Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797.Sechszehntes Kapitel. Religionszustand in Frankreich, am Ende des Jahres 1793. Ich würde einen unverzeihlichen Fehler begehen, Die herrschende Religion in Frankreich war, *) Das Hofleben und die unberechnete ungeheure Verschwendung
der Großen in Frankreich -- waren eine Folge der durch Politik durchaus ge[s]chwächten Moralität. Man hat dieß lezte den Jesuiten zu ihren vielen Sünden mit angerechnet, aber man that den Leuten in gewisser Rücksicht zuviel. Ehe sie waren, war Macchiavel, und vor diesem schon das, was er systematischsein nach der Geschichte geißelte. Was die von Medicis thaten, thaten die Ludewig[e] auch. Sie bef[o]lgten eine Politik, welche durch Ungerechtigkeit und Ver- schmiztheit, nach dem Gesetz des Listigern und Starkern, einen Krieg Aller gegen Alle nach sich zog, das Zutrauen zwischen Völkern, wie zwischen Regenten und Unterthanen schwächte, und so jeden lehrte, mehr für sich zu sorgen, als fürs Ganze. Hiedurch ward ein gewi[ss]er moralischer oder vielmehr politi- Sechszehntes Kapitel. Religionszuſtand in Frankreich, am Ende des Jahres 1793. Ich wuͤrde einen unverzeihlichen Fehler begehen, Die herrſchende Religion in Frankreich war, *) Das Hofleben und die unberechnete ungeheure Verſchwendung
der Großen in Frankreich — waren eine Folge der durch Politik durchaus ge[ſ]chwächten Moralität. Man hat dieß lezte den Jeſuiten zu ihren vielen Sünden mit angerechnet, aber man that den Leuten in gewiſſer Rückſicht zuviel. Ehe ſie waren, war Macchiavel, und vor dieſem ſchon das, was er ſyſtematiſchſein nach der Geſchichte geißelte. Was die von Medicis thaten, thaten die Ludewig[e] auch. Sie bef[o]lgten eine Politik, welche durch Ungerechtigkeit und Ver- ſchmiztheit, nach dem Geſetz des Liſtigern und Starkern, einen Krieg Aller gegen Alle nach ſich zog, das Zutrauen zwiſchen Völkern, wie zwiſchen Regenten und Unterthanen ſchwächte, und ſo jeden lehrte, mehr für ſich zu ſorgen, als fürs Ganze. Hiedurch ward ein gewi[ſſ]er moraliſcher oder vielmehr politi- <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0236" n="232"/> <div n="1"> <head>Sechszehntes Kapitel.</head><lb/> <p>Religionszuſtand in Frankreich, am Ende des Jahres 1793.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <p><hi rendition="#in">I</hi>ch wuͤrde einen unverzeihlichen Fehler begehen,<lb/> wenn ich meinen Leſern nur meine eigne Hiſtorie<lb/> erzaͤhlen wollte, und ihnen nicht alles mittheilte,<lb/> was ich in Frankreich geſehen und erfahren habe.<lb/> Dahin gehoͤrt vorzuͤglich der Zuſtand des Religions-<lb/> weſens, wovon ich in dieſem Kapitel reden will.</p><lb/> <p>Die herrſchende Religion in Frankreich war,<lb/> vor der Revolution, die Roͤmiſch-Katholiſche. Man<lb/> weiß, durch welch abſcheuliche Mittel die Pfaffen<lb/> und deren abgeſtumpfte Beichtkinder und Buͤttel,<lb/><hi rendition="#g">Ludwig</hi> <hi rendition="#aq">XIV.</hi> und <hi rendition="#aq">XV.</hi> dieſe Religion zur herr-<lb/> ſchenden und alleinigen gemacht haben. <note xml:id="note-0236" next="#note-0237" place="foot" n="*)">Das Hofleben und die unberechnete ungeheure Verſchwendung<lb/> der Großen in Frankreich — waren eine Folge der durch<lb/> Politik durchaus ge<supplied>ſ</supplied>chwächten Moralität. Man hat dieß lezte<lb/> den <hi rendition="#g">Jeſuiten</hi> zu ihren vielen Sünden mit angerechnet,<lb/> aber man that den Leuten in gewiſſer Rückſicht zuviel. Ehe<lb/> ſie waren, war <hi rendition="#g">Macchiavel</hi>, und vor dieſem ſchon das,<lb/> was er ſyſtematiſchſein nach der Geſchichte geißelte. Was die<lb/> von <hi rendition="#g">Medicis</hi> thaten, thaten die <hi rendition="#g">Ludewig<supplied>e</supplied></hi> auch. Sie<lb/> bef<supplied>o</supplied>lgten eine Politik, welche durch Ungerechtigkeit und Ver-<lb/> ſchmiztheit, nach dem Geſetz des Liſtigern und Starkern, einen<lb/> Krieg Aller gegen Alle nach ſich zog, das Zutrauen zwiſchen<lb/> Völkern, wie zwiſchen Regenten und Unterthanen ſchwächte,<lb/> und ſo jeden lehrte, mehr für ſich zu ſorgen, als fürs Ganze.<lb/> Hiedurch ward ein gewi<supplied>ſſ</supplied>er moraliſcher oder vielmehr politi-</note> Noch<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [232/0236]
Sechszehntes Kapitel.
Religionszuſtand in Frankreich, am Ende des Jahres 1793.
Ich wuͤrde einen unverzeihlichen Fehler begehen,
wenn ich meinen Leſern nur meine eigne Hiſtorie
erzaͤhlen wollte, und ihnen nicht alles mittheilte,
was ich in Frankreich geſehen und erfahren habe.
Dahin gehoͤrt vorzuͤglich der Zuſtand des Religions-
weſens, wovon ich in dieſem Kapitel reden will.
Die herrſchende Religion in Frankreich war,
vor der Revolution, die Roͤmiſch-Katholiſche. Man
weiß, durch welch abſcheuliche Mittel die Pfaffen
und deren abgeſtumpfte Beichtkinder und Buͤttel,
Ludwig XIV. und XV. dieſe Religion zur herr-
ſchenden und alleinigen gemacht haben. *) Noch
*) Das Hofleben und die unberechnete ungeheure Verſchwendung
der Großen in Frankreich — waren eine Folge der durch
Politik durchaus geſchwächten Moralität. Man hat dieß lezte
den Jeſuiten zu ihren vielen Sünden mit angerechnet,
aber man that den Leuten in gewiſſer Rückſicht zuviel. Ehe
ſie waren, war Macchiavel, und vor dieſem ſchon das,
was er ſyſtematiſchſein nach der Geſchichte geißelte. Was die
von Medicis thaten, thaten die Ludewige auch. Sie
befolgten eine Politik, welche durch Ungerechtigkeit und Ver-
ſchmiztheit, nach dem Geſetz des Liſtigern und Starkern, einen
Krieg Aller gegen Alle nach ſich zog, das Zutrauen zwiſchen
Völkern, wie zwiſchen Regenten und Unterthanen ſchwächte,
und ſo jeden lehrte, mehr für ſich zu ſorgen, als fürs Ganze.
Hiedurch ward ein gewiſſer moraliſcher oder vielmehr politi-
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