Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

Landau noch sobald nicht sein werden würde. Wenn
ich aber, ohne bemerkt zu werden, zu den Fran-
zosen hätte kommen können, so hätte ich durch ehr-
liche Erzählung von der Lage der Festung mir den
französischen Kommandanten verbindlich gemacht,
und dadurch allen Verdacht zerstreut, den man
nachher noch gegen mich hätte fassen können.

Man muß das Ding kaltblütig überlegen, um
zu finden, daß ich den Preußen keine Verbindlich-
keit mehr schuldig war, wohl aber den Franzosen,
vorzüglich dem braven Brion, und daß ich da-
bey die Pflicht hatte, auf meine Selbsterhaltung
bedacht zu seyn.

Warum aber Dentzel meine Mission nicht
billigen wollte, läßt sich leicht errathen. Er trauete
mir nicht, und konnte, als gescheider Mann, mir
wirklich nicht trauen. Ich sah das selbst ein, fand
seine Vorwürfe unter vier Augen billig, und war
schon zufrieden, als er mir versprach, daß er für
mein Durchkommen in Frankreich sorgen wollte;
und vielleicht hätte er Wort gehalten, wenn ihn
die Robespierrische Parthey nicht verfolgt hätte,
wie ich weiterhin berichten werde.

Meines Brions Bekehrungsgeschichte will
ich doch auch erzählen, so wie ich sie aus seinem
Munde gehört habe. Er war ehedem ein steifer
Pfaffenfreund, besuchte alle Tage die Messe, beich-

Landau noch ſobald nicht ſein werden wuͤrde. Wenn
ich aber, ohne bemerkt zu werden, zu den Fran-
zoſen haͤtte kommen koͤnnen, ſo haͤtte ich durch ehr-
liche Erzaͤhlung von der Lage der Feſtung mir den
franzoͤſiſchen Kommandanten verbindlich gemacht,
und dadurch allen Verdacht zerſtreut, den man
nachher noch gegen mich haͤtte faſſen koͤnnen.

Man muß das Ding kaltbluͤtig uͤberlegen, um
zu finden, daß ich den Preußen keine Verbindlich-
keit mehr ſchuldig war, wohl aber den Franzoſen,
vorzuͤglich dem braven Brion, und daß ich da-
bey die Pflicht hatte, auf meine Selbſterhaltung
bedacht zu ſeyn.

Warum aber Dentzel meine Miſſion nicht
billigen wollte, laͤßt ſich leicht errathen. Er trauete
mir nicht, und konnte, als geſcheider Mann, mir
wirklich nicht trauen. Ich ſah das ſelbſt ein, fand
ſeine Vorwuͤrfe unter vier Augen billig, und war
ſchon zufrieden, als er mir verſprach, daß er fuͤr
mein Durchkommen in Frankreich ſorgen wollte;
und vielleicht haͤtte er Wort gehalten, wenn ihn
die Robespierriſche Parthey nicht verfolgt haͤtte,
wie ich weiterhin berichten werde.

