni- rungsquartier, und unser Bataillon kam nach Nie- derkirchen, einem Speierischen Dorfe, wo ich mein Lager bey einem Schuster bekam, welcher ein sehr possirlicher Mensch war. Seine Frau zankte und nörgelte den ganzen Tag, er aber lachte nur, wenn sie ihre Stimme fürbaß hören ließ. Darüber er- boßte das Weib gewöhnlich so sehr, daß sie dem guten Kerl in die Haare fiel. Geschah dieses, so packte er sie an, und führte sie, mir nichts dir nichts, ordentlich zur Hausthüre heraus, und schloß diese dann zu. "Warte Karnudi, du sollst nicht wieder 'rein!" war alles, was er hinzufügte. Darauf sezte er sich an seine Arbeit, und machte nicht eher auf, als bis die Tochter, ein Mädchen von 17 Jahren, ans Fenster kam und im Namen der Mutter Besserung und Gehorsam versprach. Das ging alle Tage so, und einigemal passirte es gar zu Mitternacht.
Von hier aus besuchte ich dann und wann den Pfarrer Leopold zu Ungstein. Dieser bekannte
Fuͤnf und dreyßigſtes Kapitel.
Niederkirchen. Maykammer.
Nach acht Tagen veraͤnderten wir das Kantonni- rungsquartier, und unſer Bataillon kam nach Nie- derkirchen, einem Speieriſchen Dorfe, wo ich mein Lager bey einem Schuſter bekam, welcher ein ſehr poſſirlicher Menſch war. Seine Frau zankte und noͤrgelte den ganzen Tag, er aber lachte nur, wenn ſie ihre Stimme fuͤrbaß hoͤren ließ. Daruͤber er- boßte das Weib gewoͤhnlich ſo ſehr, daß ſie dem guten Kerl in die Haare fiel. Geſchah dieſes, ſo packte er ſie an, und fuͤhrte ſie, mir nichts dir nichts, ordentlich zur Hausthuͤre heraus, und ſchloß dieſe dann zu. „Warte Karnudi, du ſollſt nicht wieder 'rein!“ war alles, was er hinzufuͤgte. Darauf ſezte er ſich an ſeine Arbeit, und machte nicht eher auf, als bis die Tochter, ein Maͤdchen von 17 Jahren, ans Fenſter kam und im Namen der Mutter Beſſerung und Gehorſam verſprach. Das ging alle Tage ſo, und einigemal paſſirte es gar zu Mitternacht.
Von hier aus beſuchte ich dann und wann den Pfarrer Leopold zu Ungſtein. Dieſer bekannte
<TEI><text><body><pbfacs="#f0448"n="436"/><divn="1"><head>Fuͤnf und dreyßigſtes Kapitel.</head><lb/><p><hirendition="#g">Niederkirchen</hi>. <hirendition="#g">Maykammer</hi>.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p><hirendition="#in">N</hi>ach acht Tagen veraͤnderten wir das Kantonni-<lb/>
rungsquartier, und unſer Bataillon kam nach Nie-<lb/>
derkirchen, einem Speieriſchen Dorfe, wo ich mein<lb/>
Lager bey einem Schuſter bekam, welcher ein ſehr<lb/>
poſſirlicher Menſch war. Seine Frau zankte und<lb/>
noͤrgelte den ganzen Tag, er aber lachte nur, wenn<lb/>ſie ihre Stimme fuͤrbaß hoͤren ließ. Daruͤber er-<lb/>
boßte das Weib gewoͤhnlich ſo ſehr, daß ſie dem<lb/>
guten Kerl in die Haare fiel. Geſchah dieſes, ſo<lb/>
packte er ſie an, und fuͤhrte ſie, mir nichts dir<lb/>
nichts, ordentlich zur Hausthuͤre heraus, und<lb/>ſchloß dieſe dann zu. „Warte Karnudi, du ſollſt<lb/>
nicht wieder 'rein!“ war alles, was er hinzufuͤgte.<lb/>
Darauf ſezte er ſich an ſeine Arbeit, und machte<lb/>
nicht eher auf, als bis die Tochter, ein Maͤdchen<lb/>
von 17 Jahren, ans Fenſter kam und im Namen der<lb/>
Mutter Beſſerung und Gehorſam verſprach. Das<lb/>
ging alle Tage ſo, und einigemal paſſirte es gar<lb/>
zu Mitternacht.</p><lb/><p>Von hier aus beſuchte ich dann und wann den<lb/>
Pfarrer <hirendition="#g">Leopold</hi> zu Ungſtein. Dieſer bekannte<lb/></p></div></body></text></TEI>
[436/0448]
Fuͤnf und dreyßigſtes Kapitel.
Niederkirchen. Maykammer.
Nach acht Tagen veraͤnderten wir das Kantonni-
rungsquartier, und unſer Bataillon kam nach Nie-
derkirchen, einem Speieriſchen Dorfe, wo ich mein
Lager bey einem Schuſter bekam, welcher ein ſehr
poſſirlicher Menſch war. Seine Frau zankte und
noͤrgelte den ganzen Tag, er aber lachte nur, wenn
ſie ihre Stimme fuͤrbaß hoͤren ließ. Daruͤber er-
boßte das Weib gewoͤhnlich ſo ſehr, daß ſie dem
guten Kerl in die Haare fiel. Geſchah dieſes, ſo
packte er ſie an, und fuͤhrte ſie, mir nichts dir
nichts, ordentlich zur Hausthuͤre heraus, und
ſchloß dieſe dann zu. „Warte Karnudi, du ſollſt
nicht wieder 'rein!“ war alles, was er hinzufuͤgte.
Darauf ſezte er ſich an ſeine Arbeit, und machte
nicht eher auf, als bis die Tochter, ein Maͤdchen
von 17 Jahren, ans Fenſter kam und im Namen der
Mutter Beſſerung und Gehorſam verſprach. Das
ging alle Tage ſo, und einigemal paſſirte es gar
zu Mitternacht.
Von hier aus beſuchte ich dann und wann den
Pfarrer Leopold zu Ungſtein. Dieſer bekannte
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 436. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/448>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.