Herrn von, dem Kloster, dem Prälaten, dem Pfaffen. u. s. f.
Nachdem ich diese Kundschaften eingezogen hatte, so fand ich einen neuen Grund, jenen er- wähnten Hauptsatz für wahr und richtig zu hal- ten: aber nicht allein ihn selbst, sondern auch sei- nen schlichtweg umgekehrten, nämlich: wo die Regierungsform schlecht und unzweckmäßig und für den Unterthanen drückend ist, da muß das fran- zösische System Beyfall finden. Warum z. B. ist man im Speierischen, das doch so erzkatholisch ist, so gut patriotisch, und warum ist man im Badi- schen, das protestantisch ist, mit der fürstlichen Re- gierung so zufrieden, daß man sich ganz und gar keine Veränderung wünschet?
Antwort: weil der Markgraf von Baden ein Fürst ist, der seine Unterthanen liebt, für ihr Wohl sorgt, und sie nicht aussaugt. Das ist das ganze Geheimniß, ein Geheimniß, das jeder Fürst praktikabel finden könnte, wenn er nur wollte, oder wenn das Interesse der politischen Unter-Vam- pyrs es nicht hinderte. -- Ich habe auf meiner Reise im Herbste 1795, in Durlach mit einigen Bürgern recht frey und unbefangen über die Ange- legenheiten der Zeit gesprochen, und nirgends hörte ich freyere Urtheile als da; und doch bezeigten alle, wie sie da waren, eine unerschütterliche Anhäng-
Herrn von, dem Kloſter, dem Praͤlaten, dem Pfaffen. u. ſ. f.
Nachdem ich dieſe Kundſchaften eingezogen hatte, ſo fand ich einen neuen Grund, jenen er- waͤhnten Hauptſatz fuͤr wahr und richtig zu hal- ten: aber nicht allein ihn ſelbſt, ſondern auch ſei- nen ſchlichtweg umgekehrten, naͤmlich: wo die Regierungsform ſchlecht und unzweckmaͤßig und fuͤr den Unterthanen druͤckend iſt, da muß das fran- zoͤſiſche Syſtem Beyfall finden. Warum z. B. iſt man im Speieriſchen, das doch ſo erzkatholiſch iſt, ſo gut patriotiſch, und warum iſt man im Badi- ſchen, das proteſtantiſch iſt, mit der fuͤrſtlichen Re- gierung ſo zufrieden, daß man ſich ganz und gar keine Veraͤnderung wuͤnſchet?
Antwort: weil der Markgraf von Baden ein Fuͤrſt iſt, der ſeine Unterthanen liebt, fuͤr ihr Wohl ſorgt, und ſie nicht ausſaugt. Das iſt das ganze Geheimniß, ein Geheimniß, das jeder Fuͤrſt praktikabel finden koͤnnte, wenn er nur wollte, oder wenn das Intereſſe der politiſchen Unter-Vam- pyrs es nicht hinderte. — Ich habe auf meiner Reiſe im Herbſte 1795, in Durlach mit einigen Buͤrgern recht frey und unbefangen uͤber die Ange- legenheiten der Zeit geſprochen, und nirgends hoͤrte ich freyere Urtheile als da; und doch bezeigten alle, wie ſie da waren, eine unerſchuͤtterliche Anhaͤng-
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Herrn von, dem Kloſter, dem Praͤlaten, dem
Pfaffen. u. ſ. f.
Nachdem ich dieſe Kundſchaften eingezogen
hatte, ſo fand ich einen neuen Grund, jenen er-
waͤhnten Hauptſatz fuͤr wahr und richtig zu hal-
ten: aber nicht allein ihn ſelbſt, ſondern auch ſei-
nen ſchlichtweg umgekehrten, naͤmlich: wo die
Regierungsform ſchlecht und unzweckmaͤßig und
fuͤr den Unterthanen druͤckend iſt, da muß das fran-
zoͤſiſche Syſtem Beyfall finden. Warum z. B. iſt
man im Speieriſchen, das doch ſo erzkatholiſch iſt,
ſo gut patriotiſch, und warum iſt man im Badi-
ſchen, das proteſtantiſch iſt, mit der fuͤrſtlichen Re-
gierung ſo zufrieden, daß man ſich ganz und gar
keine Veraͤnderung wuͤnſchet?
Antwort: weil der Markgraf von Baden
ein Fuͤrſt iſt, der ſeine Unterthanen liebt, fuͤr ihr
Wohl ſorgt, und ſie nicht ausſaugt. Das iſt das
ganze Geheimniß, ein Geheimniß, das jeder
Fuͤrſt praktikabel finden koͤnnte, wenn er nur wollte,
oder wenn das Intereſſe der politiſchen Unter-Vam-
pyrs es nicht hinderte. — Ich habe auf meiner
Reiſe im Herbſte 1795, in Durlach mit einigen
Buͤrgern recht frey und unbefangen uͤber die Ange-
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 456. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/468>, abgerufen am 22.11.2024.
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