Meines Brions Bekehrungsgeſchichte will
ich doch auch erzaͤhlen, ſo wie ich ſie aus ſeinem
Munde gehoͤrt habe. Er war ehedem ein ſteifer
Pfaffenfreund, beſuchte alle Tage die Meſſe, beich-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0172" n="168"/>
Landau noch &#x017F;obald nicht &#x017F;ein werden wu&#x0364;rde. Wenn<lb/>
ich aber, ohne bemerkt zu werden, zu den Fran-<lb/>
zo&#x017F;en ha&#x0364;tte kommen ko&#x0364;nnen, &#x017F;o ha&#x0364;tte ich durch ehr-<lb/>
liche Erza&#x0364;hlung von der Lage der Fe&#x017F;tung mir den<lb/>
franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;chen Kommandanten verbindlich gemacht,<lb/>
und dadurch allen Verdacht zer&#x017F;treut, den man<lb/>
nachher noch gegen mich ha&#x0364;tte fa&#x017F;&#x017F;en ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
        <p>Man muß das Ding kaltblu&#x0364;tig u&#x0364;berlegen, um<lb/>
zu finden, daß ich den Preußen keine Verbindlich-<lb/>
keit mehr &#x017F;chuldig war, wohl aber den Franzo&#x017F;en,<lb/>
vorzu&#x0364;glich dem braven <hi rendition="#g">Brion</hi>, und daß ich da-<lb/>
bey die Pflicht hatte, auf meine Selb&#x017F;terhaltung<lb/>
bedacht zu &#x017F;eyn.</p><lb/>
        <p>Warum aber <hi rendition="#g">Dentzel</hi> meine Mi&#x017F;&#x017F;ion nicht<lb/>
billigen wollte, la&#x0364;ßt &#x017F;ich leicht errathen. Er trauete<lb/>
mir nicht, und konnte, als ge&#x017F;cheider Mann, mir<lb/>
wirklich nicht trauen. Ich &#x017F;ah das &#x017F;elb&#x017F;t ein, fand<lb/>
&#x017F;eine Vorwu&#x0364;rfe unter vier Augen billig, und war<lb/>
&#x017F;chon zufrieden, als er mir ver&#x017F;prach, daß er fu&#x0364;r<lb/>
mein Durchkommen in Frankreich &#x017F;orgen wollte;<lb/>
und vielleicht ha&#x0364;tte er Wort gehalten, wenn ihn<lb/>
die Robespierri&#x017F;che Parthey nicht verfolgt ha&#x0364;tte,<lb/>
wie ich weiterhin berichten werde.</p><lb/>
        <p>Meines <hi rendition="#g">Brions</hi> Bekehrungsge&#x017F;chichte will<lb/>
ich doch auch erza&#x0364;hlen, &#x017F;o wie ich &#x017F;ie aus &#x017F;einem<lb/>
Munde geho&#x0364;rt habe. Er war ehedem ein &#x017F;teifer<lb/>
Pfaffenfreund, be&#x017F;uchte alle Tage die Me&#x017F;&#x017F;e, beich-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[168/0172] Landau noch ſobald nicht ſein werden wuͤrde. Wenn ich aber, ohne bemerkt zu werden, zu den Fran- zoſen haͤtte kommen koͤnnen, ſo haͤtte ich durch ehr- liche Erzaͤhlung von der Lage der Feſtung mir den franzoͤſiſchen Kommandanten verbindlich gemacht, und dadurch allen Verdacht zerſtreut, den man nachher noch gegen mich haͤtte faſſen koͤnnen. Man muß das Ding kaltbluͤtig uͤberlegen, um zu finden, daß ich den Preußen keine Verbindlich- keit mehr ſchuldig war, wohl aber den Franzoſen, vorzuͤglich dem braven Brion, und daß ich da- bey die Pflicht hatte, auf meine Selbſterhaltung bedacht zu ſeyn. Warum aber Dentzel meine Miſſion nicht billigen wollte, laͤßt ſich leicht errathen. Er trauete mir nicht, und konnte, als geſcheider Mann, mir wirklich nicht trauen. Ich ſah das ſelbſt ein, fand ſeine Vorwuͤrfe unter vier Augen billig, und war ſchon zufrieden, als er mir verſprach, daß er fuͤr mein Durchkommen in Frankreich ſorgen wollte; und vielleicht haͤtte er Wort gehalten, wenn ihn die Robespierriſche Parthey nicht verfolgt haͤtte, wie ich weiterhin berichten werde. Meines Brions Bekehrungsgeſchichte will ich doch auch erzaͤhlen, ſo wie ich ſie aus ſeinem Munde gehoͤrt habe. Er war ehedem ein ſteifer Pfaffenfreund, beſuchte alle Tage die Meſſe, beich-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/172
Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/172>, abgerufen am 04.12.2024.