Hinrichtungsarten keine schneller, sicherer und we- niger quälend ist, als diese. Der Hinzurichtende kann beynahe gar nichts empfinden, als die Todes- angst, man müßte ihn den so hinrichten, wie den Chailler zu Lyon. -- Die meisten von denen, welche ich habe auf der Guillotine sterben sehen, schienen nicht einmal Todesangst zu fühlen: sie wa- ren unerschrocken, und plauderten noch, als man sie schon ans Brett befestigte.
Ob und welche Schmerzen die Guillotinirten nach ihrer Hinrichtung noch empfinden, mit schmerzhaftem Bewußtseyn empfinden, dieß ist eine Frage, die Hr. Sömmering so gelößt hat, daß seine Auflösung nichts entscheidet, indem sie zuviel entscheidet. Entweder müssen alle gewaltsamen Todesarten aufhören, oder Hr. Sömmering muß beweisen: daß das anderwärts übliche Hängen und Köpfen die Stärke und den Grad der Nachempfin- dung nicht habe, welche er dem Guillotiniren zu- schreibt. Daß dieß schneller und sicherer die Qual der gewaltsamen Entleibung endige, ist außer Zwei- fel, aber nicht, ob der Gehängte oder sonst Ge- köpfte nicht weit länger nachzucke und nachempfin- de, als irgend ein Guillotinirter.
Der Hauptmann bemerkte Niederschlagenheit an mir, und fragte nach der Ursache. Ich gestand ihm, daß der Anblick der Hinrichtung mir durch
Hinrichtungsarten keine ſchneller, ſicherer und we- niger quaͤlend iſt, als dieſe. Der Hinzurichtende kann beynahe gar nichts empfinden, als die Todes- angſt, man muͤßte ihn den ſo hinrichten, wie den Chailler zu Lyon. — Die meiſten von denen, welche ich habe auf der Guillotine ſterben ſehen, ſchienen nicht einmal Todesangſt zu fuͤhlen: ſie wa- ren unerſchrocken, und plauderten noch, als man ſie ſchon ans Brett befeſtigte.
Ob und welche Schmerzen die Guillotinirten nach ihrer Hinrichtung noch empfinden, mit ſchmerzhaftem Bewußtſeyn empfinden, dieß iſt eine Frage, die Hr. Soͤmmering ſo geloͤßt hat, daß ſeine Aufloͤſung nichts entſcheidet, indem ſie zuviel entſcheidet. Entweder muͤſſen alle gewaltſamen Todesarten aufhoͤren, oder Hr. Soͤmmering muß beweiſen: daß das anderwaͤrts uͤbliche Haͤngen und Koͤpfen die Staͤrke und den Grad der Nachempfin- dung nicht habe, welche er dem Guillotiniren zu- ſchreibt. Daß dieß ſchneller und ſicherer die Qual der gewaltſamen Entleibung endige, iſt außer Zwei- fel, aber nicht, ob der Gehaͤngte oder ſonſt Ge- koͤpfte nicht weit laͤnger nachzucke und nachempfin- de, als irgend ein Guillotinirter.
Der Hauptmann bemerkte Niederſchlagenheit an mir, und fragte nach der Urſache. Ich geſtand ihm, daß der Anblick der Hinrichtung mir durch
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Hinrichtungsarten keine ſchneller, ſicherer und we-
niger quaͤlend iſt, als dieſe. Der Hinzurichtende
kann beynahe gar nichts empfinden, als die Todes-
angſt, man muͤßte ihn den ſo hinrichten, wie den
Chailler zu Lyon. — Die meiſten von denen,
welche ich habe auf der Guillotine ſterben ſehen,
ſchienen nicht einmal Todesangſt zu fuͤhlen: ſie wa-
ren unerſchrocken, und plauderten noch, als man
ſie ſchon ans Brett befeſtigte.
Ob und welche Schmerzen die Guillotinirten
nach ihrer Hinrichtung noch empfinden, mit
ſchmerzhaftem Bewußtſeyn empfinden, dieß iſt eine
Frage, die Hr. Soͤmmering ſo geloͤßt hat, daß
ſeine Aufloͤſung nichts entſcheidet, indem ſie zuviel
entſcheidet. Entweder muͤſſen alle gewaltſamen
Todesarten aufhoͤren, oder Hr. Soͤmmering muß
beweiſen: daß das anderwaͤrts uͤbliche Haͤngen und
Koͤpfen die Staͤrke und den Grad der Nachempfin-
dung nicht habe, welche er dem Guillotiniren zu-
ſchreibt. Daß dieß ſchneller und ſicherer die Qual
der gewaltſamen Entleibung endige, iſt außer Zwei-
fel, aber nicht, ob der Gehaͤngte oder ſonſt Ge-
koͤpfte nicht weit laͤnger nachzucke und nachempfin-
de, als irgend ein Guillotinirter.
Der Hauptmann bemerkte Niederſchlagenheit
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/314>, abgerufen am 22.11.2024.
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