hatte, seit einiger Zeit aber schon zur französischen Republik gezogen war. Das Ländchen scheint gar nicht unfruchtbar zu seyn und die Dörfer darin ver- rathen mehr Wohlstand, als die in der eigentli- chen Franche comte. Die Mümpelgarder erhielten von der Republik die Versicherung, daß keine ih- rer jungen Leute ausgehoben, und zu den Armeen geschickt werden sollten, und noch im Anfange des Jahres 1795, als ich wieder durch diese Gegenden kam, hatte man ihnen Wort gehalten. Das gan- ze Ländchen war sonst lutherisch, aber der lutheri- sche Gottesdienst hatte auch hier damals schon völ- lig aufgehört.
Der Kapitän war diesen Tag über sehr väter- lich gewesen, und deswegen ärgerte es mich gar sehr, daß unsre Deserteurs ihm des Abends so vie- len Verdruß machten. Man hatte die Gefangnen in einen leeren Schafstall, und die Deserteurs in einen andern gebracht, und Wache davor gestellt. Der Kapitän befürchtete, und dieß nicht ohne Grund, daß mancher sich mögte belieben lassen, fortzulaufen wegen der Nähe der Gebürge, welche die Schweiz von Frankreich trennen. Ich war in- dessen mit ihm zum Märe gegangen.
Auf einmal kam Klage: die Deserteurs hätten mit Gewalt die Schildwache weggedrängt, und waren mir nichts, dir nichts nach der Schenke ge-
hatte, ſeit einiger Zeit aber ſchon zur franzoͤſiſchen Republik gezogen war. Das Laͤndchen ſcheint gar nicht unfruchtbar zu ſeyn und die Doͤrfer darin ver- rathen mehr Wohlſtand, als die in der eigentli- chen Franche comté. Die Muͤmpelgarder erhielten von der Republik die Verſicherung, daß keine ih- rer jungen Leute ausgehoben, und zu den Armeen geſchickt werden ſollten, und noch im Anfange des Jahres 1795, als ich wieder durch dieſe Gegenden kam, hatte man ihnen Wort gehalten. Das gan- ze Laͤndchen war ſonſt lutheriſch, aber der lutheri- ſche Gottesdienſt hatte auch hier damals ſchon voͤl- lig aufgehoͤrt.
Der Kapitaͤn war dieſen Tag uͤber ſehr vaͤter- lich geweſen, und deswegen aͤrgerte es mich gar ſehr, daß unſre Deſerteurs ihm des Abends ſo vie- len Verdruß machten. Man hatte die Gefangnen in einen leeren Schafſtall, und die Deſerteurs in einen andern gebracht, und Wache davor geſtellt. Der Kapitaͤn befuͤrchtete, und dieß nicht ohne Grund, daß mancher ſich moͤgte belieben laſſen, fortzulaufen wegen der Naͤhe der Gebuͤrge, welche die Schweiz von Frankreich trennen. Ich war in- deſſen mit ihm zum Maͤre gegangen.
Auf einmal kam Klage: die Deſerteurs haͤtten mit Gewalt die Schildwache weggedraͤngt, und waren mir nichts, dir nichts nach der Schenke ge-
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hatte, ſeit einiger Zeit aber ſchon zur franzoͤſiſchen
Republik gezogen war. Das Laͤndchen ſcheint gar
nicht unfruchtbar zu ſeyn und die Doͤrfer darin ver-
rathen mehr Wohlſtand, als die in der eigentli-
chen Franche comté. Die Muͤmpelgarder erhielten
von der Republik die Verſicherung, daß keine ih-
rer jungen Leute ausgehoben, und zu den Armeen
geſchickt werden ſollten, und noch im Anfange des
Jahres 1795, als ich wieder durch dieſe Gegenden
kam, hatte man ihnen Wort gehalten. Das gan-
ze Laͤndchen war ſonſt lutheriſch, aber der lutheri-
ſche Gottesdienſt hatte auch hier damals ſchon voͤl-
lig aufgehoͤrt.
Der Kapitaͤn war dieſen Tag uͤber ſehr vaͤter-
lich geweſen, und deswegen aͤrgerte es mich gar
ſehr, daß unſre Deſerteurs ihm des Abends ſo vie-
len Verdruß machten. Man hatte die Gefangnen
in einen leeren Schafſtall, und die Deſerteurs in
einen andern gebracht, und Wache davor geſtellt.
Der Kapitaͤn befuͤrchtete, und dieß nicht ohne
Grund, daß mancher ſich moͤgte belieben laſſen,
fortzulaufen wegen der Naͤhe der Gebuͤrge, welche
die Schweiz von Frankreich trennen. Ich war in-
deſſen mit ihm zum Maͤre gegangen.
Auf einmal kam Klage: die Deſerteurs haͤtten
mit Gewalt die Schildwache weggedraͤngt, und
waren mir nichts, dir nichts nach der Schenke ge-
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/326>, abgerufen am 22.11.2024.
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