Diese Stadt, welche ehemals, nach Paris, die schönste, volkreichste und wohlhabendste in ganz Frankreich war, und deren Handel wegen ihrer In- dustrie, und wegen ihrer herrlichen Lage an zwey schiffbaren Wässern, der Rhone und der Saone, sich in die ganze Welt verbreitet hatte, giebt nun dem Reisenden einen traurigen Anblick. Man kann auch von ihr sagen, was Virgilius von Troja sagt: -- -- -- fuit Ilium et ingens Gloria Dardaniae! Lyon ist zwar nicht abgebrannt, aber ihre besten Palläste, Hospitäler, Fabriken, Kirchen u. s. w. liegen in der Asche, und die übrigen Häuser sind größtentheils gar sehr beschädiget. Was aber das ärgste ist, so ist das Blut von mehr als 10,000 ihrer Bewohner in und unter ihren Mauern geflos- sen, und niemals sind so viel todte Körper in die Rhone geworfen worden, als im Winter 1793, 94. Die Kunstwerke, woran in Lyon ein Ueberfluß war, sind nun alle zerstöhrt, und da, wo sonst Lud- wigsXIV. metallene Bildsäule stand, stand da- mals, als ich da war, die Guillotine, worauf je- der sterben mußte, der nur von Königen und Re- genten Gutes sprach. Es ist doch ein wunderba- rer Wechsel in den menschlichen Dingen!
Ich weiß nicht, ob ich recht thue, wenn ich meinen Lesern die Nachrichten von dem traurigen
Dieſe Stadt, welche ehemals, nach Paris, die ſchoͤnſte, volkreichſte und wohlhabendſte in ganz Frankreich war, und deren Handel wegen ihrer In- duſtrie, und wegen ihrer herrlichen Lage an zwey ſchiffbaren Waͤſſern, der Rhône und der Saone, ſich in die ganze Welt verbreitet hatte, giebt nun dem Reiſenden einen traurigen Anblick. Man kann auch von ihr ſagen, was Virgilius von Troja ſagt: — — — fuit Ilium et ingens Gloria Dardaniae! Lyon iſt zwar nicht abgebrannt, aber ihre beſten Pallaͤſte, Hoſpitaͤler, Fabriken, Kirchen u. ſ. w. liegen in der Aſche, und die uͤbrigen Haͤuſer ſind groͤßtentheils gar ſehr beſchaͤdiget. Was aber das aͤrgſte iſt, ſo iſt das Blut von mehr als 10,000 ihrer Bewohner in und unter ihren Mauern gefloſ- ſen, und niemals ſind ſo viel todte Koͤrper in die Rhone geworfen worden, als im Winter 1793, 94. Die Kunſtwerke, woran in Lyon ein Ueberfluß war, ſind nun alle zerſtoͤhrt, und da, wo ſonſt Lud- wigsXIV. metallene Bildſaͤule ſtand, ſtand da- mals, als ich da war, die Guillotine, worauf je- der ſterben mußte, der nur von Koͤnigen und Re- genten Gutes ſprach. Es iſt doch ein wunderba- rer Wechſel in den menſchlichen Dingen!
Ich weiß nicht, ob ich recht thue, wenn ich meinen Leſern die Nachrichten von dem traurigen
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Dieſe Stadt, welche ehemals, nach Paris, die
ſchoͤnſte, volkreichſte und wohlhabendſte in ganz
Frankreich war, und deren Handel wegen ihrer In-
duſtrie, und wegen ihrer herrlichen Lage an zwey
ſchiffbaren Waͤſſern, der Rhône und der Saone,
ſich in die ganze Welt verbreitet hatte, giebt nun
dem Reiſenden einen traurigen Anblick. Man kann
auch von ihr ſagen, was Virgilius von Troja ſagt:
— — — fuit Ilium et ingens
Gloria Dardaniae!
Lyon iſt zwar nicht abgebrannt, aber ihre beſten
Pallaͤſte, Hoſpitaͤler, Fabriken, Kirchen u. ſ. w.
liegen in der Aſche, und die uͤbrigen Haͤuſer ſind
groͤßtentheils gar ſehr beſchaͤdiget. Was aber das
aͤrgſte iſt, ſo iſt das Blut von mehr als 10,000
ihrer Bewohner in und unter ihren Mauern gefloſ-
ſen, und niemals ſind ſo viel todte Koͤrper in die
Rhone geworfen worden, als im Winter 1793, 94.
Die Kunſtwerke, woran in Lyon ein Ueberfluß war,
ſind nun alle zerſtoͤhrt, und da, wo ſonſt Lud-
wigs XIV. metallene Bildſaͤule ſtand, ſtand da-
mals, als ich da war, die Guillotine, worauf je-
der ſterben mußte, der nur von Koͤnigen und Re-
genten Gutes ſprach. Es iſt doch ein wunderba-
rer Wechſel in den menſchlichen Dingen!
Ich weiß nicht, ob ich recht thue, wenn ich
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/347>, abgerufen am 21.11.2024.
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