Dentzel ließ die Bürgerschaft in der Kirche der ehemaligen Augustiner zusammen kommen, und hielt eine sehr pathetische Rede, worin er sie ermahnte, ihren Ueberfluß an Lebensmitteln an die Garnison abzugeben, da man entschlossen sey, Lan- dau erst dann hinzugeben, wenn alles aufgezehrt seyn würde: und die gutgesinnten Bürger brachten noch auf einen ganzen Monat Lebensmittel für die Besatzung zusammen.
Das frische Fleisch ging vorzüglich zuerst zu- sammen, und da man doch für das Lazareth frisches Fleisch haben mußte, so wurde beschlossen, Pferde zu schlachten, und davon der Soldatenschaft ein hal- bes Pfund täglich, nebst sechs Loth Speck, etwas Käse, Butter, Essig und Oehl zu reichen: und diese Subsistenz genossen wir bis zum Entsatz der Stadt. Außerdem erhielt der Mann noch eine halbe Bouteille Wein täglich.
Die Franzosen verstanden sich leicht, Pferde- fleisch zu essen, aber die Deserteurs und Kriegsge- fangnen wollten schlechterdings nicht daran, und fingen heftig an, über das Schindfleisch, Schind- angerfressen u. s. w. zu räsonniren. Es ist zwar richtig, daß das Pferdefleisch mit dem Ochsenfleisch nicht in Vergleichung kömmt, besonders da die da- von gekochte Suppe nicht viel werth ist: aber dem[-]
Vierter Theil. L
Dentzel ließ die Buͤrgerſchaft in der Kirche der ehemaligen Auguſtiner zuſammen kommen, und hielt eine ſehr pathetiſche Rede, worin er ſie ermahnte, ihren Ueberfluß an Lebensmitteln an die Garniſon abzugeben, da man entſchloſſen ſey, Lan- dau erſt dann hinzugeben, wenn alles aufgezehrt ſeyn wuͤrde: und die gutgeſinnten Buͤrger brachten noch auf einen ganzen Monat Lebensmittel fuͤr die Beſatzung zuſammen.
Das friſche Fleiſch ging vorzuͤglich zuerſt zu- ſammen, und da man doch fuͤr das Lazareth friſches Fleiſch haben mußte, ſo wurde beſchloſſen, Pferde zu ſchlachten, und davon der Soldatenſchaft ein hal- bes Pfund taͤglich, nebſt ſechs Loth Speck, etwas Kaͤſe, Butter, Eſſig und Oehl zu reichen: und dieſe Subſiſtenz genoſſen wir bis zum Entſatz der Stadt. Außerdem erhielt der Mann noch eine halbe Bouteille Wein taͤglich.
Die Franzoſen verſtanden ſich leicht, Pferde- fleiſch zu eſſen, aber die Deſerteurs und Kriegsge- fangnen wollten ſchlechterdings nicht daran, und fingen heftig an, uͤber das Schindfleiſch, Schind- angerfreſſen u. ſ. w. zu raͤſonniren. Es iſt zwar richtig, daß das Pferdefleiſch mit dem Ochſenfleiſch nicht in Vergleichung koͤmmt, beſonders da die da- von gekochte Suppe nicht viel werth iſt: aber dem[-]
Vierter Theil. L
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Dentzel ließ die Buͤrgerſchaft in der Kirche
der ehemaligen Auguſtiner zuſammen kommen,
und hielt eine ſehr pathetiſche Rede, worin er ſie
ermahnte, ihren Ueberfluß an Lebensmitteln an die
Garniſon abzugeben, da man entſchloſſen ſey, Lan-
dau erſt dann hinzugeben, wenn alles aufgezehrt
ſeyn wuͤrde: und die gutgeſinnten Buͤrger brachten
noch auf einen ganzen Monat Lebensmittel fuͤr die
Beſatzung zuſammen.
Das friſche Fleiſch ging vorzuͤglich zuerſt zu-
ſammen, und da man doch fuͤr das Lazareth friſches
Fleiſch haben mußte, ſo wurde beſchloſſen, Pferde zu
ſchlachten, und davon der Soldatenſchaft ein hal-
bes Pfund taͤglich, nebſt ſechs Loth Speck, etwas
Kaͤſe, Butter, Eſſig und Oehl zu reichen: und
dieſe Subſiſtenz genoſſen wir bis zum Entſatz der
Stadt. Außerdem erhielt der Mann noch eine
halbe Bouteille Wein taͤglich.
Die Franzoſen verſtanden ſich leicht, Pferde-
fleiſch zu eſſen, aber die Deſerteurs und Kriegsge-
fangnen wollten ſchlechterdings nicht daran, und
fingen heftig an, uͤber das Schindfleiſch, Schind-
angerfreſſen u. ſ. w. zu raͤſonniren. Es iſt zwar
richtig, daß das Pferdefleiſch mit dem Ochſenfleiſch
nicht in Vergleichung koͤmmt, beſonders da die da-
von gekochte Suppe nicht viel werth iſt: aber dem-
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/165>, abgerufen am 04.12.2024.
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