die Seele gefahren sey. Mir ists auch so gegangen, sagte er, aber nun bin ich dergleichen schon gewohnt. Du wirst noch mehr guillotiniren sehen, und nicht mehr davor erschrecken. Er hatte recht: man ge- wöhnt sich nach und nach auch an die allerscheuß- lichsten Scenen. Man denke an die Vieh- und Menschen-Schlächter! --
Da wir in Colmar Ruhetag hatten, so konnte ich aller Orten herum wandern und mich mit den Einwohnern bekannt machen. Ich fand denn in Colmar weit mehr Patriotismus, als in Stras- burg. Vorzüglich rühmte man an einem Procura- tor Glocsin, daß er bey verschiednen Gelegen- heiten die gemeine Sache mit aller Macht vertre- ten habe. Der Name Glocsin fiel mir auf: denn eine weitläufige Anverwandte von mir hatte einen Doktor Glocsin von Colmar geheurathet. Ich fragte also weiter nach, und erfuhr, daß der D. Glocsin, welcher die Mamsell Stutz von Grehwei- ler vorzeiten geheurathet hatte, der Vater des Pro- kurators gewesen sey. Hierauf beschloß ich hinzu- gehen. Ich traf ihn zwar nicht zu Hause, aber sein Schwager, dem ich meinen Namen und mein Vaterland sagte, bewirthete mich ganz artig, und versprach, dem Prokurator von mir Nachricht zu geben. Dieser würde auch -- sezte er hinzu --
die Seele gefahren ſey. Mir iſts auch ſo gegangen, ſagte er, aber nun bin ich dergleichen ſchon gewohnt. Du wirſt noch mehr guillotiniren ſehen, und nicht mehr davor erſchrecken. Er hatte recht: man ge- woͤhnt ſich nach und nach auch an die allerſcheuß- lichſten Scenen. Man denke an die Vieh- und Menſchen-Schlaͤchter! —
Da wir in Colmar Ruhetag hatten, ſo konnte ich aller Orten herum wandern und mich mit den Einwohnern bekannt machen. Ich fand denn in Colmar weit mehr Patriotismus, als in Stras- burg. Vorzuͤglich ruͤhmte man an einem Procura- tor Glocſin, daß er bey verſchiednen Gelegen- heiten die gemeine Sache mit aller Macht vertre- ten habe. Der Name Glocſin fiel mir auf: denn eine weitlaͤufige Anverwandte von mir hatte einen Doktor Glocſin von Colmar geheurathet. Ich fragte alſo weiter nach, und erfuhr, daß der D. Glocſin, welcher die Mamſell Stutz von Grehwei- ler vorzeiten geheurathet hatte, der Vater des Pro- kurators geweſen ſey. Hierauf beſchloß ich hinzu- gehen. Ich traf ihn zwar nicht zu Hauſe, aber ſein Schwager, dem ich meinen Namen und mein Vaterland ſagte, bewirthete mich ganz artig, und verſprach, dem Prokurator von mir Nachricht zu geben. Dieſer wuͤrde auch — ſezte er hinzu —
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die Seele gefahren ſey. Mir iſts auch ſo gegangen,
ſagte er, aber nun bin ich dergleichen ſchon gewohnt.
Du wirſt noch mehr guillotiniren ſehen, und nicht
mehr davor erſchrecken. Er hatte recht: man ge-
woͤhnt ſich nach und nach auch an die allerſcheuß-
lichſten Scenen. Man denke an die Vieh- und
Menſchen-Schlaͤchter! —
Da wir in Colmar Ruhetag hatten, ſo konnte
ich aller Orten herum wandern und mich mit den
Einwohnern bekannt machen. Ich fand denn in
Colmar weit mehr Patriotismus, als in Stras-
burg. Vorzuͤglich ruͤhmte man an einem Procura-
tor Glocſin, daß er bey verſchiednen Gelegen-
heiten die gemeine Sache mit aller Macht vertre-
ten habe. Der Name Glocſin fiel mir auf:
denn eine weitlaͤufige Anverwandte von mir hatte
einen Doktor Glocſin von Colmar geheurathet. Ich
fragte alſo weiter nach, und erfuhr, daß der D.
Glocſin, welcher die Mamſell Stutz von Grehwei-
ler vorzeiten geheurathet hatte, der Vater des Pro-
kurators geweſen ſey. Hierauf beſchloß ich hinzu-
gehen. Ich traf ihn zwar nicht zu Hauſe, aber
ſein Schwager, dem ich meinen Namen und mein
Vaterland ſagte, bewirthete mich ganz artig, und
verſprach, dem Prokurator von mir Nachricht zu
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/315>, abgerufen am 22.11.2024.
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