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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797.

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laufen, wo sie sichs wohl seyn ließen. Landrin
gerieth natürlich in Hitze, fluchte aber mehr auf
die Volontärs, welche die Leute durchgelassen hat-
ten, als auf die Deserteurs. Ich mußte in der
Schenke, in seinem Beyseyn, den Burschen eine
derbe Strafpredigt halten, und sie bedrohen, daß
er sie zu Besancon als Meutmacher angeben würde,
wenn so was noch einmal geschähe. Hierauf muß-
ten sie wieder in den Schafstall.

Der kaiserliche Leutnant Zimmer gab dem
Hauptmann durch Zeichen zu verstehen, daß man
die Kerls tüchtig durchprügeln sollte, und ich er-
klärte ihm dieses näher. Aber Landrin verwarf
den Wink mit Unwillen. Die Hunde schlägt man,
sagte er, und nicht die Menschen: diese straft man
nach den Gesetzen, oder geht das nicht an, so
wehrt man sich gegen sie, und sticht sie im Fall der
Noth wohl auch auf der Stelle nieder. Einen
Menschen zu ermorden, der mich gröblich beleidigt,
wäre mir eine Kleinigkeit; aber einen Menschen
mit Stockprügeln zu strafen, würde ich mich ewig
schämen.

Ueberhaupt hatte der Hauptmann Landrin
seltsame Begriffe, worüber wir auf dem Marsche
oft disputirten, und wobey er recht in Feuer kam.
Er meynte nämlich, daß persönliche und gesetzliche
Freyheit die einzige Quelle aller Moralität sey,

laufen, wo ſie ſichs wohl ſeyn ließen. Landrin
gerieth natuͤrlich in Hitze, fluchte aber mehr auf
die Volontaͤrs, welche die Leute durchgelaſſen hat-
ten, als auf die Deſerteurs. Ich mußte in der
Schenke, in ſeinem Beyſeyn, den Burſchen eine
derbe Strafpredigt halten, und ſie bedrohen, daß
er ſie zu Beſançon als Meutmacher angeben wuͤrde,
wenn ſo was noch einmal geſchaͤhe. Hierauf muß-
ten ſie wieder in den Schafſtall.

Der kaiſerliche Leutnant Zimmer gab dem
Hauptmann durch Zeichen zu verſtehen, daß man
die Kerls tuͤchtig durchpruͤgeln ſollte, und ich er-
klaͤrte ihm dieſes naͤher. Aber Landrin verwarf
den Wink mit Unwillen. Die Hunde ſchlaͤgt man,
ſagte er, und nicht die Menſchen: dieſe ſtraft man
nach den Geſetzen, oder geht das nicht an, ſo
wehrt man ſich gegen ſie, und ſticht ſie im Fall der
Noth wohl auch auf der Stelle nieder. Einen
Menſchen zu ermorden, der mich groͤblich beleidigt,
waͤre mir eine Kleinigkeit; aber einen Menſchen
mit Stockpruͤgeln zu ſtrafen, wuͤrde ich mich ewig
ſchaͤmen.

Ueberhaupt hatte der Hauptmann Landrin
ſeltſame Begriffe, woruͤber wir auf dem Marſche
oft diſputirten, und wobey er recht in Feuer kam.
Er meynte naͤmlich, daß perſoͤnliche und geſetzliche
Freyheit die einzige Quelle aller Moralitaͤt ſey,

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[323/0327] laufen, wo ſie ſichs wohl ſeyn ließen. Landrin gerieth natuͤrlich in Hitze, fluchte aber mehr auf die Volontaͤrs, welche die Leute durchgelaſſen hat- ten, als auf die Deſerteurs. Ich mußte in der Schenke, in ſeinem Beyſeyn, den Burſchen eine derbe Strafpredigt halten, und ſie bedrohen, daß er ſie zu Beſançon als Meutmacher angeben wuͤrde, wenn ſo was noch einmal geſchaͤhe. Hierauf muß- ten ſie wieder in den Schafſtall. Der kaiſerliche Leutnant Zimmer gab dem Hauptmann durch Zeichen zu verſtehen, daß man die Kerls tuͤchtig durchpruͤgeln ſollte, und ich er- klaͤrte ihm dieſes naͤher. Aber Landrin verwarf den Wink mit Unwillen. Die Hunde ſchlaͤgt man, ſagte er, und nicht die Menſchen: dieſe ſtraft man nach den Geſetzen, oder geht das nicht an, ſo wehrt man ſich gegen ſie, und ſticht ſie im Fall der Noth wohl auch auf der Stelle nieder. Einen Menſchen zu ermorden, der mich groͤblich beleidigt, waͤre mir eine Kleinigkeit; aber einen Menſchen mit Stockpruͤgeln zu ſtrafen, wuͤrde ich mich ewig ſchaͤmen. Ueberhaupt hatte der Hauptmann Landrin ſeltſame Begriffe, woruͤber wir auf dem Marſche oft diſputirten, und wobey er recht in Feuer kam. Er meynte naͤmlich, daß perſoͤnliche und geſetzliche Freyheit die einzige Quelle aller Moralitaͤt ſey,

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/327>, abgerufen am 21.11.2024.