schon lange über alles das hinaus: aber nicht alle Menschen sind solche Bösewichter, wie ich! --
Der oben genannte Bürger Brion hatte zwey Häuser, deren eins er selbst bewohnte, das andre aber hatte vorher einer seiner Verwandten bewohnt, der aber aus guten royalistischen Gesinnungen schon lange ausgewandert war. Da nun die Munici- palität befahl, daß in jedem Hanse wenigstens zwey Personen bleiben und die Hausthür immer of- fen lassen sollten, damit, wenn Feuer darin ent- stände, man es sowohl sogleich erfahren, als auch löschen helfen könnte: so erbot ich mich mit einem gefangenen kaiserlichen Reuter, Namens Schnei- der, von Annaberg in Sachsen, einem kreuzbra- ven jungen Menschen, in diesem leeren Hause des Nachts zu bleiben. Brion nahm dieses Aner- bieten an, und versorgte uns mit Essen und Trin- ken aufs reichlichste. Ich habe hernach bis zu mei- nem Abmarsch aus Landau immer in diesem Hause geschlafen.
Gleich am zweyten Abend des Bombardements ging Schneider, um aus einem nahen Keller un- ter einem Hause, welches schon oft gebrannt hatte, und wirklich noch brannte, Wein zu holen. Er kam zurück und hatte Wein genug; allein er klagte auch heftig über sein Schienbein, welches ihm durch ein Stück von einer zersprungnen Haubitze verlezt
ſchon lange uͤber alles das hinaus: aber nicht alle Menſchen ſind ſolche Boͤſewichter, wie ich! —
Der oben genannte Buͤrger Brion hatte zwey Haͤuſer, deren eins er ſelbſt bewohnte, das andre aber hatte vorher einer ſeiner Verwandten bewohnt, der aber aus guten royaliſtiſchen Geſinnungen ſchon lange ausgewandert war. Da nun die Munici- palitaͤt befahl, daß in jedem Hanſe wenigſtens zwey Perſonen bleiben und die Hausthuͤr immer of- fen laſſen ſollten, damit, wenn Feuer darin ent- ſtaͤnde, man es ſowohl ſogleich erfahren, als auch loͤſchen helfen koͤnnte: ſo erbot ich mich mit einem gefangenen kaiſerlichen Reuter, Namens Schnei- der, von Annaberg in Sachſen, einem kreuzbra- ven jungen Menſchen, in dieſem leeren Hauſe des Nachts zu bleiben. Brion nahm dieſes Aner- bieten an, und verſorgte uns mit Eſſen und Trin- ken aufs reichlichſte. Ich habe hernach bis zu mei- nem Abmarſch aus Landau immer in dieſem Hauſe geſchlafen.
Gleich am zweyten Abend des Bombardements ging Schneider, um aus einem nahen Keller un- ter einem Hauſe, welches ſchon oft gebrannt hatte, und wirklich noch brannte, Wein zu holen. Er kam zuruͤck und hatte Wein genug; allein er klagte auch heftig uͤber ſein Schienbein, welches ihm durch ein Stuͤck von einer zerſprungnen Haubitze verlezt
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ſchon lange uͤber alles das hinaus: aber nicht alle
Menſchen ſind ſolche Boͤſewichter, wie ich! —
Der oben genannte Buͤrger Brion hatte zwey
Haͤuſer, deren eins er ſelbſt bewohnte, das andre
aber hatte vorher einer ſeiner Verwandten bewohnt,
der aber aus guten royaliſtiſchen Geſinnungen ſchon
lange ausgewandert war. Da nun die Munici-
palitaͤt befahl, daß in jedem Hanſe wenigſtens
zwey Perſonen bleiben und die Hausthuͤr immer of-
fen laſſen ſollten, damit, wenn Feuer darin ent-
ſtaͤnde, man es ſowohl ſogleich erfahren, als auch
loͤſchen helfen koͤnnte: ſo erbot ich mich mit einem
gefangenen kaiſerlichen Reuter, Namens Schnei-
der, von Annaberg in Sachſen, einem kreuzbra-
ven jungen Menſchen, in dieſem leeren Hauſe des
Nachts zu bleiben. Brion nahm dieſes Aner-
bieten an, und verſorgte uns mit Eſſen und Trin-
ken aufs reichlichſte. Ich habe hernach bis zu mei-
nem Abmarſch aus Landau immer in dieſem Hauſe
geſchlafen.
Gleich am zweyten Abend des Bombardements
ging Schneider, um aus einem nahen Keller un-
ter einem Hauſe, welches ſchon oft gebrannt hatte,
und wirklich noch brannte, Wein zu holen. Er
kam zuruͤck und hatte Wein genug; allein er klagte
auch heftig uͤber ſein Schienbein, welches ihm durch
ein Stuͤck von einer zerſprungnen Haubitze verlezt
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/134>, abgerufen am 21.11.2024.
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